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Kommentar von BEM-Präsident Kurt Sigl: Noch lange kein Happy End

Autorenbild: Kurt SiglKurt Sigl

Die Sommerpause in der deutschen Mobilitätsbranche endet mit der IAA, der Internationalen Automobilausstellung. Im September offenbart die Messe das drängendste Problem der Republik: Das Ringen der deutschen Autoindustrie, im Zeitalter der Elektromobilität Schritt zu halten mit der internationalen Konkurrenz.


Während VW-Chef Thomas Schäfer in einer Brandrede jüngst die Manager des Konzerns auf die Schwierigkeiten im Elektrosegment einstimmte, hat VDA-Chefin Hildegard Müller zur Pflichtmesse ihrer Mitglieder eine Hollywood-Schauspielerin gebucht – Natalie Portman. Der Filmstar, der durch Rollen in „Black Swan“, „Mars Attacks“ oder „Star Wars“ bekannt wurde, soll die Keynote halten und über nachhaltige Mobilität sprechen.


Eigentlich braucht keiner mehr Automessen. Der Genfer Autosalon, die europäische Leitmesse, hat das verstanden und seine Show in diesem Jahr abgesagt. Was soll man denn auch präsentieren? Maßgeblich sind nicht mehr Endgeräte, sondern das Gesamtsystem nachhaltiger Mobilität, einschließlich der Sektorenkopplung mit der Erneuerbaren Energie und der Digitalisierung.

Doch in Deutschland braucht es offenbar länger, bis sich die neuen Zusammenhänge in den führenden Unternehmen herumsprechen. Also darf jetzt ein Hollywood-Star für Glamour in den Messehallen sorgen. „Mit ihr gewinnen wir eine Person, die schon oft bewiesen hat, dass mit Haltung und Hartnäckigkeit viel in der Gesellschaft erreicht werden kann“, so heißt es in der offiziellen Mitteilung zu Natalie Portman.


Bedauerlich ist jedoch: Die aufrechte Lady aus Übersee ahnt wohl nicht, dass sie im Land der Verhinderer auftreten wird. Wo im Verkehrsbereich eben kein CO2 eingespart wird und ausgerechnet der zuständige Verkehrsminister Volker Wissing den Wandel zu grüner Mobilität boykottiert. Gerade erst hat er wie in einer Neuverfilmung versucht, Wasserstoff als Lösung für den Individualverkehr zu empfehlen, um den von ihm propagierten, teuren E-Fuels einen Korridor zu bauen – als Beimischung und zur Lebensverlängerung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Der Plot ist eigentlich bekannt, das Ende enttäuschend: zu teuer, zu ineffizient, nichts für das Massenpublikum.


Doch die Handlung kann sich noch zum Polit-Thriller entwickeln. Denn gegen Wissings Ministerium werden aktuell Vorwürfe der Vetternwirtschaft erhoben. Ein Abteilungsleiter soll Freunden staatliche Fördergelder in Millionenhöhe zugeteilt haben. Wissing hält sich bedeckt. Womöglich deshalb, weil die Vorwürfe ausgerechnet gegen die Abteilung Wasserstoff erhoben werden, von der sich der Minister ja so viel Perspektive verspricht. Wir sind gespannt. Womöglich nimmt Frau Portman die ein oder andere Pointe für ihre Filmproduktionen mit nach Hollywood. Von einem klassischen Happy End sind wir hier jedenfalls noch weit entfernt.

 

Hier schreibt der Präsident

Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM; bem-ev.de), schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Berlin, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Er gilt als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise – und als begnadeter Netzwerker. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen. Den BEM betrachtet er als ideale Plattform, die alle relevanten Akteure im Bereich der E-Mobilität schnell und effizient zusammenbringen kann.


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