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  • AutorenbildHartmut Schumacher

So wird die Reichweite nach WLTP exakt ermittel

Bürokratie kann auch etwas Gutes haben: Dank genau definierter Messverfahren lässt sich die Reichweite verschiedener Elektroautos leicht miteinander vergleichen.


Informationen über den Strom- oder Treibstoffverbrauch von Fahrzeugen und die daraus resultierende Reichweite sind für die Verbraucher nur dann hilfreich, wenn nicht jeder Autohersteller sein eigenes Süppchen kocht, sondern wenn alle Hersteller dieselben standardisierten Messverfahren verwenden – und wenn diese Verfahren realistische Ergebnisse liefern.


Das ist auch dem Gesetzgeber klar. Und daher müssen schon seit September 2018 für alle neu zugelassenen Pkw in der EU Messungen vorliegen, die nach dem „Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure“ (kurz: WLTP) durchgeführt wurden. Bis dahin kam für diese Zwecke der „Neue Europäische Fahrzyklus“ (NEFZ) zum Einsatz. Die WLTP-Messungen sind nicht nur genauer, sondern auch realitätsnäher.


WLTP im Detail


Mit dem WLTP-Messverfahren lassen sich der Strom- oder Treibstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen eines Fahrzeugs ermitteln. Das Verfahren gilt für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge.


Die Messungen finden nicht auf der Straße statt, sondern auf einem Rollenprüfstand – einer Anlage also, die es erlaubt, den Antrieb und die Bremsen zu testen, ohne dass sich das Fahrzeug tatsächlich in Bewegung setzt.

Der WLTP-Fahrzyklus besteht aus vier Phasen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten: In der Phase „niedrig“ beträgt die Höchstgeschwindigkeit etwa 57 Stundenkilometer, in der Phase „mittel“ 77 Stundenkilometer, in der Phase „hoch“ 97 Stundenkilometer und in der Phase „sehr hoch“ 131 Stundenkilometer. In jeder Phase wird das Fahrzeug mehrere Male beschleunigt und abgebremst.


Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei ungefähr 47 Stundenkilometern. Der gesamte Fahrzyklus dauert etwa 30 ­Minuten, die (theoretisch) zurückgelegte Strecke beträgt 23 Kilometer.


Die Messungen muss der Hersteller nicht etwa nur einmal pro Fahrzeugmodell vornehmen, sondern für alle erhältlichen Motoren- und Getriebekombinationen.


Die Fahrzeughersteller können die Messungen entweder auf den Prüfständen zugelassener technischer Dienste (wie TÜV und Dekra) durchführen lassen. Oder aber auf ihren eigenen zertifizierten Prüfständen. Auch in diesem Fall müssen jedoch Mitarbeiter eines unabhängigen technischen Dienstes anwesend sein. Zusätzlich kann das Kraftfahrt-Bundesamt eigene stichprobenartige Überprüfungen durchführen.


Verbrauch und Reichweite


Bei Verbrennerautos messen die Prüfer nicht etwa den Kraftstoffverbrauch in ­Litern, sondern das Gewicht bestimmter Bestandteile (vor allem Kohlendioxid), die im Abgas des Fahrzeugs enthalten sind. Daraus lässt sich dann der Kraftstoffverbrauch in Liter pro 100 Kilometer berechnen.


Bei Elektroautos läuft das naturgemäß etwas anders ab: Vor dem Fahrzyklus muss die Batterie vollständig aufgeladen sein. Nach dem absolvierten Zyklus wird die Batterie erneut voll aufgeladen, wobei ein Messgerät protokolliert, wie viel Strom dafür nötig ist. Auf der Grundlage dieser Messung lässt sich der Stromverbrauch in Kilowattstunden pro 100 Kilometer ermitteln. Bezieht man dann noch die Kapazität der Batterie in die Berechnung mit ein, so kann man die Reichweite des Elektroautos herausfinden.


Vorteile des neuen Verfahrens


Wie schafft es das WLTP-Verfahren, realistischere Werte zu ermitteln als der NEFZ? Hauptsächlich dadurch, dass die Länge der einzelnen Geschwindigkeitsphasen sowie die Durchschnittsgeschwindigkeit und die Höchstgeschwindigkeit näher an dem liegen, was Fahrzeuge im Alltag auf der Straße erleben:


Entwickelt wurde der WLTP-Fahrzyklus auf der Grundlage der Daten tatsächlicher Fahrten, die in zwölf Ländern auf drei Kontinenten stattfanden und insgesamt 750.000 Kilometer umfassten. Auftraggeber war das „World Forum for Harmonization of Vehicle Regulations“, ein Gremium der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen.


Tatsächlich realistisch?


Trotz dieser Bemühungen um realitätsnahe Messungen kann die tatsächlich erzielbare Reichweite eines Elektroautos von den Berechnungen auf WLTP-Basis abweichen – und zwar meist nach unten. Das liegt zum einen daran, dass die WLTP-Messungen bei ausgeschalteter Klimaanlage durchgeführt werden. Und zum anderen daran, dass auch Bedingungen wie die Außentemperatur, die Verkehrslage, die Steigungen der Strecke und nicht zuletzt das individuelle Fahrverhalten Einfluss auf den Stromverbrauch haben.


Wirklich weltweit?


Das Adjektiv „worldwide“ in der Bezeichnung des Messverfahrens ist eher eine Absichtserklärung als eine Zustandsbeschreibung: Verwendung findet das Verfahren bislang lediglich in der EU sowie in der Schweiz, in Liechtenstein, in Norwegen und in Island. In China und Japan kommen veränderte Versionen des Verfahrens zum Einsatz.


//Einleitungsbild: Mercedes-Benz Österreich GmbH//


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