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  • AutorenbildChristoph Lumetzberger

Teures Pflaster

Die Initiative BUND nimmt 13 der unwirtschaftlichsten und unökologischsten Straßenprojekte in Deutschland unter die Lupe.



Auf den ersten Blick ist das deutsche Autobahnnetz eine einzige Baustelle. Während einer Fahrt von München nach Hamburg hangeln Sie sich von Fahrbahnverengung zu Fahrbahnverengung, Brückenrenovierungen und Bankettarbeiten prägen das Bild entlang der Strecke. Kein Wunder, nimmt die Anzahl an zugelassen PKWs in Deutschland doch von Jahr zu Jahr zu. Und die wollen schließlich möglichst rasch von A nach B kommen. Ganze 120 Milliarden Euro will die Bundesregierung für Erhalt, Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen ausgeben. Diese Kosten trägt zu 100 Prozent der Bund. Dass dabei nicht jedes Investment, jeder geplante Neubau oder jedes Straßenbauprojekt gleichermaßen effizient und nachhaltig sein kann, steht außer Frage. Dazu sind die Anforderungen einfach zu individuell. Dennoch ist es wichtig, genauer hinzusehen.


Die Umwelt- und Naturschutzorganisation BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) stellte im Rahmen einer Onlinepräsentation im Februar unter dem etwas hochtrabenden Claim Desaster im Dutzend die unwirtschaftlichsten Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte in Deutschland vor. Darin ist die Rede von methodischen Kniffen, die beim 2016 vorgelegten „Bundesverkehrswegeplan 2030“ und dem daraus abgeleiteten Fernstraßenausbaugesetz angewendet wurden, um einen Straßenbaumaximalplan zu verabschieden und diesen gegen alle Widerstände durchzusetzen.


Aus diesem Grund hat der BUND sich besagten Fernstraßen-Bedarfsplan vorgeknöpft, die darin enthaltenen Projekte nach einem Kosten-Nutzen-Verhältnis bewertet und kritisch hinterfragt. Dabei orteten die handelnden Personen zahlreiche Versäumnisse, nicht nur den Umweltschutz oder die Notwendigkeit betreffend. Ganze Landstriche, teils mit unberührter Natur und zahlreichem Artenreichtum würden dem Erdboden gleichgemacht. Wir geben Ihnen einen groben Überblick der größten straßenbaulichen Sünden in der Bundesrepublik.

 



1| A20 - Bad Segeberg - Westerstede

Klimaschädlich, naturzerstörend, unwirtschaftlich und ohne Nutzen. So wird die A20 in der BUND-Veröffentlichung betitelt. Und in der Tat ist sie ein Paradebeispiel für die Betonpolitik Deutschlands. Ein mehr als 200 Kilometer bestehender Abschnitt der Küstenautobahn entlang der Ostsee ist bereits in Betrieb und hat es sogar in die bundesdeutschen Schlagzeilen geschafft. Im Herbst 2017 ist die A20 auf mehr als 100 Metern abgesackt und die Ostseeautobahn sprichwörtlich im Moor versunken. In Planung befindet sich der Abschnitt zwischen Bad Segeberg und Westerstede, der nach geschätzten Kosten rund sieben Milliarden Euro verschlingen würde. Nachdem bereits der bestehende Abschnitt weitaus weniger Kraftfahrzeuge pro Tag zählt als angenommen, steht auch hinter dem nun geplanten Abschnitt ein großes Fragezeichen.



2| B96 - Neubrandenburg - Oranienburg

Der offizielle Grund für die Aufnahme der B96 in den Bedarfsplan 2016 war die bessere Verbindung zwischen der Region Berlin und Neubrandenburg sowie zwischen der Hauptstadt und Stralsund. Da allerdings bereits zwei Autobahnverbindungen zwischen Berlin und der Ostsee existieren, ist es zu hinterfragen, ob es die acht Ortsumfahrungen zwei-, drei- und vierspurig auf einer Länge von 47 Kilometern tatsächlich benötigt. Zudem sind zwischen den geplanten Ortsumfahrungen weitere 48 Kilometer in Planung, die häufig parallel zur bereits bestehenden, alten Bundesstraße entstehen sollen. In Fürstenberg wird die Notwendigkeit einer Entlastung vom Durchgangsverkehr seitens des BUND nicht bestritten, allerdings kommt es auf vielen weiteren Abschnitten zu massiven ökologischen Eingriffen.



