Der Wegfall der staatlichen Förderprämie in Deutschland, die hohen Fahrzeugpreise und das fehlende Vertrauen in die Infrastruktur erschweren den Einstieg in die E-Mobilität. Dagegen können attraktive Angebote zu Finanzierung oder Leasing die Käufer des Massenmarkts überzeugen.
Sicher ist, dass die Branche gerade in vielen Bereichen leicht bis mittelschwer verunsichert ist. Der überraschend schnelle Wegfall der staatlichen Förderprämie für Elektroautos, die hohen Fahrzeugpreise und die in vielen Regionen noch dünne Infrastruktur haben die Konjunktur zu Beginn des Jahres nachhaltig geschwächt. Gerade jetzt, da die Elektromobilität den Massenmarkt erreicht, scheint die Euphorie der potenziellen Kunden gebremst. Sie wirken zögerlich, auch scheint es an Vertrauen in die neue Technik zu mangeln, was natürlicherweise den Herstellern und Händlern zu denken gibt.
Die neue EV Financing Studie 2024 der renommierten Marktanalysten von Miios und Uscale befasst sich mit diesem aktuellen Phänomen – konkret mit der Marktlage, bezogen auf die Finanzierung und Versicherung von Elektroautos aus Sicht der Nutzer. „E-Autos sind mehr als ein neuer Antrieb“, sagt Niklas Haupt, Geschäftsführer von Miios. „Sie verändern die Vertriebswege, den Service und vieles mehr.“ Auch Anbieter von Autokrediten, Leasing und Versicherungen müssten sich auf die Besonderheiten der Elektromobilität einstellen.
Für ihre Studie haben die Marktforscher exakt 2.023 Besitzende von Neuwagen befragt, die ihr rein elektrisches Modell oder eine Hybridvariante innerhalb der vergangenen 18 Monate erwarben. Sie beschreiben detailliert ihre Erfahrungen und Erwartungen mit den Anbietern von Finanzdienstleistungen.
Hohe Quote an Barzahlern
Im Vergleich zum Geschäft mit den Verbrennern ist der Anteil an Barzahlern unter den zumeist gut verdienenden Käufern der batteriegetriebenen Modellen sehr hoch. Knapp die Hälfte der Befragten hat ihren Neuwagen bar bezahlt.
Allerdings ist die Barzahler-Quote in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Die Marktanalysten gehen davon aus, dass sich die Werte weiter an die auch in der Verbrennerwelt bekannten Zahlen annähern werden. Unter den E-Dienstwagenfahrern beträgt der Anteil der Barzahler 20 Prozent, dagegen zahlen stolze 48 Prozent der privaten Käufer in Cash.
Relevanz der Händler
Der Anteil der Online-Käufer steigt stetig, doch die Autohäuser vor Ort spielen weiterhin eine wichtige Rolle. 54 Prozent der Probanden haben das Elektroauto beim Händler ihres Vertrauens gekauft. Jeweils 18 Prozent wickelten das Geschäft über die Internet-Seite des Händlers oder des Herstellers ab, der Rest erstand den Neuwagen auf anderen Wegen.
Festpreise gewünscht
Die Lust auf den Poker bezüglich des Kaufpreises scheint den meisten Kunden vergangen zu sein. Nur ein Drittel der Befragten möchte beim Erwerb des neuen Stromers noch verhandeln.
Ebenfalls ein Drittel der Käufer wünscht sich Festpreise, was dem neu etablierten Agenturmodell mit klaren und verlässlichen Inhalten rund um den Autokauf entspricht. Dazu kommen 28 Prozent, die in diesem Fall unentschlossen, jedoch offen für Festpreise sind.
Vertrauen in Datenfreigabe
Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung werden die persönlichen Daten der Kunden wertvoller und damit relevanter. Die aktuelle Studie belegt, dass die Fahrzeughersteller weiterhin auf die Kooperation der Kunden bauen können, wenn es um die Freigabe von Daten aus dem Auto geht. 45 Prozent der Befragten geben an, „Vertrauen“ in den Hersteller zu haben, 33 Prozent sogar „großes Vertrauen“.
Dagegen ist der Glaube in die Banken und Leasingpartner deutlich schwächer ausgeprägt. Die Vertrauenswerte der Käufer von rein elektrischen Autos liegen – unabhängig vom beteiligten Anbieter – unter denen der Erwerber von Hybrid- und Verbrennermodellen.
Loyalität schwindet
Auf die Frage „Glauben Sie, dass Ihr nächstes Auto wieder von (Marke) sein wird?“ antworten nur 38 Prozent der Probanden mit ja, neun Prozent mit nein, der Rest ist unentschlossen.
Deutlich weniger als die Hälfte gibt also an, der Marke beim nächsten Autokauf treu zu bleiben. Diese geringe Absicht, längerfristig auf einen Hersteller zu setzen, überträgt sich auch auf die Partner für Finanzierung und Versicherung.
Positiv zu registrieren ist, dass knapp 70 Prozent der Befragten angeben, auch ihr nächstes Fahrzeug werde ein Neuwagen sein. Und: 92 Prozent bestätigen, dass ihr nächstes Auto den gleichen Antrieb haben wird. Im Klartext: Die Fahrer der E-Autos bleiben den Stromern treu.
