"Unsere Händler schaffen Vertrauen" – Interview mit Martin Resch, dem Deutschland-Chef von Leapmotor
- Armin Grasmuck
- 28. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni
Martin Resch, Deutschland-Chef von Leapmotor, erklärt im exklusiven Interview, wie bedeutend die bewährten Strukturen des Stellantis-Konzerns für den Marktstart des chinesischen Neustarters sind

Fotos: Leapmotor
Sie sind mit Ihren Fahrzeugen seit vergangenem Herbst in Deutschland auf dem Markt. Wie fällt die erste Bilanz aus?
Martin Resch: (lacht) Bei Leapmotor würden wir sagen: zwei Over-the-air-updates später. Die ersten sechs Monate waren sehr arbeitsintensiv. Es ist eine wirklich tolle Aufgabe, diese neue Marke im deutschen Markt zu implementieren. Es gibt viele Höhen, auch einige Tiefen, was in so einem Prozess ganz normal ist. In Summe entwickeln wir uns gut, darauf können wir aufbauen.

Spüren Sie bereits die Aufmerksamkeit der potenziellen Käufer?
Zuallererst spüren es unsere Verkäufer. Wir bauen vergleichsweise geräuschlos ein Händlernetz auf, mit vielen lokalen Aktionen und zahlreichen Messebesuchen, zuletzt in Augsburg und Chemnitz. Auf diesem Weg möchten wir unsere Bekanntheit erhöhen. Die Händler sind unser Sprachrohr zum Kunden, für sie ist es umso bedeutender, die Aufmerksamkeit der Kunden zu bekommen. In der Konsequenz spüren wir, dass das Interesse an unseren Autos steigt, wir registrieren mehr Leads und größere Resonanz auf allen Kanälen.
Wie anspruchsvoll ist es, in der Autorepublik Deutschland die Modelle eines neuen Herstellers zu etablieren?
Im deutschen Markt mit seinen starken und traditionsreichen Herstellern eine neue Marke zu positionieren, ist selbstverständlich eine extrem herausfordernde Aufgabe. Auf der anderen Seite haben wir als Teil von Stellantis strategisch einen riesigen Vorteil – speziell in Deutschland, als Teil von Opel. Hier in die Strukturen eines renommierten Herstellers voll eingebunden zu sein, verleiht uns besondere Kraft. Diese enge Kooperation ermöglicht es uns, den Start schneller und gründlicher zu gestalten als andere Unternehmen, die in den deutschen Markt eintreten. Wir haben Respekt vor dieser Aufgabe, spüren jedoch diese einzigartige Power, die uns vorantreibt.
Wie reagieren die Händler, die sonst Opel, Fiat oder Citroën verkaufen, auf die neuen Fahrzeuge aus chinesischer Produktion?
Ein Basisinteresse ist generell vorhanden. Sie beobachten natürlich genau, wie sich die Branche entwickelt. Es werden mitunter auch andere Marktteilnehmer bei ihnen vorstellig. Oft haben wir das Feedback bekommen: Wenn wir uns mit einem neuen Hersteller diversifizieren, dann machen wir es mit den chinesischen Modellen von Stellantis. Auch weil wir von Leapmotor den Aufbau und die Struktur in Deutschland angelehnt an den Konzern steuern. Das macht es natürlich für den Handelspartner deutlich einfacher, eine neue Marke zu integrieren. Also: am Anfang war es Neugier. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass die vergleichsweise kleine Zahl an Händlern, mit der wir gestartet sind, sehr zufrieden ist. Jetzt entwickelt sich eine eigene Dynamik. Unser Händler schaffen Vertrauen. Sie haben bemerkt, dass unsere beiden Modelle gut in ihr Portfolio passen.

