Die Transformation läuft schneller und gewaltiger als erwartet. Selbst die Kenner und Taktgeber der Branche sind mitunter überrascht, mit welcher Dynamik sich der Wandel hin zu der Elektromobilität vollzieht. Schaeffler, der renommierte Automobilzulieferer, begründet den vor wenigen Tagen angekündigten Abbau von 1.300 Stellen mit genau diesem Argument. „Zum einen ist nun von wirklich jedem Autohersteller das elektrische Angebot auf dem Markt“, so erklärte es Matthias Zink, der als Vorstandsmitglied die Sparte Automotive Technologies von Schaeffler verantwortet, in der Wirtschaftswoche: „Zum anderen ist auch bei den Kunden die Kaufbereitschaft in der Breite da. Manchmal zähle ich die E-Autos, die mir beim Autofahren entgegenkommen – und das werden immer mehr.“ In seinem Unternehmen, wie in vielen anderen, heißt es: knallhart umstrukturieren.
650 Entwickler sind bei Schaeffler bereits intern neu qualifiziert worden. Sie arbeiten jetzt im Segment der Elektromobilität an den Produkten der Zukunft. Zudem werden spezielle Qualifikationen gesucht, die über den Markt eingekauft werden müssen. Die Spezialisten der E-Mobilität sind heißt begehrt, wie auch die Strategen anderer Großunternehmen, etwa Magna oder Vitesco, bestätigen. Keba, der Wallbox-Produzent, versucht seine Kompetenz durch den mit entsprechenden Qualifizierungsprogrammen geförderten und geforderten Nachwuchs im eigenen Haus konsequent zu steigern.
Spezialisten höchst begehrt
Wie stark die Nachfrage an hoch qualifizierten Leuten ist, bekommt auch ATU zu spüren. Die bundesweit agierende Werkstattkette bildet bereits seit fünf Jahren gezielt Fachkräfte im Hochvoltbereich aus – und profiliert sich als erstklassiger Servicepartner für die Freunde der E-Mobilität. Allerdings bekommen die Firmenoberen auch intensiv zu spüren, wie begehrt die eigenen Facharbeiter auf dem Markt sind. Laut einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) werden allein durch das Wachstum der Branche für E-Autos bis zum Jahr 2030 mehr als 200.000 neue Stellen entstehen. Gleichzeitig soll gut eine halbe Million Fachkräfte in diesem Zeitraum gezielt weitergebildet werden.
Wie viele Arbeitsplätze es in der künftig deutlich bunteren Mobilitätswirtschaft Mitteleuropas geben wird, ist schwer einzuschätzen. Die nackten Zahlen belegen: Mehr als drei Viertel der in Deutschland hergestellten Autos gehen ins Ausland. Und: In den wichtigsten Absatzmärkten für diese Fahrzeuge made in Germany stehen die Zeichen auf Wandel. Es ist folglich eine gute Idee, sich beruflich mit den neuen, möglichst nachhaltigen Technologien zu beschäftigen.
Selbst Tesla, der Pionier der E-Branche, sucht für seine neue Gigafactory in Grünheide mit Hochdruck Ingenieure und Fachleute, die bei der Produktion von Batteriezellen mitwirken sollen. Rar sind die Spitzenkräfte, auch weil sich diese Sparte in Deutschland gerade erst entwickelt. Kein Wunder, dass die Tesla-Scouts sich gezielt in anderen Branchen umsehen: Halbleiter, Reifenproduktion, Chemie, Zigaretten oder Getränke – jeder ernstzunehmende Quereinsteiger ist bei der US-Company vor den Toren Berlins herzlich willkommen. Wer die Limonade professionell in die Dose abfüllt, bringt auch chemische Lösungen unfallfrei in die Zellen der Akkus – so lautet das Motto. Laut Schätzungen des Beratungsunternehmens Capgemini entstehen allein im Bereich der Batterien bis Ende des Jahrzehnts 220.000 neue Arbeitsplätze.
Gigafabrik in Niedersachsen
Dazu passt, dass Volkswagen in Salzgitter das nach eigenen Aussagen „weltgrößte Trainingscamp für Batterietechnologie“ zu verwirklichen plant. Rund zwei Milliarden Euro investiert der Konzern in die Transformation vom Leitwerk Motor zum Leitwerk Zelle. Im vergangenen Sommer wurde der Grundstein für die neue Gigafabrik Salzgitter gelegt, 2025 soll die Zellfertigung starten. Parallel dazu hat das Unternehmen eine Qualifizierungsoffensive gezündet.