3| A39 - Lüneburg - Wolfsburg

Auf einer Strecke von rund 100 Kilometern ist die A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg geplant, parallel zur bereits bestehenden B4. Anstatt diese für lediglich 200 Millionen Euro naturschonend auszubauen, kassiert das Land Niedersachsen 1,5 Milliarden Euro vom Bund für das Autobahnprojekt. Dieses würde einen der größten, unzerschnittenen Räume in Deutschland und wertvolle Wasserschutzgebiete durchschneiden, kritisiert der BUND. Dabei ist der verkehrliche und wirtschaftliche Nutzen nur halb so hoch wie jener der Bundesstraße.



4| B190n - B4 - Seehausen

Die B190n ist Teil des „Hosenträgers“, eines Infrastrukturprojekts der frühen 1990er Jahre. Die Bundesstraße soll das Wendland mit Brandenburg verbinden und dient als Mittelsteg zwischen dem linken „Hosenträger“, der geplanten A39 von Lüneburg bis Wolfsburg (siehe Punkt 3) sowie der im Bau befindlichen A14 zwischen Schwerin und Magdeburg - dem rechten „Hosenträger“. Laut BUND rechtfertige die aktuelle Verkehrsbelastung in dieser Region keinesfalls das geplante Vorhaben, stattdessen reicht die bestehende Straße für die prognostizierten 5.000 Kraftfahrzeuge pro Tag auch im Jahr 2030 noch völlig aus, wenngleich punktuelle Optimierungsmaßnahmen nötig werden. Obwohl der Nutzen gering und die Umweltschäden hoch sind, halten Industrie- und Handelskammern am Neubau fest.



5| A100 - AD Neukölln - Frankfurter Allee

Gerade einmal drei Kilometer lang ist der Bauabschnitt 17 der Berliner Stadtautobahn, dennoch will der Bund satte 473 Millionen Euro für die Errichtung der Verbindung zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der Frankfurter Allee zur Verfügung stellen. Damit würde nicht nur eine weitere breite Betonschneise mitten durch die Berliner Innenstadt geschlagen, sie würde auch den Verkehr und die damit verbundene Lärm- und Luftbelastung massiv erhöhen. Selbst der Berliner Senat lehnt den Weiterbau der A100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße inzwischen ab und würde nur zu gerne die Steuergelder für den öffentlichen Nahverkehr und moderne Mobilitätskonzepte verwenden. Ungeachtet dessen plant der Bund weiterhin die Verlängerung der A100.



6| A3 - AK Leverkusen - AK Hilden

Die permanente Staugefahr auf der A3 zwischen Leverkusen und Oberhausen soll durch eine 860 Millionen teure Erweiterung von sechs auf acht Spuren beseitigt werden. Dabei liegt die Stauursache zumeist gar nicht auf der A3, sondern auf den die A3 kreuzenden Autobahnen A46 und A1. Schlimmer noch: Ein Ausbau der A3 würde das Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Staugefahr sogar noch erhöhen. Der BUND sieht in einer Temporeduktion sowie der temporären Nutzung des Seitenstreifens geeignetere Maßnahmen zur Lösung des Stauproblems.



7| A553 - AK Köln-Godorf - AD Köln Lind

Die Errichtung der neuen Rheinspange auf rund zehn Kilometern zwischen der linksrheinischen A555 und der rechtsrheinischen A59 stößt auf großen Widerstand der betroffenen Kölner Stadtteile im Rhein-Sieg-Kreis. Die vierstreifige Autobahnquerspange wurde allein durch den Lobbysturm der regionalen Chemiewirtschaft in den „Vordringlichen Bedarf“ des BVWP 2030 gehoben.



8| A46 - Hemer - Neheim

Der BUND betitelt die A46 als die „teuerste Ortsumfahrungs-Autobahn Deutschlands“. Mehr als 600 Millionen Euro dürfte es kosten, die vor mehr als 50 Jahren geplante Autobahn durch das Sauerland zu errichten. Seinerzeit sollte die geplante Strecke das östliche Ruhrgebiet entlasten, heute würde die Durchführung dieser Pläne den natürlichen Lebensraum zahlreicher seltener Tierarten zerstören.



