Der Kia EV6 verbindet die neue Klasse der Elektromobilität mit dem Selbstbewusstsein des Etablierten.
Auto des Jahres 2022, Design-Award, Best of the Best, Car of the Year, Innovativstes Produkt: Diese pralle Palette aus Vorschusslorbeeren, Lobeshymnen und Siegerpodest ist in dem seit jeher hart umkämpften Autogeschäft doppelt und dreifach bemerkenswert. Steht der Kia EV6 dann vor einem, wird relativ schnell klar, warum selbst nüchterne Analytiker schnell in den großen Chor der nachhaltig Berauschten einstimmen: Dieses preisgekrönte Elektroauto ist ein wahrhaftig gelungenes Gesamtpaket. In der Phase, da selbst renommierte Hersteller noch auf der Suche nach dem Schlüsselkonzept für batteriegetriebene Antriebsmodelle sind, wirkt der EV6 ausgereift, kraftvoll und satt, als wäre er schon seit Jahren auf der Erfolgsspur unterwegs. So sieht die Mobilität von morgen aus, so fühlt sie sich an – und so fährt sie sich.
Einfach fließend und dynamisch
Der Kia EV6 macht bereits von außen betrachtet Lust auf mehr. Sportlich wirkt er, geradezu vor positiver Energie strotzend. Doch aufgepasst: Es ist kein Sportwagen und kein Fahrzeug aus dem Luxussegment. Kleiner, einfacher. Mittelklasse. Schwer zu definieren. Ein pfiffiger SUV vielleicht? Ein kräftiger Kombi? Shooting-Brake? Oder doch ein Crossover, wie der moderne Mischmasch aus alledem gerne genannt wird? Der koreanische Stromer, es wird schnell klar, hat seinen eigenen Charakter. Und er versprüht seinen eigenen Charme.
Die Kia-Designer haben sich ihre Preise und den entsprechenden Applaus redlich verdient. Denn der EV6 hat viel von den futuristischen Skizzen, mit denen die Elektrofahrzeuge der Zukunft gerne umrissen werden. Einfach fließende, dynamische wird. Weil die Batterie im Boden verbaut ist, fehlt es zudem ein wenig an Höhe, was die Beinfreiheit beeinträchtigen kann.
Einfach und intuitiv zu verstehen und zu bedienen sind die Funktionsleisten auf der zentral angebrachten Steuerkonsole. Audio, Klima, Navigation – mit zwei, drei schnellen Fingertupfern sind wir direkt auf Kurs. Wir drücken den Startknopf und rollen von der Auffahrt.

Bereit für die Testfahrt
Electricar-Chefredakteur Armin Grasmuck am Steuer des Kia EV6.
Souverän auf der Straße
Ruhig und im angenehmen Elektroklang surrt der Kia EV6 auf der Bundesstraße. Die Kraft bekommt er von der hinteren Achse. Gut liegt er auf der Straße, stramm greift die Lenkung. Wer‘s sportlich mag – alles fein. Gediegen angehauchten Passagieren, die das komfortable Dahingleiten schätzen, könnte das hart abgestimmte Fahrwerk dagegen mehr Rüttler und Schüttler verpassen, als ihnen lieb ist. Speziell im unteren Bereich des Tachometers fahren Bodenwellen, Gullydeckel und andere Unebenheiten relativ schwach gedämpft in Mark und Bein. Die Kurven, auch die engen, nimmt der rassige Stromer dank technischer Fahrassistenten souverän und ohne Qualitätsverlust. Auf der Geraden gleitet er ebenfalls in Bestform.
Speziell auf längeren Ausfahrten, auch im Stau, wirken die kamera- und sensorengesteuerten Hilfsprogramme höchst angenehm. Der EV6 hält auf klar markierten Straßen automatisch die Spur und er passt die vorgegebene Geschwindigkeit dem Verkehrsgeschehen an. Egal, ob schnell oder im Schneckentempo: Der E-Kia hält stets den passenden Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Wir genießen diese entspannte Art des Fortbewegens – und der EV6 scheint ebenfalls glücksbeduselt auf der Mittelspur der Autobahn dahin zu schnurren. So multiaktiv er auch scheinen mag, ein Vollgasmodell für aggressive Strompedaldurchtreter ist er keinesfalls.

Grundzüge als typische Merkmale der Mobilität von morgen. Der lange Radstand und das neu gestaltete Logo im Zentrum der Frontpartie vermitteln zudem deutlich, dass hier von der ersten Idee bis zur Marktreife ein Elektroauto gedacht, konzipiert und gebaut worden ist. Ein reines E-Auto, kompromisslos, klar, ohne Wenn und Aber.

