Die Fahrer von Elektroautos honorieren, dass sich die Ladeleistungen und Reichweiten kontinuierlich verbessern. Ihr Augenmerk richtet sich jedoch verstärkt auf die Fahreigenschaften, Kostenaspekte und Infrastruktur – wie die aktuelle Studie der Marktanalysten von UScale belegt.
Das soll erst einmal einer verstehen?! Die Elektroautos werden besser, doch die Kunden haben trotzdem mehr zu kritisieren. So lautet eine der Kernaussagen der aktuellen Zufriedenheitsstudie, welche die renommierten Marktanalysten von UScale veröffentlicht haben. Es geht um die Nutzungsgewohnheiten, Probleme und Empfehlungen der Fahrerinnen und Fahrer von batteriegetriebenen Autos.
Die wachsende Unzufriedenheit unter der Probanden ist laut Axel Sprenger, dem Gründer und Geschäftsführer von UScale, durch den Wandel in der Kundenstruktur begründet. Nach Jahren der „Early Adopter“, also der frühen Anwender, gelangen die Elektrofahrzeuge nun in den Massenmarkt – und treffen dort auf deutliche höhere Erwartungen. Dieser „Early Majority“ fehlt laut Sprenger der Abenteuergeist der frühen Pioniere in der Elektromobilität, die manchen Mangel einfach klaglos akzeptierten.
Neue Motive für den Umstieg
Die Käufer und Nutzer der batteriegetriebenen Autos bewerten ihre Fahrzeuge und speziell deren Funktionalität kritischer – obwohl sich die Leistung der Stromer in den Bereichen Laden, Reichweite und auch bezogen auf die Funktionalität und die Bedienung verbessert haben. Besonders auffällig: Die Wahrscheinlichkeit, dass E-Autofahrer das eigene Modell an Freunde und Bekannte weiterempfehlen, der sogenannten Promoters, geht deutlich zurück. Dagegen steigt die Zahl der Abratenden, im Fachjargon Detractors. Die Zufriedenheit der Besitzer sinkt, obwohl die Fahrzeuge technisch stetig verbessert werden.
Dieser Widerspruch ist auch in den neuen Nutzergruppen begründet. Während in den vergangenen Jahren zumeist ökologische Motive beim Umstieg auf ein E-Auto im Vordergrund standen, werden inzwischen immer öfter Faktoren wie Fahreigenschaften und Kostenaspekte wichtiger, die potenzielle Kunden zum Umstieg bewegen.
Tesla bleibt vorn
Wie stark die Bande zum eigenen Stromer ist, und wie groß die Bereitschaft, ihn weiterzuempfehlen, hängt von der Marke ab. Unangefochten an Nummer eins steht der US-Hersteller Tesla, der seine Nutzer besonders bei den für die Elektromobilität spezifischen Themen wie Laden, Routenplanung oder der Connect-App beeindruckt. Deutliche Kritik gibt es jedoch weiterhin bezogen auf die Qualität und die verschiedensten Störgeräusche. Immerhin 40 Prozent der Tesla-Fahrer sehen deutlichen Handlungsbedarf in diesem Bereich.
Wachsende Beliebtheit konnten die Marktanalysten bei den koreanischen Marken Genesis, Hyundai und Kia ermitteln. Die drei Marken wurden abgesehen von der stark kritisierten Routenplanung überdurchschnittlich gut bewertet.
Der Faktor Strom
Im Segment Ladeleistung punkten alle Modelle, die mit einer 800-Volt-Technologie ausgestattet sind. Hier legt Hyundai die Messlatte für alle übrigen Marken. Dagegen zeigen die Modelle aus dem Volkswagen-Konzern ein gemischtes Bild: Porsche schafft es, die starke Kritik an der geringen Reichweite mit seinem 800-Volt-Bordnetz zu kompensieren, das vergleichsweise kurze Ladestopps ermöglicht.
Auch Audi leidet unter geringer Reichweite und hohem Verbrauch. Dazu kommt Kritik bezüglich Connect-App und Software-Qualität. Davon betroffen sind zudem die Schwestermarken VW und Cupra, die den kritischen Gesamteindruck bestätigen.