9| A49 - Neuental - Gemünden

Vielleicht sagt Ihnen dieses Autobahnprojekt auf den ersten Blick nichts. Wenn wir jedoch das Schlagwort Dannenröder Wald aufrufen, dürfte es Klick machen. Allgegenwärtig sind die Kampfszenen rund um die Rodung unzähliger Hektar Waldfläche, die bundesweit durch die Medien gingen. Der Neubau des Teilstücks der A49 in Hessen symbolisiert in einer grausamen Deutlichkeit die Folgen des Straßenbaus für die Natur und das Klima. Obwohl sich eine breite Bewegung für einen bundesweiten Stopp des Autobahnneubaus formiert hat, wurde der Bau auf Bundesebene mit der Regierungsmehrheit von CDU/CSU und SPD beschlossen und er wird auch fertiggestellt - allen sachlichen Argumenten, den Notwendigkeiten für mehr Klimaschutz und dem Schutz der Natur zum Trotz.



10| B26n - Westtangente Würzburg

Nord-westlich von Würzburg soll eine neue, autobahnähnliche Bundesstraße gebaut werden, die die A7 und A3 verbinden soll mit dem Ziel, Würzburg vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Mehrere Gutachten belegen aber, dass dies kaum erreicht werden kann und zudem umliegende Orte wie etwa Karlstadt zusätzlich mit Lärm und einem Mehr an Verkehrsaufkommen rechnen müssen.



11| B10 - Hinterweidenthal - Landau

Die bereits bestehende B10 ist bereits ortsdurchgangsfrei durch das deutsch-französische UNESCO-Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen für den regionalen Verkehr ausgebaut. Dennoch halten die Verantwortlichen an dem geplanten vierspurigen Ausbau der Bundesstraße durch das größte zusammenhängende Waldgebiet Westeuropas fest, welcher der B10 einen autobahnähnlichen Anstrich verpassen würde. Und das, obwohl nur wenige Kilometer nördlich mit der A6 und südlich mit der A4 bereits zwei leistungsstarke West-Ost-Verbindungen bestehen. Immerhin mehren sich kritische Stimmen, die dem Projekt eine sehr schwache Wirtschaftlichkeit attestieren. Außerdem besteht die berechtigte Sorge, der Ausbau der B10 zur Beinahe-Autobahn dürfte den Transit in der Region maßgeblich erhöhen.



12| A98 - Rheinfelden - Tiengen

Für die horrende Summe von mehr als 880 Millionen Euro soll am Hochrhein zwischen Basel und dem Bodensee ein komplett neuer Autobahnabschnitt entstehen. Die geplante Trasse führt durch ein bislang unzerschnittenes und ökologisch höchst wertvolles Gebiet. Hauptaufgabe der A98 soll es sein, die Städte entlang der B34 zu entlasten. Allerdings stammen 80 Prozent des Verkehrs auf der besagten Bundesstraße aus diesen Städten selbst. Und dem Argument, die Autobahn stärke als leistungsfähige Ost-West-Verbindung den Grenzverkehr zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz kann entgegengehalten werden, dass aufgrund eines vom Schweizer Kanton Schaffhausen unmissverständlich abgelehnten Anschlusses an die bestehende A98 das Neubauprojekt zur beinahe eine Milliarde teuren Sackgasse verkommen würde.



13| B15n - Landshut - Rosenheim

Der Widerstand in der betroffenen Bevölkerung gegen das gigantische Bauvorhaben gibt es seit nunmehr fast 50 Jahren. Die geplante Trasse durch die hügelige und bislang unbelastete Region östlich von München würde rund 1.000 Hektar fruchtbares Ackerland und Waldbestände zerstören. Neben den geschätzten Kosten von mehr als einer Milliarde Euro würden künftig rund 40.000 Kraftfahrzeuge mit einem Schwerlastanteil von etwa 20 Prozent die zahlreichen Umlandgemeinden massiv belasten.

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