Fit für den Alltag
Der Kofferraum bietet das Ladevolumen von 520 Litern, bei umgeklappten Rücksitzen erhöht es sich auf 1.300 Liter. Im Frunk sind zusätzlich 50 Liter verfügbar, ideal für Ladekabel.
Wir steigen gerne ein und stellen fest: Dieses zukunftsorientierte und sportliche Versprechen hält der EV6 konsequenterweise auch im Innenraum. Locker und leicht sitzt es sich im vorderen Bereich. Es liegt wohl an der Mittelkonsole, die ohne Kontakt zum Boden zu schweben scheint. Dagegen ist der Raum im Fond etwas knapper bemessen. Es ist ein Aspekt der straff nach unten gezogenen Dachlinie, dass Fahrgästen, die über 1,85 Meter messen, hier schon einmal der Scheitel platt gedrückt
Fünf Sterne im Ecotest
Vielmehr haben die Kia-Entwickler ihren flotten Stromer auf höchste Effizienz getrimmt, was den EV6 für Privatkunden und auch als Dienstwagen doppelt interessant macht. Im renommierten „ADAC Ecotest“ wurde ein Durchschnittswert von 18,6 Kilowattstunden pro 100 Kilometer ermittelt, was einen Reichweite von bis zu 470 Kilometern möglich machen soll. Damit schneidet der EV6 besser als die meisten Konkurrenten seiner Klasse ab. Von den Verantwortlichen des Ecotests gab es dafür satte fünf Sterne. Als einen der entscheidenden Faktoren betrachteten sie die „intelligente Rekuperation“ des Koreaners. Ein Wunderwerk der neuesten Auto-Software: In Anhängigkeit von Abstand, Tempo, Topografie und Verkehrsschildern steuert die Elektronik verbrauchsoptimiert. Mal rollt das Auto locker aus, mal greift die elektrische Bremse ein. Das eigentliche Fahrerlebnis bleibt davon unberührt.

Superschnell geladen
Ein weiterer elementarer Pluspunkt: Die Ladetechnik des Kia EV 6 ist außergewöhnlich. Sie arbeitet mit doppelter Spannung. Statt mit 400 Volt, wie die meisten anderen Elektroautos, also mit 800 Volt – wie die großen, preisintensiveren Supersportwagen aus Stuttgart und Ingolstadt. Das spart Material, Bauraum und damit Gewicht, weil Kabel mit kleinerem Querschnitt verwendet werden können. Zudem verkürzt es die Wartezeit an der Ladesäule, denn der EV6 wird mit bis zu 240 Kilowatt versorgt. Immer vorausgesetzt, dass der Strom aus einem sogenannten High-Power-Charger (HPC) kommt. In der Theorie kann die Batterie laut Hersteller in nur 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden. In der Praxis hat es bei uns stets ein paar Minuten länger gedauert. Doch ganz ehrlich: Es macht Spaß, diesen gravierenden Fortschritt an der Ladestation erleben zu können. Der Gedanke an Ausfahrten über längere Distanzen oder ausgedehnte Urlaubsreisen bekommt auf diese Weise eine neue, positive Pointe.
Selbstverständlich geht es – speziell in dieser Phase der elektromobilen Innovationen, Trends und Visionen – immer ein bisschen größer, schneller und besser. Oder auch: kleiner, feiner, effizienter. Doch gemessen an den harten und weicheren Qualitätsmerkmalen, ist der Kia EV 6 derzeit nur schwer zu schlagen. Es ist dieser höchst attraktive Gesamteindruck, optisch wie inhaltlich, der jedes Einsteigen in dieses Auto zu einem Erlebnis macht – und den euphorisierten Fahrerinnen und Fahrern das Aussteigen schwerfallen lässt.

GT-Variante kommt im Herbst
Der EV6 ist derzeit in drei Antriebsversionen erhältlich. Unser Testwagen fuhr mit der großen 77,4-kWh-Batterie im Heckantrieb, die 168 Kilowatt (229 PS) auf die Straße bringt. Er steht als Grundmodell mit 50.990 Euro in der Preisliste. Günstiger ist der Einsteiger, der ab 44.990 Euro erhältlich ist – mit 58-kWh-Akku, 125 kW
(170 PS). Das allradgetriebene Topmodell – ab 52.890 Euro, 239 kW (325 PS) – macht das Angebot komplett. Ab diesem Herbst bringt Kia den EV6 zudem als 430 kW
(585 PS) starken GT auf den Markt, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls für Furore sorgen wird.
Der koreanische Konzern setzt mit den rundum gelungenen Stromern starke Akzente. Gespannt warten wir auf die Autos, die uns in den nächsten Monaten und Jahren elektrisieren werden. Der EV6 ist auf dem klar umrissenen Weg in die batteriegetriebene Zukunft der ideale Begleiter.
Technische Daten
Hersteller | Kia |
Modell | EV6 |
Antriebsart | Heck |
Leistung | 168 kW (229 PS) |
Maße / Gewicht | 4.680 x 1.880 x 1.550 mm / 1.995 kg |
Türanzahl | 5 |
Kofferraum Volumen | 520 bis 1.300 l |
Batteriekapazität | 77,4 kWh (netto) |
Ladeleistung | 11 kW / 240 kW (AC/DC) |
Reichweite | 528 km |
0-100 km/h | 7,3 Sekunden |
Spitze | 185 km/h |
Preis | ab 50.990 Euro |