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“Die anderen reden, wir fahren” -Interview mit Aiways-Chef Alexander Klose

Autorenbild: Armin GrasmuckArmin Grasmuck

Alexander Klose (57), Executive Vice President und Europachef des ansonsten nur von Chinesen geführten Herstellers, ist ein Routinier in der Autobranche. Er arbeitete zuvor unter anderem bei BMW, Ford, Jaguar und Volvo. Aiways, das Start-up für Elektroautos, wurde vor vier Jahren in Schanghai gegründet. Seit Sommer 2019 hat das Unternehmen die Lizenz zur Autoproduktion in China. 2021 wurden die ersten Autos des Modells U5 an Kunden ausgeliefert. Anfang 2022 kommt der nächste Wagen von Aiways auf den Markt: der U6, ein vollelektrischer Sports-SUV.



Seit gut einem Jahr sind Sie mit Ihrem ersten Modell, dem U5, auf dem Markt. Ist Aiways in Deutschland angekommen?


Alexander Klose: Wir kamen auf den Markt, als die Pandemie gerade zuschlug. Das heißt: Wir wollten auf dem Markt sein … 2020 haben wir zwar ein paar Autos auf Korsika verkauft. Doch es gestaltete sich schwierig, weil wir aufgrund der Lage im vergangenen Jahr nicht einmal Testfahrten durchführen konnten. In der Zwischenzeit haben wir diese Schwierigkeiten überwunden. Ja, wir sind im Markt angekommen – in Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlande. Zudem bereiten wir den Markteintritt in Italien und Spanien vor, es folgen noch in diesem Jahr Schweden und Norwegen, wahrscheinlich auch Österreich und die Schweiz.


Welche Herausforderungen sind für Sie als Neustarter aus Fernost die schwierigsten?


Die Pandemie war uns natürlich die größte, weil unvorhersehbare Thematik. Wir hatten alles für die Genfer Messe 2020 vorbereitet. Wir waren auch dort, haben aber leider nur einen Stand gesehen, der nie eröffnet und gerade wieder abgebaut wurde. Es war der Beginn der Verzögerungen, mit denen wir zu kämpfen hatten. Ein Teil unserer Entwicklungspartner sitzt in Wuhan, dem Ausgangspunkt und Zentrum der Pandemie. Dieser Kontakt war eine Zeitlang unterbrochen, weil die Firmen dort einfach geschlossen wurden. Wir mussten also die ganze Lieferkette noch einmal neu strukturieren. Hierher zu kommen und etwas neu aufzubauen, war dagegen etwas, was wir konkret geplant hatten. Zu Beginn des vergangenen Jahres, als wir hier in München anfingen, waren wir zu dritt. Jetzt haben wir fast 50 Mitarbeiter und verkaufen Fahrzeuge in Europa. Eine chinesische Firma, die es erst seit vier Jahren gibt. Der Plan, den wir haben, wird ausgeführt.


Etablierte Hersteller und auch die Politik haben sich zuletzt klar zur Elektromobilität bekannt. Spüren Sie den großen Kurswechsel?


Ja, ich habe den Eindruck, dass sich Europa gerade dazu bekennt: Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Speziell in der Politik ist ein klarer Kurs zu erkennen: Elektroautos werden konsequent gefördert – die Richtung ist also vorgegeben. Ich war jahrzehntelang bei traditionellen Herstellern beschäftigt und kann mir vorstellen, mit welchen Problemen diese gerade beschäftigt sind. Wie ist dieser Umbruch zu managen? Wir haben diese Sorgen natürlich nicht, weil wir einfach nur elektrische Fahrzeuge herstellen.


Welche Vorbehalte gegenüber Elektroautos spüren Sie noch bei potenziellen Kunden?


Wir spüren einen gewissen Boost. Generell geht es um die Frage, wie kann ich als Unternehmen – oder auch als Politik – dazu beitragen, dass der Kunde, der praktisch noch wenig bis nichts von Elektrofahrzeugen weiß, besser informiert wird, und die Zweifel und Ängste, die bei vielen noch bestehen, abgebaut werden können. Wir sind gerade erst in einer Vergleichsfahrt mit anderen Herstellern von Berlin über Bielefeld 1000 Kilometer nach München gekommen. Es war spannend, weil wir festgestellt haben: Das größte Problem war keineswegs, die Reichweite oder die passende Station zum Nachladen zu finden. Alles war irrelevant im Vergleich zu der Frage: Wie umfahren wir den Stau am besten? Wenn Sie quer durch Deutschland fahren ist die niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit der limitierende Faktor – und nicht der Gedanke, ob und wie sie an der E-Ladestation bezahlen können.


Wie wird sich der Markt mit dem Aufschwung der akkubetriebenen Fahrzeuge verändern?


In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird sich der Markt verändern. Ich welche Richtung, ist schwer zu prognostizieren, auch weil das autonome Fahren dazukommen wird. Wir müssen auch sehen, dass die Generation der 20- bis 30-jährigen keineswegs mehr so auf das Auto abfährt, wie es früher der Fall war. Die individuelle Mobilität, die ihnen ein Auto bietet, empfinden sie jedoch schon als etwas sehr Befreiendes. Eines ist klar: Mancher Hersteller wird Schwierigkeiten bekommen, die Werte, die er über Jahrzehnte propagierte, auf das Elektroauto zu transferieren.


Es gibt mehrere Start-ups in China, die auf den Automarkt drängen. Wie haben sie diese abgehängt?


In der Spitze unseres Unternehmens sind nur Kollegen, die einen Hintergrund in der Automobilindustrie haben. Das unterscheidet uns von den Firmen, die aus anderen Bereichen wie Immobilien oder Medien kommen – und ebenfalls Autos bauen wollen. Wir hatten als Team einen sehr ambitionierten Plan, die eigene Fabrik, auch wie das Auto aussehen soll. Die Entwicklungszeit hat rund drei Jahre betragen. Wir haben es geschafft, weil wir uns auf einen Zug gesetzt haben. Die anderen reden, wir fahren.


In der Zentrale: Alexander Klose (links), Executive Vice President und Europachef von Aiways, traf electricar-Reporter Armin Grasmuck in München zum exklusiven Interview.

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