Der Markt für Stromer aus zweiter Hand wächst stetig – ideal für den kostengünstigen Einstieg in die Mobilität von morgen.
Wer in der Vergangenheit ein Elektroauto fahren wollte, hatte lange Zeit keine andere Wahl, als sich einen Neuwagen zuzulegen. Vor allem die überschaubare Zahl an gebrauchten Elektroautos und die staatlichen Förderungen beim Neukauf sorgten dafür, dass der Gebrauchtwagenmarkt für Stromer keine Fahrt aufnehmen konnte.
Dieser Umstand hat sich mittlerweile geändert, der Markt für gebrauchte E-Autos wächst kontinuierlich. Allein in den vergangenen beiden Jahren hat sich das Angebot in Deutschland nahezu verfünffacht. So ist etwa bei dem Gebrauchtwagenportal Autoscout24 der Anteil an Stromern aus zweiter Hand in der Bundesrepublik von 1,2 Prozent im Jahr 2022 auf sechs Prozent im zweiten Quartal 2024 in die Höhe geschnellt.
Nachfrage steigt nachhaltig
Auffällig ist, dass auf Internetplattformen wie mobile.de, Autoscout24 und Co. die Zahl der inserierten elektrischen Gebrauchtwagen ab dem Baujahr 2019 sprunghaft angestiegen ist. Die Gründe: Zum einen sind seit dieser Zeit sehr viele wichtige und vor allem alltagstaugliche Elektroautos mit brauchbaren Reichweiten auf den Markt gekommen. Dazu zählen Modelle wie der VW ID.3, der Opel Corsa Electric, der Fiat 500 oder das Tesla Model 3. Die genannten Stromer haben sich gut verkauft und kommen folglich nach und nach in relevanten Stückzahlen auf dem Gebrauchtwagenmarkt an.
Der Aufschwung von Elektroautos aus zweiter und dritter Hand wird auch anhand der aktuellen Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes deutlich. So machten von Januar bis Juli 2024 die Besitzumschreibungen von reinen Stromern einen Anteil von rund 2,29 Prozent aus. Insgesamt 88.218 gebrauchte Stromer wechselten in diesem Zeitraum den Besitzer. Zum Vergleich: Im den zwölf Monaten des Jahres 2023 verzeichnete das KBA bei Elektroautos 97.430 Besitzumschreibungen.
Allerdings sind auch die Preise in den vergangenen Monaten wieder etwas gestiegen. Gemäß einer Analyse von Autoscout24 kostete ein gebrauchtes E-Auto auf dem Portal im Juni durchschnittlich 30.777 Euro. Dies ist um rund 4.000 Euro mehr als für ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor.
Plus im Unterhalt
Was definitiv für ein Elektroauto – egal ob gebraucht oder neu – spricht: Die Unterhaltskosten sind zumeist wesentlich geringer als bei einem Verbrenner, da ein Elektroauto viel weniger Verschleißteile verbaut hat. So muss man sich zum Beispiel keine Gedanken darüber machen, ob demnächst eventuell die Kupplung zu reparieren oder der Auspuff zu ersetzen wäre. Und auch die Elektromotoren sind im Vergleich zu den Verbrennermodellen einfacher konstruiert und weniger anfällig für Abnutzungen.
Akkukapazität als wesentlicher Faktor
Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Akkus. Es ist unvermeidbar, dass der Energiespeicher im Laufe der Zeit durch regelmäßige Nutzung altert und in weiterer Folge die Kapazität abnimmt. Anhaltspunkte wie beispielsweise das Alter der Batterie oder die Lademengen per Wechsel- und Gleichstrom sowie die Rekuperation geben Auskunft über die Leistungsfähigkeit. Die Anzahl der Be- und Entladezyklen bestimmen die Degradation des Akkus, also den Verlust von Ladekapazität. Deshalb sollte bei gebrauchten E-Autos der Zustand der Batterie durch den Verkäufer möglichst genau nachgewiesen werden. Bei regelmäßigen Wartungen und Prüfungen in einer auf den jeweiligen Hersteller spezialisierten Werkstatt werden die Antriebsbatterien auf ihren Gesundheitszustand überprüft und Prüfprotokolle erstellt.
Akkutest für 150 Euro
Ein Batterie-Check ist an sich technisch kein großer Aufwand. Hierbei wird ein Auslesegerät an die OBD-Schnittstelle des Elektroautos angeschlossen und anschließend der vollgeladene Akku leer gefahren. Im Anschluss daran werden die ermittelten Daten analysiert. Der TÜV, die Dekra und der ADAC bieten derartige Akkuprüfungen gegen Gebühr an. Die Kosten belaufen sich dabei auf rund 150 Euro.
Das österreichische Unternehmen Aviloo hat einen eigenen Batterietest entwickelt, mit dem sich der Zustand des Autoakkus innerhalb weniger Minuten überprüfen lässt. Im Vergleich zu anderen Testmethoden ist bei dieser Variante keine Fahrt mit dem Elektroauto erforderlich. Für die Analyse hat Aviloo ein eigenes Bewertungssystem entwickelt, dass auf einer Kombination an aktuellen Messwerten und verschiedenen Parametern basiert. Je höher die Gesamtpunktzahl des Tests ausfällt, desto besser ist der Batteriezustand.