Beschäftigte aus dem Motorenwerk von Volkswagen sollen in den nächsten Jahren für die neuen Aufgaben in der Zellfertigung weiterqualifiziert werden. Auch die Ausbildung wird neu ausgerichtet. In Salzgitter gibt es ab sofort die Möglichkeit, die Lehrzeit zum Chemielaborant zu absolvieren, außerdem werden duale Studiengänge mit Fachrichtung Chemie angeboten. Die Gigafabrik in Niedersachsen soll künftig rund 2.500 Menschen beschäftigen. „Salzgitter ist ein Paradebeispiel für die Transformation des Automobilstandorts Deutschland“, sagt Thomas Schmall, Mitglied des Konzernvorstandes für das Ressort Technik.
Akute Personalengpässe
Hochkonjunktur herrscht selbstverständlich auch auf dem Gebiet der Infrastruktur. Eine Million öffentliche Ladestationen soll bis 2030 in Deutschland in Betrieb sein, derzeit sind es keine 100.000. Dazu kommen die privaten Anschlüsse – Wallboxen, Ladekabel und Co. Zertifizierte Elektriker und Elektrotechniker, die in der Lage sind, die Ladepunkte zu installieren und anzuschließend werden zwischen Flensburg und Garmisch so gut wie überall dringend gesucht. „Den akuten Personalengpässen sollten wir aktiv entgegenwirken“, sagt Markus Emmert, Vorstandsmitglied und Leiter der Arbeitsgruppen im Bundesverband eMobilität (BEM): „Es liegt auf der Hand, dass neue Ladesäulen nicht nur installiert, sondern auch gewartet und instand gehalten werden müssen.“ Die BEM-Oberen predigen bereits seit geraumer Zeit in Richtung Bund und Behörden, die neuen Berufsfelder, die über den Bau der Energiespender und entsprechend benötigten Messvorgängen entstehen, offensiv zu fördern. Speziell in den Bereichen Elektrotechnik, IT, Service und Montage herrsche ein großer Mangel an Fachkräften.
Im Geschäft der Stromer
„Projektleiter Einkauf Elektromobilität (w/m/d)“ – so lautet der Titel einer Stellenanzeige, welche die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, einer der größten Stromanbieter des Landes, gerade geschaltet hat. Einkauf Elektromobilität? Kling nach mehr. Der Kern dieser Aufgabe: Ladeinfrastruktur, Bau, Instandhaltung und Betrieb – inklusive der Sicherstellung funktionsübergreifender Vernetzung. Jährliches Beschaffungsvolumen: rund 200 Millionen Euro. Herzlich willkommen und viel Erfolg auf dem Weg in die Mobilität von morgen! Wer sich aufrichtig für diese Stelle interessiert, sollte das Studium der Betriebswirtschaftslehre oder des Wirtschaftsingenieurs abgeschlossen und auch eine gewisse Routine im Umgang mit dynamischen Projekten haben.
Der Weg von den Ladesäulen samt gut kalkuliertem Strompreis ins professionelle Fuhrparkmanagement ist kürzer als es scheint. „Wir elektrifizieren Ihre Fahrzeugflotte“, verspricht eine Beratungsfirma – und schickt eine Kalkulation samt Einsparpotenzial pro Auto, berechnet auf die nächsten zehn Jahre gleich mit. Plus die Botschaft: „Lassen Sie uns gemeinsam die grüne Zukunft gestalten – für Ihr Unternehmen und unsere Umwelt.“ Die Transformation ist überall. Wer das Tempo halten kann, wird auch im Job profitieren.
Spannende Neukontakte
Die Berufsbilder, die der Wandel hin zur E-Mobility mit sich bringt, sind bunt und breit gefächert. Spannend für Neustarter, Seiteneinsteiger und die leidenschaftlichen Begleiter der Verkehrswende – ganz egal in welcher Altersklasse. Es ist spannend zu verfolgen, welche beruflichen Neukontakte während der Transformation geschmiedet werden. Da beschäftigt etwa das Autoabo-Startup Finn eine ganze Reihe routinierter Fahrer, welche die Vehikel an die Kunden ausliefern. Tesla? Kein Problem. Der altersweise Autobote erklärt das E-Auto im Stil der Transformation. Offensiv, kurz und knackig – weiter geht‘s!
Informationen zu den E-Jobs
Der Bundesverband eMobilität (BEM) ist als Zusammenschluss von Unternehmen, Institutionen, Forschenden und Anwendern der neuen Mobilitätsangebote die perfekte Plattform für Fakten bezüglich neuer Berufsbilder in der Branche.
Konkret auf E-Mobilität getrimmte Stellenangebote (z. B. Technikerweiterbildung) liefert die Arbeitsagentur. Natürlich haben sich auch die großen Jobbörsen wie stepstone.de oder indeed.de entsprechend transformiert. Mittlerweile gibt es zudem spezialisierte Stellenanbieter im Internet wie green-energy-jobs.net, die erfolgreich vermitteln.
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