Als Präsident eines Bundesverbands bekommt man ja verschiedene Einblicke, und dann ist man wieder ein ganz normaler Bürger zwischen allen Nachbarinnen und Nachbarn. So kam es, dass ich im vergangenen Frühjahr an einer Ladesäule in Ingolstadt das elektrische Motorrad anschloss und mir prompt einen Strafzettel einfing.
Dieses Knöllchen erhielt ich keineswegs, weil ich die Zeit überschritten hatte – sondern wegen unsachgemäßen Parkens. Für zwei Stunden Laden ist auf dem betreffenden Parkplatz das Verweilen von E-Fahrzeugen erlaubt. Das funktioniert beim Motorrad übrigens mit demselben Typ2-Stecker wie beim E-Auto. Man darf dort also Strom zapfen und beim örtlichen Stadtwerk bezahlen, allerdings nur, wenn man richtig parkt. Ich hatte gegen die Richtlinien verstoßen: An meinem Kraftrad fehlte die Parkscheibe! So jedenfalls sah es der Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts. Und dies, obwohl das Ladekabel zum Zeitpunkt der Kontrolle aktiv eingesteckt war.
Sie ahnen es: Natürlich kam es zu einer Auseinandersetzung, die erst dieser Tage vom Amtsgericht Ingolstadt beendet worden ist. Zu meinen Gunsten, gegen das Ordnungsamt und mit zahlreichen Erörterungen: Ist Laden gleich Parken? Gelten alle Regeln übereinander? Wie geht denn das, Parkscheibe am Motorrad? Und wann versteht die örtliche Verwaltung endlich Elektromobilität?
Ich sage es ganz offen: Mir ist unklar, wie wir unter diesen Bedingungen öffentliches Laden attraktiv machen wollen. Wenn Kommunen das Aufladen von E-Fahrzeugen limitieren, wie auf diesem Parkplatz, dann können Verbraucher mit Mietwohnraum schwerlich Vertrauen fassen. Wer privat keine Ladesäule oder Wallbox besitzt, muss damit rechnen können, dass ausreichend Ladeinfrastruktur vorhanden ist. Da muss es praktikable Regeln geben – am Normallader, für die Nachtstunden, selbst innerstädtisch.
Sie und ich wissen, die Antwort wird in der Digitalisierung liegen – also im Bereich des Ordnungsamtes. Mit der entsprechenden Abfrage an der Ladesäule könnte sich so manche Information schnellstens austauschen lassen. Da braucht es dann auch keine Bauanleitung mehr über gelochte Parkscheiben, die mit Metallschlössern am Motorrad befestigt werden sollen. So etwas habe ich tatsächlich von diesem Amt zugeschickt bekommen. Die Verballhornung von Regeln als Widerstand gegen die Erneuerung – das muss aufhören!
Ich wünsche uns allen, dass sich die Gespräche und Diskussionen um die Elektromobilität im Jahr 2024 weiterentwickeln, dass wir nach vorn kommen und uns nicht an die Stirn schlagen müssen. Dass wir die Reformen fortschreiben und den Stand der Technik und unsere Geschäfte damit nachhaltig verbessern.
Hier schreibt der Präsident
Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM; bem-ev.de), schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Berlin, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Er gilt als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise – und als begnadeter Netzwerker. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen. Den BEM betrachtet er als ideale Plattform, die alle relevanten Akteure im Bereich der E-Mobilität schnell und effizient zusammenbringen kann.