Als Carl Benz im Januar 1886 sein „Fahrzeug mit Gasmotor“ zum Patent anmeldete, löste er damit eine Revolution im Transportwesen aus. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Verbesserungen an Benz‘ Idee vorgenommen, die schließlich dazu führten, dass sowohl private PKWs als auch öffentliche Verkehrsprojekte wie Busse und U-Bahnen zum zentralen Bestandteil der städtischen Mobilität wurden. Aber so beliebt sie auch sind, die traditionellen öffentlichen Verkehrsmittel haben auch ihre Nachteile. Sie sind nicht nur teuer in der Installation und Instandhaltung, sie produzieren auch Verkehrsstaus und verschmutzen unsere Umwelt. Ein von Dr. Jean-Paul Rodrigue verfasster Artikel bietet eine detaillierte Analyse der Probleme im urbanen Verkehr.
Quelle: boundmotor.com
Großstadtdschungel
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Autos wohin man blickt. Die Grenzen des individuellen Autoverkehrs in der Stadt sind erreicht.
Problemzonen Parkplatz und Verkehrsstau
Und jeder, der in der Stadt lebt, kennt sie zur Genüge: die scheinbar endlosen Verkehrsstaus und die allgegenwärtigen Parkprobleme. Rodrigue gelangt in seiner Studie zu der Erkenntnis, dass Verkehrsstaus zwar prinzipiell in jeder Stadt vorkommen können, dass sie aber fast schon zur Selbstverständlichkeit werden, wenn die Einwohnerzahl die 1-Millionen-Grenze übersteigt. Woraus resultieren diese Probleme? Laut Rodrigue hält das Wachstum der Infrastruktur nicht der steigenden Anzahl an Fahrzeugen auf den Straßen stand. Genaugenommen sind beide Probleme, also Verkehrsstau und Parkplatzmangel miteinander verwoben. Denn der Mangel an Parkplätzen in der Stadt führt automatisch zu mehr Verkehrsstaus, da die PKW-Lenker noch länger auf der Suche nach einem Parkplatz sind und auf der intensiven Suche danach auch sehr oft viel zu langsam fahren, um einen flüssigen Verkehr zu garantieren. Zudem steigt die Nachfrage nach Parkplätzen kontinuierlich, weil die Fahrzeuge einen immer größeren werdenden Teil der Zeit geparkt verbringen.
Problemzone Stau
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Wenn die Einwohneranzahl einer Stadt die Millionen-Grenze übersteigt, sind Verkehrsstaus eine Selbstverständlichkeit.
Problemzonen Umweltbelastung und Verkehrslärm
Der ständig zunehmende Verkehrslärm ist ein weiteres Problem des städtischen Individualverkehrs. Zusammen mit der ebenfalls steigenden Umweltverschmutzung beeinträchtigt er immer mehr die Gesundheit der Stadtbewohner. Nicht nur direkt – also sich auf Gehör und Lunge auswirkend, sondern auch über Kollateralschäden. Die Umweltbelastung in den Städten wird letzten Endes immer mehr Menschen davon abhalten, ins Freie zu gehen, sei es, um einen Sparziergang zu machen oder sich im Park zu erholen. Dies wiederum bedeutet, dass wir immer häufiger zuhause bleiben und die sitzende Lebensweise in unseren vier Wänden zu weiteren Gesundheitsprobleme führt: zu Fettleibigkeit und Bluthochdruck.
Die Corona-Pandemie hat diese Gesundheitsrisiken ohnehin schon deutlich verstärkt. Wir verbringen immer mehr Zeit vor den Flimmerkisten - gebannt auf die aktuelle Infektionszahlen und Leichentransporte starrend. Selbst Sport im Freien war in den Wintermonaten nicht möglich. Außerdem scheuen sich inzwischen viele Menschen öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Sie bleiben entweder zuhause und erledigen Ihren Job im Homeoffice und ihre Einkäufe im Internet oder Sie weichen auf das eigene Auto aus, was die oben erwähnten Probleme noch mehr verstärkt.
Chance für die Mikromobilität
Oder aber Sie steigen auf elektrisch betriebene Ein-Personen-Fahrzeuge um. Genau jetzt gäbe es die einmalige Chance, diese Art des Stadtverkehrs massiv zu fördern. Was bei Elektroautos schon seit einige Zeit passiert, sollte die Politik auch bei Scooter und Co umsetzen: Den Anreiz für den Umstieg so verstärken, dass die Städter gar nicht nein sagen können.
