Durchatmen und neue Reize empfangen im Herbst. Technische wie zukunftsträchtige Präsentationen und Innovationen, wo immer man hinschaut. Sei es die Zweiradmesse Intermot in Köln, die eMove in Berlin oder die Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation in Hannover – alle machen sich konsequenterweise auf den batterieelektrischen Weg. Irre! Es scheint ein wenig verdreht. In Zeiten von Ruhe und Vernunft ist in Deutschland offenbar kein strukturierter Wandel möglich, doch wenn der Gaspreis steigt: Dann wirkt es, als würden ganze Fahrzeugsegmente schnell und einfach den Schalter umlegen.
Das ist stark, das ist weitsichtig und langfristig belastbar. Es freut mich sehr, dass hier nachhaltig Berge versetzt werden können.
Und was macht die Politik? Wenn man es positiv betrachten möchte, kann man dort die geneigte Unterstützung für diesen kollektiven Gesinnungswandel entdecken. Jawoll, tatsächlich, es ist wahr: Support für die Veränderung! Nicht gerade als krachende Medienkampagne angelegt, jedoch an wichtiger Stelle umrissen: Das Parlament der Europäischen Union (EU) hat sich vor wenigen Tagen dafür ausgesprochen, Mitgliedsstaaten und Ladenetzbetreiber, die den Ausbau nicht ausreichend, konsequent und nachhaltig vorantreiben, zu sanktionieren.
Bisherige Initiativen waren nachweislich zu schwach für eine spürbare Marktentwicklung. Statt der mehr als 677.000 Ladestationen für Lkw und Pkw, die laut EU-Richtlinie bereits bis – wohlgemerkt – 2020 aufgestellt werden sollten, sind es aktuell gerade einmal 377.000 dieser Stromtankstellen.
Als Ursache dieses kontinentalen Missstandes können – egal, wo man hinschaut – unzureichende Strategiepläne der Mitgliedsstaaten identifiziert werden. Es fehlt offensichtlich an dem notwendigen Handlungsdruck in den Verwaltungsstrukturen. Anders dagegen im EU-Parlament: Entsprechend der neuesten Ansage soll künftig entlang von Hauptverkehrsrouten alle 60 Kilometer mindestens eine Ladestation verfügbar sein. Staaten, die sich daran nicht halten, sollen empfindliche Strafen zahlen – und zwar pro Stück!
Wer die Stromtankstellen nicht adäquat wartet oder keine Zahlung per Kreditkarte ermöglicht, also die einfache und bequeme Nutzung der Ladesäulen kurz- und mittelfristig behindert, soll ebenfalls konsequent zur Kasse gebeten werden. Na also, da geht doch was: Verhindern, dass die Offensive durch Untätigkeit hinausgezögert wird. Wenn das nicht die hohe Kunst der Politik ist ...
Hier schreibt der Präsident
Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM), schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Berlin, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Er gilt als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise – und als begnadeter Netzwerker. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen. Den BEM betrachtet er als ideale Plattform, die alle relevanten Akteure im Bereich der E-Mobilität schnell und effizient zusammenbringen kann.
Comments