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Kolumne von Kurt Sigl: Probefahren für den Aufschwung

Autorenbild: Kurt SiglKurt Sigl

Elektromobilisten sind eine Spezies Mensch, die vor ihrer Zeit leben. Das wird mir immer mehr bewusst. Rund 70 Prozent der Bundesbürger mit Führerschein in Deutschland sind – im Gegensatz zu den E-Mobilisten – noch nie ein Elektroauto gefahren. So lautet das Ergebnis einer Befragung im Auftrag der HUK-Versicherung zum Jahreswechsel 2025.


Im Jahr zehn nach dem Pariser Klimaabkommen gibt es keine Verhaltensänderung, kaum Anreize und auch keine materielle Notwendigkeit, Fahrzeuge, die umweltschädliche Abgase ausstoßen, gegen Fahrzeuge ohne Nutzungsabgase einzutauschen. Die Mehrheit der Bevölkerung weiß ziemlich wenig darüber, wie die neue Technik funktioniert und wie sie sich anfühlt. Die Bürger fahren wie gewohnt weiter. Nur 30 Prozent der Deutschen, die im Besitz eines Führerscheins sind, haben jemals am Steuer eines E-Autos gesessen.


Die Politik, die das Pariser Klimaabkommen unterschrieben hat, schert sich nicht drum, welche Verabredung sie getroffen hat. Nur Wirtschaftsunternehmen wissen auf direktem Weg, dass sie unweigerlich Kontakt mit der Elektromobilität haben werden, sei es über die Anschaffungen der notwendigen Fahrzeuge oder die Strafzahlungen zu ihrem CO2-Konto.


Die Verbesserung unserer Umweltwerte liegt also auf nur wenigen Schultern. Mich wundert das. Vom Verschmutzer darf durchaus erwartet werden, dass er oder sie direkt die Auswirkungen der von ihnen genutzten Technik kennen. Doch haben sie im aktuellen Wahlkampf etwas von Kundenverantwortung zur Umwelt gehört? Oder von Verantwortung der Verbraucher für einheimische Technologieführerschaft, solche Produkte zu kaufen, die Standort, Umwelt und Wettbewerb stärken? Nach meinem Dafürhalten haben wir verlernt, vor der eigenen Haustür zu kehren. Wir regen uns ungeheuer gern über Dinge auf, die wir gar nicht in der Hand haben. Oder die von fremder Verantwortung sprechen.


Durch die HUK-Studie sehe ich diesen Auftrag auch wieder bei mir. Öfter als im vergangenen Jahr werde ich 2025 Probefahrten anbieten und Interessierte im E-Auto mitnehmen. Wie die aktuelle Erhebung zeigt, liegt der Schlüssel zur Akzeptanz und Verbreitung von Elektroautos in Deutschland von der persönlichen Erfahrung ab. Befragte mit Führerschein schätzen die Elektroautos nur zu 45 Prozent als „gut“ oder „sehr gut“ ein. Diejenigen jedoch, die bereits ein E-Auto selbst gefahren haben, ohne es zu besitzen, finden die Stromer laut der Umfrage zu 53 Prozent „gut“ oder „sehr gut“. Und wer selbst bereits ein E-Auto besitzt, ist sogar zu 82 Prozent dieser Meinung.


 

Hier schreibt der Kurt Sigl


Er streitet, poltert und insistiert. Er treibt und verbindet, erklärt und stört. Kurt Sigl ist Experte der Elektromobilität und schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Ingolstadt, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Als Mitbegründer und langjähriger Präsident des Bundesverbandes eMobilität gilt Sigl als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energie. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise und der Gabe, Menschen zusammen zu bringen. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen.

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