Unternehmensberater McKinsey & Company hat zum Beispiel in einer Studie belegt, dass die Mikromobilitätsbranche unter COVID-19 zwar gelitten hat, dass aber andererseits die Pandemie dazu geführt hat, dass wir längere Fahrten in elektrischen Ein-Personen-Fahrzeugen wie Scootern unternommen haben. In den USA sind laut Studie die durchschnittlichen Fahrstrecken bei einem renommierten Scooter-Verleiher seit Beginn der Pandemie um 26 Prozent gestiegen, in einigen Städten sogar um bis zu 60 Prozent.
Historisches
Kaum jemand hält es für möglich, aber Elektroroller gab es schon vor über hundert Jahren.
Autoped
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Bereits 1915 wurde mit dem Autoped ein motorbetriebener Roller hergestellt.
Der Urahn des E-Scooters war ein Roller namens Autoped, ein von der Autoped Company of Long Island City in New York hergestelltes Ein-Mann-Vehikel. Es war gedacht für die breite Masse und für die ganze Familie – für Kinder, die damit in die Schule fahren sollten, für Frauen, die damit endlich auch mobil werden konnten und sogar für Firmen als Lieferfahrzeug. Damals kostete ein Autoped 100 Dollar, das mag uns wenig vorkommen, aber heute wären das indexbereinigt rund 2.000 Euro. Nicht gerade billig, und vielleicht setzte sich der Roller deswegen in den USA nicht durch. Dennoch wurde er in Lizenz auch vom Stahlriesen Krupp gebaut und als „Krupp-Roller“ bekannt. Durchgesetzt hat sich schließlich ein anderes Fahrzeug, das Auto.
Den ersten für die Masse produzierten Elektroroller hatte schließlich Peugeot im Angebot. Der seit 1996 produzierte Scoot‘Elec bringt 3,8 PS auf die Straße, wiegt über 100 Kilogramm und bringt seinen Lenker bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h rund von 40 km weit. Damals wurden noch wenig umweltfreundliche Nickel-Cadmium-Batterien verbaut, in den heutigen E-Scootern habe diese aber längst den bekannte Lithium-Ionen-Akkus Platz gemacht.
Die Zukunft gehört dem Elektroroller(-Sharing)
Für manch einen mag die Vorstellung, dass in naher Zukunft mehr E-Scooter als Autos in den urbanen Gebieten unterwegs sein werden, utopisch sein. Doch der globale E-Scooter-Markt wird exponentiell anwachsen, einfach, weil wir uns es aus mehreren Gründen nicht leisten können, dass jeder Städter mit seinem Auto durch die Stadt fährt. E-Scooter sind handlich, erschwinglich und vor allem sind sie umweltfreundlich. Und wer schon mal in der Stadt mit so einem Scooter unterwegs war, wird bestätigen können, dass man die meisten Strecken in annähernd der gleichen Zeit zurücklegt wie ein PKW. Und egal, ob jeder seinen persönlichen Scooter verwendet oder einen angemieteten, die handlichen E-Roller werden den städtischen Verkehr der Zukunft prägen.
E-Scooter
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Den E-Scootern gehört die Zukunft, zumindest im städtischen Bereich.
Der Segway Personal Transporter
Erfunden hat den Segway Personal Transporters (meist kurz Segway) der US-amerikanischer Unternehmer Dean L. Kamen im Jahr 2001. Die Erfindung wurde damals und wird auch noch heute oftmals als der Beginn der Mikromobilität gefeiert.
Segway -
Der Segway Personal Transporter läutete 2001 die Ära der Mikromobilität ein. Durchgesetzt hat er sich aufgrund des hohen Preises aber nicht.