Neben den zwei rein elektrischen Modellen C10 und T03 haben Sie den C10 nun auch als Range Extender vorgestellt. Zielen Sie damit speziell auf Fuhrparks und Flotten?
Unser Geschäft ist primär privatkundenorientiert, doch die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Der Range Extender ist ein Angebot für all diejenigen, die vielleicht noch nicht bereit sind, auf ein rein elektrisches Fahrzeug umzusteigen. Wer den C10 Reev einmal gefahren ist, hat das Gefühl, er sitzt in einem Elektroauto. Das ist der große Unterschied zu dem konventionellen Plug-in-Hybrid, der oft nur im Verbrennungsmodus betrieben wird. Es ist ein starkes Angebot, und ich bin davon überzeugt, dass jeder, der den Range Extender fährt, sich – nach zwei, drei oder vier Jahren – als nächstes Auto ein reines Elektromodell kaufen wird.
Sind Sie als Marktexperte überrascht, dass Brückentechnologien wie der Range Extender wieder im Trend sind?
Wenn wir uns die Zulassungszahlen der rein elektrischen Fahrzeuge ansehen, merken wir schnell: Das Thema Reichweitenangst scheint noch latent vorhanden zu sein. In China war dieser Trend schon länger zu beobachten, weil die Ladeinfrastruktur auch dort mitunter schwierig ist. Leapmotor beschäftigt bereits seit 2020 mit der Entwicklung des Range Extenders, also noch bevor unser Joint Venture gegründet wurde.
Bietet die große Transformation hin zur Mobilität von morgen in speziell für Neustarter wie Leapmotor außergewöhnliche Chancen?
Indifferent, mit neuen Regierungen, eventuell mit neuen Förderungen ... Der Range Extender ist für uns ein extrem wichtiges Produkt, weil wir Kunden erreichen können, die mit dem Umstieg noch zögern. Diese Autos sind gerade auf dem Frachtschiff in Antwerpen eingetroffen, also ab sofort im Handel. Da sind wir ganz vorne dabei. Jetzt geht es darum, aufzuklären, die Unterschiede plausibel herauszuarbeiten. Wir haben den First-mover-advantage, wie es im Fachjargon so schön heißt. Diesen gilt es jetzt zu nutzen, also Kunden nachhaltig für diese Technologie zu begeistern.
Planen Sie auch andere Modelle mit Range Extender auf den Markt zu bringen?
(schmunzelt) Wir haben die Technologie, also würde ich nicht ausschließen, dass wir sie auch anderen Modellen einsetzen.

Breiter gefasst: Werden kurz- oder mittelfristig auch Modelle anderer Stellantis-Marken mit dem Range Extender von Leapmotor ausgestattet?
Wenn wir beide Konzerne zusammenfassen, Stellantis und Leapmotor, decken wir heute das gesamte Spektrum moderner Antriebstechnologie ab. Den Range Extender bringt Leapmotor mit ein, und natürlich ist der Sinn und Zweck eines Joint Ventures, sich fortwährend auszutauschen. Es ist also keineswegs auszuschließen, dass auch Stellantis seine Modellpalette dahingehend erweitert und dabei die Erfahrungen und die Kompetenzen von Leapmotor nutzt.
Sie persönlich können auf langjährige Erfahrung als Manager im Hause Opel zurückblicken. Wie gestaltet sich mit die Zusammenarbeit mit den Kollegen im Konzern aus dem Reich der Mitte?
Das Geschäft in Deutschland ist unverändert. Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang die Geschwindigkeit der Kollegen von Leapmotor. China-Speed – dieser Begriff klingt inzwischen schon ein bisschen abgedroschen. Doch wir erleben es tagtäglich, wie schnell Anregungen umgesetzt und Probleme gelöst werden. Es ist einfach imposant, mit welcher Geschwindigkeit dort agiert wird. Ein Beispiel: Wenn wir Hinweise, die wir unter der Woche von unseren Händlern erhalten, am Freitag nach China übermitteln, bekommen wir zumeist am Tag darauf, also am Samstag, eine Antwort darauf – und im nächsten Update ist das Thema oft bereits behoben. Es ist toll, mit solchen Konzernen, also mit beiden Elternteilen, zusammenzuarbeiten.
Wann und in welchem Segment werden Sie Ihr nächstes Modell in Deutschland auf den Markt zu bringen?
Diesen Herbst kommt der B10, ein SUV im C-Segment. Es ist wichtig für uns, das Modellangebot zu erweitern. Z usammen mit Opel sind wir zudem auf der IAA Mobility in München am Start, damit ist uns natürlich speziell in Deutschland besondere Aufmerksamkeit garantiert. So wird es Schlag auf Schlag weitergehen.

Partner mit Vision
Leapmotor ist ein 2015 gegründetes Start-up, das zu den führenden Herstellern von Elektrofahrzeugen in China zählt und seit 2019 mehr als eine halbe Million Stromer verkauft hat. Seit Oktober 2023 ist der europäische Stellantis-Konzern, der 1,5 Milliarden Euro in das Unternehmen investierte, mit 21 Prozent an Leapmotor beteiligt. Zudem wurde das Joint Venture Leapmotor International B.V. mit Sitz in Amsterdam gegründet, das exklusive Rechte für Export, Verkauf und Herstellung von Fahrzeugen außerhalb Chinas, Taiwans und Macaus besitzt. Der Vertrieb in neun europäischen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande, startete im vergangenen September mit den Modellen T03 und C10. Bis 2026 soll es europaweit 500 Vertriebsstellen von Leapmotor geben. Zudem ist die Expansion in weitere Regionen wie Indien und Asien-Pazifik, den Nahen Osten, Afrika und Südamerika geplant. Die Angebotspalette soll jährlich um mindestens ein neues Modell erweitert werden. Das Joint Venture baut auf Synergien und Visionen: Leapmotor bringt Spitzentechnologie und Elektrofahrzeuge ein, Stellantis steuert seine global agierende Vertriebs- und Servicelogistik sowie die Expertise im Bereich Marketing bei.
