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  • AutorenbildChristoph Lumetzberger

Unterwegs mit Wasserstoff - zukunftsfähig oder Luftnummer?

Wenn jemand die Frage stellt, ob denn nun das akkubetriebene E-Auto oder der Pkw mit Wasserstoffantrieb die Nase vorne hat, liegt er rein technisch gesehen falsch. Denn im Grunde genommen ist auch das wasserstoffbetriebene Gefährt nichts anderes als ein Elektroauto, welches allerdings den Strom, den es zur Fortbewegung benötigt, selbst erzeugt, anstatt ihn aus einer Batterie zu ziehen.


Möglich macht dies eine sogenannte Brennstoffzelle, die unter der getrennten Zufuhr von Wasserstoff und Sauerstoff eine chemische Reaktion hervorruft und dadurch Strom produziert. Eine kleine Batterie befindet sich dennoch im Wagen, diese fungiert als Puffer, welcher Lastspitzen – etwa beim Beschleunigen – abfangen kann. Außerdem speichert sie die beim Bremsvorgang erzeugte Energie (Rekuperation).


Der benötigte Wasserstoff wird, ähnlich wie an einer herkömmlichen Tankstelle, binnen weniger Minuten in den Tank des Fahrzeugs gefüllt. Die Speicherung selbst unterscheidet sich dann allerdings erheblich von Verbrennern, wie wir sie bisher kannten. Wasserstoff wird entweder gasförmig (unter hohem Druck mit 350 oder 700 bar) oder flüssig (bei minus 253 Grad Celsius) gespeichert. Damit wird eine sehr hohe Energiedichte erreicht, wofür stark isolierte Doppelwand-Tanks erforderlich sind.


CO2-neutral – oder nicht?


Eine Kontroverse besteht darin, ob denn Wasserstoff-Fahrzeuge nun emissionsfrei unterwegs sind. Fakt ist: Bei der Stromerzeugung entstehen lediglich Wärme und Wasserdampf, nebenher noch geringe Mengen Stickstoffoxide aufgrund des Umgebungssauerstoffes. Somit gilt das Fahrzeug vor dem Gesetz als Zero Emission Vehicle (ZEV). Die Kritiker stoßen sich jedoch gar nicht an der Stromproduktion, sondern daran, wie der dazu benötigte Wasserstoff selbst erzeugt wird. Die gängigste Methode ist die Herstellung aus Erdgas und damit aus einem fossilen Energieträger. Wird Wasserstoff hingegen durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen, ist eine große Menge an Strom notwendig – und ist dieser nicht CO2-neutral, schlägt sich das ebenfalls negativ auf die Energiebilanz nieder.


Somit gilt: Brennstoffzellen-Fahrzeuge haben sicherlich Potenzial, mittel- und langfristig fossile Brennstoffe zu ersetzen. Allerdings muss die Energie aus grünen Energiequellen wie etwa Photovoltaik, Solarthermie, Wind- und Wasserkraft oder Biomasse stammen.


Überschaubares Angebot



Die großen Automobilhersteller halten sich mit Wasserstoff-Fahrzeugen noch dezent im Hintergrund. Aktuell sind mit dem Hyundai Nexo und dem Toyota Mirai lediglich zwei Wasserstoff-Fahrzeuge auf dem Markt erhältlich. Außerdem ist das Netz an Tankstellen für Wasserstoff sehr überschaubar. In Deutschland sind es gerade einmal 101 Tankmöglichkeiten, was in Europa sogar für den Spitzenplatz reicht. In Österreich finden sich nur fünf, in der Schweiz neun entsprechende Tankstellen. Immerhin ist in Deutschland der Bau von 17 weiteren aktuell geplant – der Bau soll auch durch Fördergelder aus der Nationalen Wasserstoffstrategie der ehemaligen Bundesregierung ermöglicht werden.

Im Vergleich mit dem Ladenetz, welches Besitzern von E-Autos aktuell zur Verfügung steht, ist das allerdings sehr dürftig. Aktuell zählt der ADAC mehr als 57.000 Normalladepunkte und 11.000 Schnelllader in ganz Deutschland. Nur noch wenige Gegenden, vornehmlich in Mecklenburg-Vorpommern, sind noch nicht flächendeckend erschlossen. Fairerweise muss man aber sagen, dass das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei Wasserstoff-Tankstellen gar nicht so schlecht ist – eben auch mangels einer großen Akzeptanz in der Bevölkerung.


Daher muss ganz klar festgehalten werden, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis Wasserstoff-Autos einen signifikanten Anteil auf dem deutschen Automarkt ausmachen werden. Sofern dieser Fall überhaupt je eintritt. Es gibt aber auch Bereiche im Verkehrswesen, wo besagter Technologie weitaus größere Erfolgschancen zugerechnet werden – und zwar im Gütertransport und Schwerlastverkehr.


Neue Märkte und Wege


Auf der IAA Transportation 2022, die Ende September 2022 in Hannover stattfand, wurde der erste Wasserstoff-Brennstoffzellen-Reisebus in Europa präsentiert. Das Unternehmen Sinosynergy zeigte sich dafür verantwortlich und konzipierte den Bus nach EU-Normen für den europäischen Markt. Bis zu 53 Personen finden darin Platz, die Reichweite wird mit mehr als 500 Kilometern angegeben und die Betankungszeit dürfte nur fünf Minuten dauern.