Probleme mit der Software
Ernüchternde Ergebnisse liefert auch MG als einzige chinesische Marke in dieser Rangliste. Während die Reichweite noch halbwegs positiv bewertet wird, gibt es massive Kritik an den die Elektromobilität betreffenden Bedienkonzepten, Routenplanung und Software. Durch neue Markteintritte chinesischer Anbieter wie etwa Nio erwarten die Marktexperten von UScale kurz- und mittelfristig interessante Entwicklungssprünge.
Speziell die Software betreffend, wird demnach mit den chinesischen Herstellern zu rechnen sein. Ein entscheidender Faktor ist das perfekte Einbinden der technischen Elemente, dieser für den jeweiligen Markt passende Zuschnitt. Die Erfordernisse der Klimakrise und der daraus resultierende Rahmen für die internationale Politik werden den Hochlauf der Elektromobilität laut UScale zwingend beschleunigen. Im Klartext: Die Zahl der Stromer wird weiterhin kontinuierlich ansteigen – im Idealfall auch die Zufriedenheit ihrer Fahrer.
Elektroautos werden objektiv besser
Welche Reichweite hat das Elektroauto? Und wie schnell kann die Batterie geladen werden? Es sind zwei Fragen, die für Kunden, die damit befasst sind, auf einen Stromer umzusteigen, entscheidende Faktoren darstellen. Auch für die Fahrer, die bereits in einem Stromer unterwegs sind, ist und bleibt das Laden elementar. Die Entwicklung erscheint positiv: So stieg die durchschnittlich gemessene Sommer-Reichweite im vergangenen Jahr von 311 auf 323 Kilometer – und die durchschnittliche DC-Ladeleistung, also das Laden an der Schnellladesäule, von 103 auf 125 Kilowatt. Speziell in diesen Segmenten sind kurz- und mittelfristig weitere Fortschritte zu erwarten.
Trotzdem: Rückgang der Weiterempfehlungsbereitschaft
Der NPS-Wert, eine Kennzahl für die Weiterempfehlungs-bereitschaft, geht massiv zurück. Mit dem Eintritt in den Massenmarkt werden die Elektrofahrzeuge härter kritisiert. Die neuen Kunden registrieren und monieren es, wenn die versprochenen Fahreigenschaften und Funktionen nur ungenügend dargeboten werden. Als störend und nervig werden zudem die mitunter massiven Probleme mit der Software empfunden. Dagegen verziehen die Früheinsteiger in die Elektromobilität, die Early Adopter, ihrem Stromer nahezu jede Schwäche – für das Gefühl der einzigartigen Avantgarde. Sie schwärmten und schwärmen für das E-Auto und empfehlen es weiter.
Exkurs: Adopter-Segmente von Innovationen
Die große Transformation in die Mobilität von morgen vollzieht sich in einzelnen Etappen und Entwicklungsstufen – auch was die Kunden und Nutzer der Elektromobilität betrifft. Am Anfang stehen die Innovatoren, die offensiv und frohen Mutes in die neue Epoche starten. Es folgen die Early Adopters, leidenschaftliche Früheinsteiger, welche die Mobilitätswende bereitwillig unterstützen und vorantreiben. Wie in vielen anderen Branchen und Themenbereichen gibt es danach ein harten Bruch, bevor der Massenmarkt anspringt. Die Verkaufszahlen steigen, die Ansprüche der Kunde allerdings auch.
Neue Kunden, andere Wechselmotive
Das Motiv, auf ein Elektroauto umzusteigen, hat sich zwischenzeitlich massiv verändert. In den vergangenen Jahren standen zumeist ökologische Gründe für die Fahrzeuge, die mit vermeintlich sauberer Energie betrieben werden, im Vordergrund. Dagegen zählen mittlerweile die Fahreigenschaften der E-Modelle und die Kostenaspekte zu den wichtigsten Umstiegsmotiven. Nur wenn das E-Auto fahrtechnisch einen Mehrwert bietet und auch preislich akzeptabel ist, wirkt es attraktiv. Die neuen Kundensegmente haben deutlich höhere Erwartungshaltungen an ein Elektrofahrzeug als die Früheinsteiger.
