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Der BMW iX5 Hydrogen im ELECTRICAR Praxistest

Autorenbild: Armin GrasmuckArmin Grasmuck

Voll Wasserstoff: Der BMW iX5 Hydrogen ist natürlich

ein SUV der Premiumklasse. Doch die Suche nach frischer Energie gestaltet sich mitunter knifflig bis aufregend.



Ist das Risiko zu groß? In diesem Auto nach Italien? Klar, der BMW iX5 Hydrogen ist ein höchst attraktives Modell. Ein Stromer, groß und gehaltvoll. Jedoch ohne Batterie. Dafür mit Brennstoffzelle. Und Wasserstoff im Tank. Wasserstoff, kurz H2? Sehr wohl.


Es hört sich interessant an. Doch wir rechnen und rechnen. In Innsbruck haben wir getankt. Als Reichweite zeigte uns das Display danach 367 Kilometer an. Auf dem Brenner, rund 40 Kilometer auf der Autobahn weiter, leuchteten nur noch 275 Kilometer in der Digitalanzeige auf. Als wir die Ausfahrt Klausen passierten, 105 Kilometer nach Innsbruck und 65 Kilometer den Brenner hinunter, betrug unsere Reichweite wieder 367 Kilometer. Sie haben Probleme zu folgen? Wir auch. Gar 378 Kilometer leuchten nun auf, da wir Bozen erreichen. Sieben mehr als beim Start in Innsbruck – obwohl der Tank nur noch zu drei Vierteln gefüllt ist. In Bozen gibt es eine Tankstelle für Wasserstoff. Die einzige in ganz Italien. Nur so viel dazu.


Einzigartige Ausfahrt: electricar-Chefredakteur Armin Grasmuck hat die Gelegenheit, den BMW iX5 Hydrogen zu testen.

Sie merken schon: Das Reisen in dem wasserstoffgetriebenen Modell erfordert Aufmerksamkeit und ein hohes Maß an Gelassenheit. Die auf dem großen Zentraldisplay installierte Applikation, die zu den wenigen H2-Tankstellen führt, wirkt da nur selten entspannend. Grün heißt hier: Wasserstoff kann getankt werden. Rot bedeutet: außer Betrieb. Lediglich rund 90 Tankstellen für Wasserstoff gibt es in Deutschland, vier in Österreich. Wir möchten an das südliche Ende des Gardasees. Große Schleifen verkneifen wir uns. Zum Auftanken haben wir mangels Alternativen wieder hier her nach Bozen zu fahren.


Hin und zurück beträgt diese Strecke gut 300 Kilometer. Mehr als 500 Kilometer nach WLTP-Standard soll der vollgetankte iX5 Hydrogen schaffen. Realistisch betrachtet, sind es etwa 400. Es klingt mehr nach Abenteuer denn nach angenehmem Gleiten durch Südtirol, das Trentino und Venetien. Die sagenhafte Reichweite von 647 Kilometer, die nach dem Tankstopp in Bozen angezeigt werden, wirkt zumindest nachhaltig entkrampfend.


Mit Wow-Effekt: Der Bozener Tankwart Andre ist vom Hydrogen beeindruckt, er fotografiert das Modell von allen Seiten. Der Tankvorgang dauert nur wenige Minuten.

Es hilft zudem, dass dieses H2-Modell mit vielen Attributen, für die BMW als Premiumproduzent steht, punkten kann. Stichwort Optik. Boah, es ist bezogen auf dieses Modell ein eigenes und einzigartiges Kapitel – oder noch mehr. Der iX5 Hydrogen, in dem wir auf dieser Testfahrt unterwegs sind, wirkt von außen betrachtet wie das Fahrzeug aus einer anderen Welt. Kunstvoll gestaltet, blaugrauweiß gefleckt und gesprenkelt, ohne seinen sportlichen Charakter zu verlieren. Ein Komet auf vier Rädern vielleicht?


Künstlerin in Aktion


Laut Auskunft von BMW klebt auf unserem Testwagen eine hochwertigen Folie, die von der Londoner Künstlerin Es Devlin gestaltet worden ist. Es handelt sich demnach sich um ein Projekt, das im Rahmen der diesjährigen Art Basel umgesetzt wurde. BMW ist seit 20 Jahren Partner dieser Schweizer Kunstmesse. Es Devlin Bilder und Texte eingefügt.


Wir können es kaum deuten. Doch auch gemalte Gesten, die an den Holzschnitt „Die große Welle von Kanagawa“ des japanischen Künstlers Katsushika Hokusau aus dem Jahr 1831 erinnern, und Auszüge aus Veröffentlichungen der BMW Group zu der Technologie um Wasserstoff und Brennstoffzelle sind offenbar

auf unserem Auto zu sehen und zu lesen.


Innen wie ein alter Bekannter


Kein Wunder, dass nahezu überall, wo wir auftauchen, Passanten und andere Verkehrsteilnehmer große Augen machen. Selbst auf der Autobahn. Der iX5 im Wasserstoffmodus, komplett verklebt – das wirkt interessant. Und nur, damit sich keiner Sorgen macht: Selbst wenn auch die Scheiben im Fond und auf dem Heck bunt beklebt sind – wir haben den Verkehr stets und vollumfänglich im Blick. Der kunstvoll gestaltete SUV fährt, wie wir es von einem elektrisch angetriebenen SUV des bayerischen Premiumherstellers erwarten dürfen.