Emissionsfrei: Auf der IAA Transportation 2022 wurde dieser Brennstoffzellen-Reisebus vorgestellt - der erste seiner Art in Europa.

Daher haben wir uns ganz allgemein die Frage gestellt, in welche Segmente die Wasserstoff-Technologie noch vordringen kann, gerade in Bereichen, wo lange ­Nutzungsdauer und große Tagesdistanzen gefragt sind.


Die Bundesregierung attestiert vor allem der Wasserstoff-Technologie großes Potenzial bei der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft. Dies liegt vor allem an Vorgaben, die die EU in puncto Schwerlastverkehr festgesetzt hat. Bis 2025 muss ein Hersteller die Prüfstand-Referenzwerte seiner Flotte, erhoben zwischen Mitte 2019 und Mitte 2020, um 15 Prozent verringern. Bis zum Jahre 2030 sogar um 30 Prozent. Damit fällt der Diesel als alleiniger Antreiber weg, da selbst bei intensiven Verbesserungen und Optimierungen hier nur wenige Prozent – man spricht von zwei bis drei – der CO2-Belastung wegfallen würden. Und E-Fuels sind auch keine Option, da die zwar die Gesamtbilanz verbessern (worum es ja eigentlich ginge), allerdings nicht die Emissionen, die am einzelnen Fahrzeug entstehen.


Was bleibt, ist der batterieelektrische Antrieb sowie die Wasserstoff-Brennstoffzelle. Ersterer spielt bereits heutzutage auf kürzeren Strecken, bei Liefer- und Zustelldiensten sowie im Hafenbetrieb, eine Rolle. Je schwerer die Last und je länger die Distanzen jedoch sind, umso eher dürfte die Brennstoffzelle das Mittel zum Zweck werden. Gerade auch, weil ein Akku auf der Langstrecke dem Frächter einiges an Nutzlast wegnehmen würde.


Wo es sich noch spießt


In der Luft und auch im Schiffsverkehr wird Wasserstoff zumindest mittelfristig ein Nischenprodukt bleiben, wenngleich es erste Konzepte gibt – auch von namhaften Herstellern. Airbus stellte den ZEROe vor, eine Passagiermaschine mit äußerst dünnen Flügeln und einer verkürzten Passagierkabine, da sich im Rumpf die Tanks für den Wasserstoff befinden. Was in der Theorie funktioniert, lässt sich in der Praxis jedoch aktuell nicht kostendeckend betreiben. Die Energiekosten dürften aktuell ein Vielfaches der heutigen Kerosinpreise übersteigen, außerdem produziert die Wasserstoff-Verbrennung eine erhebliche Menge Stickoxide.

Durch die Lüfte: Auf dieser Konzeptzeichnung sehen Sie die verkürzte Passagierkabine und die dahinter angebrachten Wasserstofftanks. (Quelle: airbus.com)

Ähnliche Schwierigkeiten bestehen auf hoher See, wo – etwas überspitzt formuliert – jeder Quadratmeter eines Frachters mit Containern zugestellt wird und für die Menge an benötigtem Wasserstoff schlicht nicht genügend Platz vorhanden ist. Außerdem wird gegenwärtig auf Langstrecken-Containerschiffen zumeist Schweröl verbrannt, was als Abfallprodukt aus Erdölraffinerien stammt und äußerst preiswert ist.


Wo die Zukunft bereits Gegenwart ist


Es gibt aber auch Lichtblicke – den Schienenverkehr. Die Deutsche Bahn hat kürzlich die erste Probefahrt mit einem von Siemens entwickelten Wasserstoff-Zug am Niederrhein unternommen. Der „Mireo plus H“ erzeugt keinerlei Abgase und ist in der getesteten Ausführung in der Lage, bis zu 800 Kilometer am Stück zurückzulegen. Das Betanken dauere nicht länger als bei einem herkömmlichen Dieselzug, zeigte man sich bei der Bahn begeistert. Damit ist die Technologie konkurrenzfähig zum bisher verwendeten Dieselkraftstoff. Außerdem wird der benötigte Wasserstoff ab Herbst 2023 unter Verwendung von Ökostrom im DB-Werk in Tübingen hergestellt, was in gewisser Weise einen Kreislauf schließt.


Wie Sie sehen, lohnt es sich – wie in vielen Bereichen des Lebens auch – über den Tellerrand zu blicken und festzustellen: Es gibt nicht immer ein „entweder oder“ sondern ab und an auch ein „und“. So ist es auch mit batterieelektrischen Fahrzeugen und solchen mit Brennstoffzellen-Antrieb.




1 Comment


HansPeter Pletscher
HansPeter Pletscher
Jan 10, 2023

Solange man grünen Strom mit Papieren kaufen kann und er direkt vom Kohle Kraftwerk kommt, wird das nichts! Das Schiffe mit billigem Schweröl fahren können, ist die Schuld der Politik. Ohne Anreiz für eine andere Lösung wird sich nichts tun! Siehe Seereiseschiffe, die zwar könnten und auch noch das Geld hätten für Umweltgerechte Betankung, doch es ist billiger mit dem normalen Kraftstoff zu fahren! Dem sagt man Gewinn Optimierung! Der Zertifikaten Handel nützt der Umwelt nichts, der verschleiert nur die Fakten! Die Menschheit sollte schlauer und ehrgeiziger sein! Ich fliege auch in die Ferien, doch habe ich noch nie gesagt das ich grün in die Ferien fliege! Ich bin mir bewusst, dass es nicht die Beste Lösung ist!

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