Der Hochlauf der Elektromobilität bringt auch Verlierer hervor. Nun, grundsätzlich gibt es diese immer, so könnte man lapidar feststellen. Doch speziell in diesem Segment sind die Fälle besonders gelagert.
In Deutschland werden die Verlierer der Elektromobilität am Markt nicht aussortiert, weil es einen Wettbewerb der Besten gibt. Verlierer wird, wer zu früh zu viel wollte. Wir kennen sie alle, sie heißen Streetscooter, e.Go oder Sono Motors. Sie gehören zu den mutigen Vorreitern, die im Eifer des Gefechts sicherlich auch eigenverschuldete Fehler gemacht haben. Von denen jedoch keiner damit rechnen konnte, dass der Markthochlauf von den Rahmengebern so dermaßen verschleppt wird, wie es in Deutschland nachweislich geschieht.
Die wechselnden Förderbedingungen, der Schutz des Alten, das Spielen auf Zeit, das Schaffen von Verunsicherung beim Kunden oder die Aufrechterhaltung bisheriger Marktgewohnheiten sind eindeutige Mittel der Wettbewerbsmanipulation. Obsiegen kann nur, wer zum Establishment gehört. Wer sich Zeit gelassen hat. Wer mit einem auskömmlichen Zweitgeschäft zu puffern vermag oder einen guten, im besten Fall ausländischen Partner findet, um zumindest in anderen Märkten erfolgreich agieren zu können.
Dagegen sind die Neuen in diesem Land zum Scheitern verurteilt: Fisker, Tritium und Electric Brands etwa. Weder gibt es für diese Insolvenzen seriöse Auffanghilfe, auch keine Unterstützung für die Tüchtigen. Ist der Bundeskanzler vielleicht schon einmal in München auf Europas größter Energiemesse The Smarter E/Power2Drive gesehen worden? Gibt es nur einen Minister oder eine Ministerin, welche die Elektromobilität nach vorn spielt? Dieser Mangel an Support ist entsetzlich.
Die Branche wartet jetzt auf den Dominoeffekt im Herbst. Es ist Konsolidierungszeit. Das spüren alle, zumal das erste Halbjahr mit angezogener Handbremse verlief. Etats vergeben nur noch die Großen, die gar nicht in die deutschen Untiefen hineinschauen, sondern fast mondsüchtig milliardenschwere Investitionen in amerikanische Defizitprojekte stecken, wie gerade unser größter Pkw-Hersteller Volkswagen in den amerikanischen Automobil- und Software-Produzenten Rivian.
Ist es ein Schachzug gegen die schwierig zu kalkulierende Entwicklung in China? Womöglich, jedoch unbedeutend auf dem Parkett des Wettbewerbs. Die Kraft muss aus uns selbst kommen. Die Trends sind mehr als eindeutig. Ich empfehle, das Raumschiff auf den Erdboden zurückzuholen und einfach mit der elektrischen Personenbeförderung zu beginnen.
Hier schreibt der Kurt Sigl
Er streitet, poltert und insistiert. Er treibt und verbindet, erklärt und stört. Kurt Sigl ist Experte der Elektromobilität und schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Ingolstadt, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Als Mitbegründer und langjähriger Präsident des Bundesverbandes eMobilität gilt Sigl als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energie. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise und der Gabe, Menschen zusammen zu bringen. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen.