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Kommentar von BEM-Präsident Kurt Sigl: "Die Richtung stimmt, die Power fehlt"

Autorenbild: Kurt SiglKurt Sigl

Wir haben Juni. In Berlin ist der Flieder schon fast verblüht und die Ukraine erlebt den dritten Monat Krieg durch Russland.


Das ungeheuerliche Vorgehen hält die ganze Welt in Atem und fordert auch unsere Branche heraus, sachlich und klar nachzudenken sowie Handlungslinien für den Erhalt und den Ausbau unserer Geschäftsmodelle für nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln. Die Unterstützung auf Seiten der Bundesregierung ist vorhanden. Für den Personenverkehr ist die Elektromobilität als vorrangige Technologie für die Verkehrswende anerkannt worden. Wir begrüßen das ausdrücklich, noch dazu, weil die steigenden Rohstoffpreise international dies dauerhaft als gute Entscheidung bestätigen werden.


Ich bin froh darüber, dass die Dinge diesmal von Frauen und Männern begleitet werden, die mit dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung eine zeitgemäße Richtung vorgegeben haben. Lange genug wurde der batterieelektrische Ansatz für die Mobilität sehr stiefmütterlich behandelt. Jetzt wird er für die aktive Mobilitätswende eingesetzt. Und zwar heute, nicht erst übermorgen.

Doch wenngleich die Richtung stimmt – fehlt es an Power. Wo ist die Übereinkunft zum Ende der Hybridförderung? Der Wirtschaftsminister hat vorgelegt, die Parteifreunde des Verkehrsministeriums intervenieren. Wo ist die Aussage, alle Verkehrsmittel gleich zu behandeln und das Primat des Autos zu beenden? Wann rücken auch Transport & Logistik, Schifffahrt oder Aviation in den von der Politik anerkannten elektromobilen Radius. Wann fällt das staatliche Dieselprivileg?


Hier gibt es viel zu tun und unser Verband präsentiert dafür zahlreiche Vorschläge. Ganz praktisch ist da zum Beispiel der staatlich

finanzierte Umweltbonus, der für E-Fahrzeuge weiterentwickelt werden muss. Die Förderung wurde missbraucht für gewinnbringende Exportgeschäfte ins Ausland. Laut einer Studie des Center of Automotive Management sind über zehn Prozent der Elektrofahrzeuge nach nur sechs Monaten ins Ausland verkauft worden, obwohl Deutschland dafür einen Umweltbonus gezahlt hat.

Das entspricht einer Fördersumme von rund 240 Millionen Euro, die also abgewandert sind. Unser Verband hat hier einen guten Vorschlag vorgelegt, wie die Investitionen zukünftig in Deutschland bleiben und die Förderung weiterhin stattfinden kann.


In unseren Augen sollte zudem die Perspektive für Kfz-Wechsler auf Elektromobilität gestärkt werden. Künftige Fahrzeughalter gewinnen an Sicherheit für die Investition in E-Autos, wenn der Antrag auf den Umweltbonus bereits 15 Tage nach der verbindlichen Bestellung gestellt werden kann. Aufeinander abgestimmte Prozesse können mehr Stabilität und Schubkraft entfalten. Und schlussendlich muss die Digitalisierung ausgebaut werden – bei den Behörden im grundsätzlichen Verständnis und auch auf Seiten der Mobilitätsunternehmen mit Blick auf Datenaustausch, Datensouveränität und dem Verlassen alter Denksilos in Ego-getriebenen Abgrenzungskulturen. Gerade der letzte Punkt ist eine harte Nuss. Noch dazu in Zeiten alter Abgrenzung, wie wir sie gerade durch den Krieg in der Ukraine erleben. Ich stelle mich darauf ein, dass wir diese Spannung noch öfter erleben.



Hier schreibt der Präsident

Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM), schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Berlin, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Er gilt als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise – und als begnadeter Netzwerker. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen. Den BEM betrachtet er als ideale Plattform, die alle relevanten Akteure im Bereich der E-Mobilität schnell und effizient zusammenbringen kann.

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