Keine neuen Rechenmodelle
Eine revolutionäre Variante der Abrechnungsmethodik ist unter dem Stichwort Finance-On-Demand zusammengefasst. Auf diese Weise werden Angebote bewertet, mit denen Kredit- und Leasingkunden die Eckdaten wie Umfang und Laufzeit auch während der Vertragslaufzeit im Internet mit nur einem Klick ändern können.
Doch die Probanden scheinen damit nur wenig anzufangen können. Der Anteil der Käufer von vollelektrischen Modellen, denen Finance-On-Demand-Produkte erfolgreich angeboten werden können, ist mit nur zehn Prozent sehr gering.
Zufrieden mit Versicherern
Die Anbieter der Policen für alle Fälle erhalten breiten Zuspruch. So liegt die Gesamtzufriedenheit der Befragten mit dem Prozess der Versicherung und dem entsprechenden Versicherungspartner signifikant über den vergleichbaren Werten im Segment der Finanzierung.
Kilometer für Kilometer
Die rein elektrischen Autos sind inzwischen in den Alltag integriert, was ihre leicht überdurchschnittlichen Fahrleistungen dokumentieren. 52 Prozent der Probanden legen mit ihrem Stromer zwischen 5.000 und 15.000 Kilometer im Jahr zurück, 21 Prozent sogar 25.000 Kilometer und mehr.
Inhalt, Effizienz und mehr
Interessant lesen sich auch die in der Studie ermittelten Einflussfaktoren auf die Autowahl. Auf die Frage „Welche der folgenden Kriterien hatte einen wesentlichen Einfluss darauf, dass Sie sich genau für dieses Auto entschieden haben“ waren in der Umfrage Mehrfachantworten erlaubt. Der wichtigste Faktor ist demnach die Fahrzeugausstattung, die 64 Prozent der Befragten angeben. Für 49 Prozent stellt die Energieeffizienz, also der niedrige Verbrauch ein entscheidendes Kriterium dar. 42 Prozent geben die Marke des Herstellers an, 35 Prozent die kurzfristige Verfügbarkeit des Autos, und für 31 Prozent sind die monatlichen Gesamtkosten essenziell.
Die Anbieter von Autokrediten, Leasing und Versicherungen sind angehalten, ihr Portfolio entsprechend anzupassen und die eigene Transformation voranzutreiben.
„Der Trend lautet: Nutzen statt besitzen“
Wie lautet die übergreifende Botschaft, die Sie anhand der ermittelten Daten formulieren können?
Es ist deutlich zu erkennen, dass die Elektromobilität die digitalen Prozesse und die Vernetzung mit Kunden und Auto beschleunigt. Immer populärer wird die Vernetzung über entsprechende Apps. Dieser Trend bietet den Händlern auch Optionen für ergänzende Finanz- und Leasingprodukte sowie Services. Die Palette reicht von einfachen Ladeguthaben über die Finanzierung von Photovoltaikanlagen bis hin zur Installation von Wallboxen.
Welche Ergebnisse haben Sie am meisten überrascht?
Die Barkaufquote ist bei den privaten Käufern von Elektroautos hoch. Es ist ein Beleg dafür, dass die Entscheidungen rund um den Autokauf emotional getrieben sind. Für die Käufer der E-Autos gibt es viele Gründe, die jenseits des nüchternen Kosten-Nutzen-Aspekts liegen.
Wie schwer schlägt der Wegfall der staatlichen Förderprämie auf die Konjunktur mit den Stromern durch?
Es ist ein kurzfristiges Phänomen. Die Elektroautos werden kurz- und mittelfristig günstiger und die Preise so schnell sinken, dass der Wegfall der Prämie kaum Auswirkungen haben wird. Die Tendenz ist klar auszumachen: Auf Sicht werden die E-Autos, auch was den Kaufpreis betrifft, günstiger sein als die vergleichbaren Modelle mit Verbrennungsmotoren.
Macht sich die Rabattschlacht, die gerade auf dem Markt für E-Autos herrscht, in der Verkaufsquote bemerkbar?
Die Modelle werden günstiger, das ist immer ein gutes Kaufargument. Da die Konjunktur nach dem Wegfall der Förderprämie zu Beginn dieses Jahres eingebrochen ist, sind solche Anreize dringend notwendig. Attraktive Kauf- und Leasingangebote sowie der professionelle Service sind auch gute Argumente im Umgang mit potenziellen Umsteigern, bei denen noch gewisse Zweifel bezüglich der neuen Antriebstechnik herrschen.
Wohin geht der Trend bei der Finanzierung von Elektroautos?
Leasing, auch seriöse Abomodelle, werden im geschäftlichen und im privaten Bereich populärer. Nutzen statt besitzen – so lautet die Zauberformel. Der Finanzeinsatz bleibt hier überschaubar, dazu bietet die befristete Vereinbarung auch mehr Flexibilität. Speziell für die Kunden, die damit befasst sind, vom Verbrenner auf ein batteriegetriebenes Modell umzusteigen, sind Leasing und Abo ideal, um die neue Technik auszuprobieren. Wer seinen Leasingvertrag richtig gestaltet, entgeht auf diese Weise auch der Problematik mit den Restwerten, die im E-Segment noch schwer zu kalkulieren sind.
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