Batteriepass ab 2027?
Ein solcher Check der Antriebsbatterie ist derzeit allerdings bei Verkäufen von Elektroautos aus zweiter Hand noch nicht verpflichtend. Dementsprechend findet man diesbezüglich auf den gängigen Gebrauchtwagenplattformen nur sehr selten Informationen zur Batterie.
Die EU-Kommission arbeitet allerdings an einer entsprechenden Regelung, um dies zu ändern. So soll ab 2027 jedes gebrauchte Elektroauto einen Akkupass erhalten, den die potenziellen Käufer online einsehen können. Das digitale Dokument nach EU-Spezifikationen soll den aktuellen Zustand des Akkus dynamisch bescheinigen. In Deutschland liebäugelt man sogar mit der Einführung eines solchen Zertifikats bereits ab dem Jahr 2026.
Doch wie wirkt sich ein Batteriezertifikat auf den Verkaufswert eines Stromers aus? Ein Beispiel der Fahrzeugplattform mobile.de vom Mai 2024 zeigt, dass ein VW ID.3 ohne Zertifikat schon ab rund 17.500 Euro erhältlich ist. Für jene Modelle mit Zertifikat starteten die Preise bei etwa 20.000 Euro. Dies entspricht einem Unterschied von etwa 12,5 Prozent.
Die positive Nachricht: Viele Akkus halten mittlerweile jedoch länger als vorhergesagt und schaffen auch nach ein paar Jahren noch Reichweiten, die im Bereich jener von Neuwagen liegen. Laut Experteneinschätzungen stehen bei vielen Akkus selbst nach 200.000 Kilometern noch 80 bis 90 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität zur Verfügung. Die Gesamthaltbarkeit dürfte heute schon bei 15 bis 20 Jahren liegen.
Einen Sonderfall stellen jene Fahrzeuge dar, für die eine monatliche Batteriemiete fällig ist. Der Vertrag über diese Miete lässt sich nicht vom Verkäufer auf den Gebrauchtwagenkäufer übertragen. Letzterer muss in einem solchen Fall einen neuen Mietvertrag mit dem Fahrzeughersteller abschließen oder er kauft von ihm die Batterie.
Alter, Kilometer und Zustand
Der Restwert eines gebrauchten wird aber auch durch mehrere andere Faktoren beeinflusst, wie etwa dass neue Modelle leistungsfähiger sind und oftmals günstiger produziert werden als ältere Stromer. Darüber hinaus sind in der Wertermittlung – genauso wie bei Verbrennern – die Faktoren Alter, Kilometer und Fahrzeugzustand entscheidende Faktoren.
Besonders der Zustand der Bremsen sollte nicht außer Acht gelassen werden. Wegen der Rekuperation, also der Rückgewinnung von Energie im Brems- und Schubbetrieb, wird beim Verzögern ein Teil der Bewegungsenergie in die Batterie zurückgespeist und die Bremsen wesentlich weniger beansprucht werden. Dies wirkt sich zwar positiv auf den Verschleiß aus, allerdings kann es auch dazu zu führen, dass die Bremsscheiben aufgrund der geringen Nutzung korrodieren und im Ernstfall möglicherweise nicht voll funktionsfähig sind.
Marktentwicklung ungewiss
Wie sich der Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos entwickeln wird, ist schwer einzuschätzen. Zwar ist der Markt für elektrisch betriebene Neuwagen aufgrund der gestrichenen Förderprämie unter Druck geraten, Branchenexperten gehen jedoch davon aus, dass mittelfristig die Preise für neue Stromer fallen werden. Dementsprechend werden auch die Preise für gebrauchte E-Autos künftig sinken. Hinzu kommt noch der Umstand, dass die Produktionskosten von Akkus sukzessive nach unten gehen, was sich wiederum auch auf die Preisentwicklung von gebrauchten E-Autos positiv auswirken wird.
Besitzumschreibungen von Personenkraftwagen
nach ausgewählten Kraftstoffarten
Laut aktuellen Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes wechselten von Januar bis Juli 2024 88.218 Elektroautos den Besitzer.
Kraftstoffart | Anzahl 2022 | Anzahl 2023 | Anzahl 2024 Jan. - Juli |
Benzin | 3.552.720 | 3.624.010 | 2.268.383 |
Diesel | 1.690.572 | 1.860.702 | 1.133.283 |
Flüssiggas (LPG) | 43.913 | 41.862 | 25.387 |
Erdgas | 8.915 | 9.277 | 5.995 |
Hybrid | 274.970 | 396.801 | 335.268 |
darunter Plug-in | 66.631 | 96.873 | 80.089 |
Elektro (BEV) | 69.594 | 97.430 | 88.218 |
Insgesamt | 5.641.516 | 6.030.874 | 3.857.092 |
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