Sehr große Unterschiede zwischen den Marken
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihr E-Auto einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen würden?“ So lautet eine Frage, welche die Marktanalysten von UScale den Probanden im Rahmen ihrer Zufriedenheitsstudie gestellt haben. In der Grafik ist deutlich zu erkennen, wie unterschiedlich die einzelnen Hersteller in der Lage sind, sich auf die Anforderungen des elektrischen Fahrens einzustellen. Tesla? Jaaa, gerne! Nissan, naja ... Während die Stromer der kultigen E-Pioniere aus den USA weiterhin voll dem Zeitgeist entsprechen, gibt es für das japanische Schlusslicht einiges aufzuholen.
Porsche brilliert mit der gewohnt hohen Qualität, Zuverlässigkeit, außergewöhnlichen Fahreigenschaften – und mit Bestwerten an der Schnellladesäule. In diesem Fall sind die Kunden sogar bereit, die vergleichsweise magere Reichweite zu dulden. Moderne, höchst komfortable Gesamtpakete bieten auch die Modelle der koreanischen Premiummarke Genesis auf dem Weg in die Mobilität von morgen. Wer sich in seinem Elektroauto rundum wohlfühlt, empfiehlt es auch gerne weiter.
Drei Großbaustellen
Um welche Segmente sollten sich die Hersteller speziell kümmern? Unter diesem Aspekt sind die Themen mit besonders akutem Handlungsbedarf ermittelt worden, grob unterteilt die Bereiche Laden/Reichweite, e-spezifische Funktionen, Connectivity/Software und Qualität.
Lesebeispiel: 42 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Hersteller vorrangig an der Reichweite arbeiten sollten.
Deutsche Hersteller
Der Volkswagen-Konzern beherrscht die klassischen Tugenden des Automobilbaus. Doch die anhaltenden Probleme bei der Software sind deutlich spürbar. Die deutschen Premiumhersteller (Audi, BMW, Mercedes) glänzen in den den klassischen Kerndisziplinen der Autoproduktion, sie stehen jedoch vor großen Herausforderungen im Bereich der elektrospezifischen Themen.
Tesla + MG + Polestar
Auffällig ist, dass Tesla in allen für Elektrofahrzeuge spezifischen Dispizlinen punktet. Dagegen sind die Schwächen in der Qualität weiterhin eklatant.
Die chiniesischen Hersteller kämpfen mit Softwareproblemen und der Konnektivität. Polestar profitiert von der Kooperation mit Google
Koreanische Hersteller
Die Flaggschiffe des Hyundai-Konzerns – Genesis, Hyundai und Kia – haben sich gut auf die meisten der neuen Herausforderungen eingestellt. Gravierende Schwächen offenbaren sie bei der Routenplanung.
Stellantis
Die Marken des Stellantis-Konzerns zeigen in dieser Umfrage großen Handlungsbedarf in nahezu allen Kategorien. Massive Kritik gibt es zu den Funktionalität der Connect-App.
„Die Hersteller haben noch viel zu tun“
Was müssen die Hersteller der Elektroautos tun, um auch im Massenmarkt höhere Zufriedenheitswerte bei ihren Kunden erzielen zu können?
Axel Sprenger: So großartig die Elektroautos sind, so ehrlich müssen wir sein: E-Autos haben noch nicht die konzeptionelle Reife, die Verbrenner in ihren über 100 Jahren erfahren haben. Die Ergebnisse zeigen, dass nahezu alle Hersteller noch viel zu tun haben. Mit der Studie wollen wir dazu beitragen, dass dies schnell gelingt.
Es gilt eine Vielzahl von Vorbehalten gegenüber den Stromern abzubauen. Wie können potenzielle Kunden, die sich mit dem Umstieg auf batteriegetriebene Fahrzeuge beschäftigen, am besten überzeugt werden?
Wir müssen uns vor Augen führen, wie groß der Technologiesprung ist, den wir gerade erleben. Da ist es einfach normal, dass nicht gleich alle begeistert aufspringen. Das ist auch gar nicht nötig. Die Modelle und die Ladetechnik entwickeln sich rasant. Lassen wir die Produkte also für sich sprechen. Das ist das beste Argument – und das wird funktionieren.
Wie wird sich das Geschäft mit den Elektroautos im nächsten Jahr entwickeln?
Im Moment zeigt der Absatz eine kleine Delle, die von Experten allerdings erwartet wurde. Es wird weiterhin deutlich aufwärts gehen, wenn im kommenden Jahr – wie von den Herstellern angekündigt – viele neue batteriegetriebene Modelle in den Markt kommen.
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