Viele berühmte Persönlichkeiten, darunter auch Steve Jobs prophezeiten dem Fahrzeug die Zukunft des urbanen Verkehrs und dem Unternehmen dahinter Milliardenumsätze. Der Erfinder behauptete, dass der Segway mit seinen eingebauten Gyroskopen, Computerchips und Neigungssensoren die Fortbewegung in Städten so einfach machen würde, dass Autos überflüssig werden würden. Allein, es kam nicht so weit, bis 2009 verfehlte der Absatz mit rund 50.000 Fahrzeugen diese Erwartungen deutlich. Und auch wenn die Segways der zweiten Generation ab 2007 schon ohne Lenkstange auskamen und mit der Lean-Steer-Lenkung, einem drahtlosen Info-Key und einer elektronischen Wegfahrsperre ausgestattet waren, lief es in den nächsten Jahren nicht viel besser. 2015 wurde Segway Inc. vom chinesischen Konkurrenten Ninebot übernommen. Und nachdem bis Mitte 2020 insgesamt nur 140.000 Stück verkauft wurden, wurde die Produktion des Segways im Juni 2020 eingestellt. Einer der Gründe für den Misserfolg war der sehr hohe Preis von rund 8.000 Euro in Europa. Er resultierte aus mehreren redundanten Systemen im Fahrzeug, die die Sicherheit im Straßenverkehr gewährleisten mussten. Aber auch wenn der Segway nicht die Art von Popularität erlangte, die im Endeffekt dazu geführt hätte, Automobile überflüssig zu machen, machte er die Idee der Mikromobilität populär.
Elektrische Skateboards
Weniger für die Fortbewegung in der Stadt als für den Fahrspaß sind die E-Skateboards gedacht. Als Urahn des elektrischen Skateboards gilt das Motoboard, das in den 1970er Jahren eingeführt wurde. Damals wurden die Boards noch von einem Benzin-Motor angetrieben. Gas gab man über einen in der Hand gehaltenen Gashebel, der automatisch in den Leerlauf zurückkehrte, wenn er losgelassen wurde.
Auch wenn die Boards eine lange Geschichte haben, können sie gerade in den letzten Jahren an Beliebtheit zulegen – auch in diversen Abwandlungen wie zum Beispiel Hoverboards. Dennoch sind sie für die Entlastung des Stadtverkehrs wenig geeignet, weil sie einerseits aufgrund der relativ hohen Geschwindigkeit nicht auf Rad- und Gehwegen und andererseits auf der Straße nicht ohne Zulassung und entsprechendem Führerschein genutzt werden dürfen.
E-Bikes
Der Absatz von E-Bikes ist im Jahr 2020 so stark gestiegen wie nie zuvor. 1,95 Millionen Elektroräder wurden in Deutschland verkauft. Ein Jahr davor waren es noch 1,36 Millionen. Der Trend geht unaufhaltsam in eine Richtung, bestärkt durch die Pandemie. Inzwischen besitzen in Deutschland über 7 Millionen Personen ein E-Bike und in über 80% der Haushalte gibt es ein Fahrrad.
E-Bikes
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In Deutschland besitzen bereits über 7 Millionen Bürger ein E-Bike. Tendenz steigend. Das ist gut so, denn immerhin können laut WHO jährlich rund 2.000 Euro an Gesundheitskosten pro Person eingespart werden, wobei rund 1,25 Stunden Radfahren pro Woche genügt. Weitere Zahlen belegen, dass das Fahren mit dem E-Bike in der Stadt viele Probleme lösen könnte: Die Hälfte der Autofahrten in Deutschland ist kürzer als fünf Kilometer und ein Viertel ist sogar kürzer als 2 Kilometer.
Fazit
Wenn wir es schaffen, alle Städter noch mehr für Mikromobilität zu sensibilisieren, dann schlagen wir mehrere Fliegen mit einer Klappe: Radfahren etwa ist deutlich gesünder. Ein Drittel der Krankheitstage können laut einer Studie von fairkehr, einer Agentur für Nachhaltigkeit, Mobilität und Tourismus durch Pendeln per Rad oder Scooter reduziert werden. Das heißt, wir leben gesünder, der Verkehrslärm wird reduziert und die Umwelt wird weniger belastet. Mehr Fußgängerzonen, mehr Radwege, weniger Parkraum, das sollte unser aller Ziel sein. Ein begleitendes Ziel muss es aber auch sein, das Fahren mit elektrischen Ein-Personen-Fahrzeugen sicherer zu machen. Schließlich bestätigt laut einer ADAC-Studie jeder zehnte E-Biker, bereits einen Unfall mit dem Elektrorad gehabt zu haben und mehr als die Hälfte davon sind selbst verschuldet. Ohne eine Art Führerschein und Schulungen wird es in Zukunft nicht gehen. Aber das muss es uns allemal wert sein.
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