Im Innenraum wirkt der Hydrogen ohnehin wie ein alter Bekannter. Tasten, Druckknöpfe, Drehregler. Alles befindet genau dort, wo es hingehört. Selbstverständlich ist auch der iDrive-Kontroller mit an Bord, dieser bewährte Druck- und Drehregler auf der Mittelkonsole, über den sich die meisten Funktionen einfach und bequem steuern lassen. Alles auf hohem Niveau, hochwertig verarbeitet und ausgereift.



Laderaum XL: Der wasserstoffgetriebene BMW fasst 650 Liter, mit umgeklappten Rücksitzen sogar bis zu 1.870 Liter.


Prototyp aus der Kleinserie


Wer bereits das neue Modell des Markenbruders i5 gefahren ist, merkt jedoch schnell: Dem Wasserstoff-SUV fehlt die eine oder andere technische Finesse, mit der die Limousine gerade Maßstäbe setzt. Das autonome Fahren etwa, mit bis zu 130 Sachen auf der Autobahn, ohne Hände am Lenkrad – davon scheint der Hydrogen iX5 noch weit entfernt zu sein. Der wasserstoffgetriebene BMW lässt auch den adaptiven Tempomaten vermissen, der in der Lage ist, das Tempo je nach Verkehr künstlich intelligent und vor allem eigenständig zu regeln.


Es liegt wohl daran, dass es sich bei unserem Testwagen um einen Prototypen handelt. Der iX5 Hydrogen kommt keineswegs vom Fließband. Es ist eine Kleinserie von weniger als 100 Fahrzeugen, mit denen der renommierte Hersteller belegen möchte, dass Wasserstoff eine Alternative für den alltäglichen Verkehrsbetrieb sein kann.


Mit sanftem Surren


Rein technisch, versteht sich – und ohne Blick auf die hohen Energieverluste, die beim Betrieb von H2-getriebenen Fahrzeugen derzeit noch anfallen. Ob und falls ja, wann dieses Modell offiziell auf dem Markt angeboten wird, bleibt offen. Als – hypothetischen – Grundpreis nennt BMW für den Hydrogen 79.000 Euro. Damit wäre er zumindest der günstigste X5 im Portfolio


Genug erklärt, philosophiert und ausgemalt: Kommen wir zum Charaktertest. Der Wasserstoff-BMW – das können wir allen Kalkulationen und Spekulationen rund um die Reichweite reinen Gewissens feststellen – bietet den Fahrgenuss eines rein elektrischen Modells im Premiumsegment. Ausgesprochen ruhig, komfortabel, bei Bedarf kraftvoll und dynamisch, wie es sich für einen BMW gehört. Bodenwellen und Kanaldeckel schluckt das Fahrwerk professionell und geräuschlos. Apropos, den Wasserstoffantrieb vernimmt nur, wer genau hinhört. Ein sanftes Surren, leiser als ein Windstoß, mehr ist auch dank der stark gedämmten Scheiben selten zu hören.



Einfach zu bedienen: Die Armaturen des iX5 Hydrogen sind klar strukturiert und über den iDrive-Controller auf der Mittelkonsole gut zu steuern. Reichlich Platz genießen die Passagiere im Fond.


Batterie für Extraschub


Zwei Karbontanks, die den Wasserstoff speichern, sind im iX5 Hydrogen verbaut – einer im länglichen Kardantunnel zwischen den Vordersitzen und einer quer unter den Rücksitzen. Sie können insgesamt sechs Kilo Wasserstoff speichern. Der H2-Antrieb als Ganzes benötigt reichlich Platz. Unter der Fronthaube befinden sich die Brennstoffzellen, die BMW vom Technologiepartner Toyota geliefert bekommen und in Eigenregie zu einem Brennstoffzellensystem weiterverarbeitet hat.


Clou: Weil die Brennstoffzellen – speziell für BMW – nur magere 125 Kilowatt, also etwa 170 PS liefern, haben die Entwickler unter dem Kofferraum zusätzlich eine Batterie verbaut, die 2,3 Kilowattstunden speichert. Wird das Strompedal, etwa bei einem Überholmanöver, voll durchgetreten, steigert sich die Systemleistung dank der Akkus auf 295 Kilowatt, rund 400 PS.


Ideal für die Langstrecke


Aus ökonomischen Gründen verzichten wir zumindest in Italien auf allzu sportliche Sequenzen. Lieber gleiten wir ruhig, ausgeglichen und genussvoll durch die Landschaft. Der Hydrogen ist eine vorzügliche Wahl für die Langstrecke, wenn der Tank gefüllt ist. Den Weg von Bozen zum Gardasee und zurück haben wir anstandslos geschafft. Das Display zeigt die Restreichweite von 50 Kilometern, als Tankwart Andre den Wasserstoffrüssel mit unserem iX5 verbindet. Wir sind allerdings einen Tag zu spät dran. Am Wochenende hatte die einzige H2-Tankstelle Italiens geschlossen.


Technische Daten

Hersteller

BMW

Modell

iX5 Hydrogen

Antriebsart

Elektro

Leistung

285 kW / 401 PS

Maße / Gewicht

4.938 x 2.015 x 1.745 mm / 2.460 kg

Antriebsachse

Hinterrad

Anzahl der Türen

5

Kofferraum­volumen

650 - 1.870 l

Reichweite

504 km (WLTP)

0-100 km/h

5,8 Sekunden

Spitze

205 km/h

Preis

79.000 Euro


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