top of page
  • AutorenbildKurt Sigl

Kommentar von BEM-Präsident Kurt Sigl: Versteckspiel auf Beamtendeutsch

Manchmal muss man Wortbeiträge zweimal oder noch öfter lesen, um deren Inhalt wirklich und auch auf tieferen Ebenen zu verstehen. Die Deutsche Bahn „modernisiert“ für rund 400 Millionen Euro ihre Busflotte: Von 2023 bis 2026 sollen rund 1.200 Fahrzeuge geliefert werden, darunter 260 Elektrobusse. In einer Pressemitteilung des Unternehmens heißt es: „Damit senken wir signifikant unseren CO₂-Ausstoß und gehen einen weiteren großen Schritt in Richtung klimaneutraler Nahverkehr auch auf der Straße.“


Diese Zeilen der Deutschen Bahn wurden gerade erst veröffentlicht, also Mitte des Jahres 2022. Während in der Ukraine ein schrecklicher Krieg tobt und Westeuropa versucht, sich von fossilen Treibstoffen freizumachen, kauft Deutschlands Mobilitätsunternehmen Nummer eins tatsächlich 940 Dieselbusse ein, die demnächst in den deutschen Straßenverkehr gespült werden sollen.

Halten wir das fest: Nicht etwa 1.200 elektrisch betriebene Busse. Nicht etwa ­Second-Life-Modelle, umgerüstet oder zeitlich befristete Ware. Nein, die Pressemeldung der Bahn spricht bei „Modernisierung“ offensiv und unverhohlen vom Kauf nagelneuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Spätestens jetzt lese ich den Text ein drittes Mal. Von was ist hier die Rede? Auf Nachfrage im Netz antwortet mir der Vorstand der DB Regio, dass man den Wünschen der Besteller im Öffentlichen Nahverkehr gefolgt sei, die Bahn hier also keine Schuld treffe. Mit „Besteller“ sind in diesem Fall die Bundesländer und die Kommunen gemeint, über die der ÖPNV organisiert wird. Dort herrscht – wir hatten dies vor kurzem schon einmal thematisiert – die Ansicht vor, man sei kein Tankstellenbetreiber für Elektroautos und der ÖPNV rechne sich ohnehin nicht von selbst. Allen Ernstes wurden die Dieselbusse offenbar mit dem Argument der Wirtschaftlichkeit gebucht, unter Berufung auf die speziellen Vergaberichtlinien.


So geht Versteckspiel auf Beamtendeutsch. Während wir die Auswirkungen des Klimawandels am Beispiel Ahrtal unmittelbar zu spüren bekommen und die freie Wirtschaft inzwischen zahlreiche Modernisierungsansätze für umweltschonende Technologien schafft, vertagen diese „Besteller“ das Problem kurzerhand und verschieben es einfach in die Zukunft.


Es ist ein ausgesprochen schlechter Deal, wie sich inzwischen zeigt. Nachdem Anfang Juni – nur einen Monat nach der Kaufentscheidung – das EU-Parlament den Ausstieg aus dem Verkauf von Verbrennerfahrzeugen beschlossen hat, dürfte den Nutzern der Gebrauch der frisch erworbenen Diesel-Busse bitter im Hals stecken bleiben. Wenn die Unternehmen im Jahr 2035 ihre CO₂-Werte senken müssen und bestehende Diesel-Fahrzeuge nachhaltigen Treibstoff benötigen, ist der Einsatz von E-Fuels keine wirkliche Alternative. Bei einem Literpreis von sechs Euro wird dann das böse Erwachen folgen und die Einsicht, dass die seriöse und zukunftsorientierte Wirtschaftlichkeitsprüfung bereits viel früher hätte stattfinden müssen.

 

Hier schreibt der Präsident


Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM), schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Berlin, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Er gilt als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise – und als begnadeter Netzwerker. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen. Den BEM betrachtet er als ideale Plattform, die alle relevanten Akteure im Bereich der E-Mobilität schnell und effizient zusammenbringen kann.



Comentários


bottom of page