Ist das eine gute Idee? Testfahrten im morgendlichen Berufsverkehr? In Berlin? Naja, es kommt wohl auf das Auto an. Der neue Opel Astra Electric, so viel sei an dieser Stelle schon erzählt, eignet sich perfekt diesen Einsatz. Es ist die gute Gelegenheit zu zeigen, was er kann. Auch im Stoßverkehr. Selbst in der Hauptstadt.
Jaha, da ist sie endlich, die vollelektrische Variante des kompakten Klassikers. Der Astra, seit mehr als drei Jahrzehnten der Verkaufsschlager dieses traditionsreichen Herstellers, ist jetzt auch als hundertprozentiger Stromer erhältlich. Und bereits auf den ersten Blick wird deutlich: Die Entwickler aus dem Hause Opel habe eine gehörige Portion Energie und Leidenschaft in die Transformation des Dauerbrenners investiert.
Fahren im Zeitgeist
Frisch, munter und angriffslustig, so wirkt der Astra Electric auf uns, als wir ihn in der Parkgarage am Berliner Flughafen etwa näher kennenlernen dürfen. Es mag an der knackigen Farbe – kobaltblau – liegen. Oder an der markant geschnittenen Frontpartie, im Fachjargon als Vizor-Optik bezeichnet, die konsequenterweise alle neuen Modelle von Opel ziert. Dieser schwarze Grill mit den spitzen Wangen und dem geschärften Blick aus den Scheinwerfern. Der Neue aus Rüsselsheim trifft damit voll den Zeitgeist.
Wir steigen ein und merken sofort: Der markante Stil, diese Reduktion auf höchst möglichem Qualitätsniveau, ist auch im Innenraum umgesetzt worden. Klare Strukturen, einfach zu entschlüsseln. Alles ist dort, wo es hingehört. Und ja, die Sitze wirken auf Anhieb bequem bis kuschelig. Freundliche Herren weisen uns den Weg aus dem Parkhaus heraus auf die Autobahn. Wir rollen sanft. Doch fahren wir auch? Unglaublich, selbst als wir auf 80 Stundenkilometer beschleunigen hören wir nur ... ein wohliges Schnurren. Diese Laufruhe wirkt faszinierend, weil gänzlich unerwartet.
Der Astra Electric bleibt auch angenehm leise, als wir die 100 km/h erreichen. Kurioserweise nehmen wir auch keine Windgeräusche wahr. Nur das sanfte Rollen der Räder, die – gut abgestimmt und gedämpft – jede Bodenwellen schlucken. Gleichzeitig vermittelt der E-Opel den Eindruck, als gleite er straff wie auf Gleisen über den Asphalt. Sportlich, angenehm und komfortabel. Wow!
Professionell navigiert
Runter von der Autobahn. Wir wuseln uns kreuz und quer durch Kreuzberg, steuern gen Mitte. Stop and go. Rechts vor links. Ampel rot, Ampel grün. Radfahrer. Fußgänger. Volle Konzentration. Der E-Astra bleibt auf Kurs, das bunte Getümmel scheint ihm zu behagen. Wir kommen gut voran und bleiben – höchst komfortabel kutschiert – auch in dem ganz normalen Treiben der Kapitale total entspannt. Selbst als sich der Himmel an diesem schwülheißen Sommertag öffnet und es wie aus Kübeln schüttet.
Es hilft, dass der Sprachassistent in Kombination mit der Navigation unsere Routenpläne zuverlässig umsetzt. Keine Missverständnisse, kein mehrfaches Nachfragen. Wir sagen an, der Stromer fährt. Das Navi zeigt detailliert, wo es langgeht. Falschfahren praktisch unmöglich.
Zentrales Element im Cockpit ist das digitale Pure Panel Pro, das auf zwei je zehn Zoll großen Breitbildschirmen alle wichtigen Informationen wie den Ladestand der Batterie oder die Restreichweite liefert. Dagegen wird die Klimaanlage wie seit jeher schnell und einfach per Tastendruck geregelt.
Niedriger Stromverbrauch
Fototermin vor dem Berliner Schloss, auf halbem Weg zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor. Schauen wir uns den Opel Astra Electric noch einmal genau an. Optisch, inhaltlich und emotional – dieses Modell setzt in der Kompaktklasse zweifellos neue Maßstäbe. Auch weil es dank seines vergleichsweise niedrigen Stromverbrauchs ansprechende Reichweiten garantiert.
Bis zu 418 Kilometer nach WLTP-Standard schafft der Astra laut Hersteller, wenn seine 54 Kilowattstunden starke Batterie voll aufgeladen ist. Den Verbrauch gibt Opel mit 14,9 Kilowattstunden auf 100 Kilometer an. Das ist im Vergleich mit der kompakten Konkurrenz niedrig. Während unserer Testfahrten bleibt der Astra sogar lange Zeit darunter. Mit bis zu 100 Kilowatt können die Akkus an der Schnellladesäule wieder Strom ziehen, innerhalb von 30 Minuten auf bis zu 80 Prozent, so lautet hier die Faustformel. An der Wallbox, zuhause oder in der Arbeit, sind serienmäßig Ladevorgänge mit elf Kilowatt möglich.
Bald auch als Kombi
Die Batterie ist platzsparend im Unterboden verbaut worden. Es hat den Vorteil, dass auch die Fahrgäste auf den hinteren Plätzen noch angenehm sitzen können. Die Limousine bietet im Gepäckabteil das Ladevolumen von 352 Litern, sind die Rücksitze umgeklappt, werden bis zu 1.268 Liter daraus. Für Familien und Geschäftsleute besonders interessant: Im Verlauf dieses Jahres wird auch noch der Astra Sports Tourer Electric auf den Markt kommen, die Kombiversion mit dem Ladevolumen von 516 Litern.
Selbstverständlich hat der Opel Astra Electric auch das Potenzial, im großen Stil als Geschäftswagen oder Flottenfahrzeug für Firmen eingesetzt zu werden. Der Preis liegt für die Limousine in der gut ausgestatteten GS-Linie bei 45.060 Euro – abzüglich der Förderungsprämie. Zudem lockt der Rüsselsheimer Produzent mit Leasing-Raten ab 399 Euro pro Monat.
Wir setzen unsere Testfahrt fort – auf dem langen Weg hinaus aus der Hauptstadt, vorbei am Wannsee über die Glienicker Brücke nach Potsdam und im Schritttempo vorbei an Schloss Sanssouci. Noch einmal Blitz und Wolkenbruch. Doch in dem E-Astra ist es weiterhin ruhig bis entspannend. Es kribbelt, als wir auf der Autobahn massiver beschleunigen. 130 km/h, 150. Dieser Stromer schiebt bei einem Drehmoment von 270 Newtonmetern gut an, doch er bleibt auch im Schnellgang stabil und angenehm leise.
Für uns ist es die gute Gelegenheit, auf der Schlussetappe auch noch die teilautonomen Assistenten der neuen Opel-Software Intelli-Drive 2.0 zu testen. Problemlos und zuverlässig funktioniert der Helfer, der die Spur hält. Einfach die Taste „Assist“ auf dem Lenkrad drücken. Im Fahrerdisplay sind umgehend ein grünes Lenkrad und die Ränder der Fahrbahn links wie rechts, ebenfalls in grün, zu erkennen. Der Astra Electric lenkt jetzt selbst und hält sich automatisch in der Mitte der Fahrbahn. Theoretisch könnten wir die Hände vom Steuer nehmen, rein rechtlich ist es verboten.
Nachhaltig beeindruckend
Komfortabel erscheint auch der Assistent für den aktiven Spurwechsel. Bei voller Fahrt einmal den Blinker angetippt, und der Astra Electric setzt zum Überholvorgang an – wenn die Fahrbahn frei ist. Er wechselt die Spur allerdings nur, wenn die Hände am Lenkrad sind. Noch ein Tipper auf den Blinker, wir fahren wieder auf der rechten Seite. Im Parkhaus am Berliner Flughafen drücken wir die Stopptaste – und sind nachhaltig beeindruckt.
Technische Daten
Hersteller | Opel |
Modell | Astra Electric |
Antriebsart | Elektro |
Leistung | 115 kW / 156 PS |
Maße / Gewicht | 4.374 x 1.860 x 1.488 mm / ab 1.679 kg |
Antriebsachse | Vorderrad |
Anzahl der Türen | 5 |
Kofferraumvolumen | 352 - 1.268 l |
Reichweite | 418 km (WLTP) |
0-100 km/h | 9,2 Sekunden |
Spitze | 170 km/h |
Preis | ab 45.060 € |
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