Hoch aus dem Norden: Der neue Kurs von Polestar
- Beatrice Bohlig
- vor 2 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Michael Lohscheller, CEO von Polestar, möchte den Vertrieb der Elektroautomarke stärken und im Flottengeschäft auch enttäuschte Tesla-Kunden animieren. Kleiner Wagen mag das Sternbild heißen, in dem der Nordstern am hellsten strahlt. Polestar plant, mit großen Wagen zu glänzen.

Die schwedisch-chinesische E-Automarke Polestar hat beim Verkauf ihrer Neuwagen große Ambitionen: „Unser Ziel ist, bis 2027 jedes Jahr um 30 bis 35 Prozent zu wachsen“, sagte CEO Michael Lohscheller im Gespräch mit electricar. 2024 hatte Polestar, das unter „PSNY“ an der US-Börse Nasdaq gelistete Gemeinschaftsunternehmen von Volvo Car Corporation und Geely-Konzern, insgesamt 44.851 Fahrzeuge abgesetzt.
Als starken Hebel zu einer signifikanten Ausweitung der Verkäufe von Polestar-Pkw stuft Lohscheller eine „deutliche Erweiterung des Vertriebssystems“ ein – und das ausdrücklich im engen Schulterschluss mit dem Handel: „Wir erleben in der Autoindustrie aktuell eine Renaissance der Händler“, sagte der frühere VW-Topmanager und Ex-Chef von Opel, „der reine Onlinevertrieb ist für einige Kundinnen und Kunden die richtige Lösung, aber nicht ausreichend“.
Die Entscheidung für ein Auto sei „eine sehr emotionale und finanziell gewichtige Sache“, begründete Lohscheller seine Handelsoffensive. Die Kundschaft wolle „sich beraten lassen, Angebote bekommen und vielleicht auch Vorschläge, was mit dem jetzigen Auto passieren soll“. Aktuell bedient der im südwestschwedischen Göteborg ansässige Hersteller mit dem stilisierten Stern im Logo 27 Märkte in Europa, Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum.

SUV-Montage in Europa
Lohscheller ist überzeugt: „Über mehr Standorte und mehr Beratungspersonal kommen wir auch zu mehr Abschlüssen“. Auch in Deutschland stelle man derzeit das sogenannte Active-selling-Modell um. Das Polestar-Portfolio umfasst momentan drei Baureihen mit den schlichten Typbezeichnungen 2 und 3 sowie 4.
Im Gespräch mit electricar-Autorin Beatrice Bohlig am Rande des Fat Ice Race in Zell am See lobte Lohscheller am Polestar 3, dieser sei zwar „ein großer SUV“, fahre aber „wie ein Sportwagen“. Für die zweite Jahreshälfte bestätigte der Polestar-Lenker den Start eines Polestar-Grand-Tourers mit der Ziffer 5. Dessen Preise sind noch nicht bekannt, dürften aber in der Region von 100.000 Euro beginnen. Vergleichsweise erschwinglich werden soll später der Polestar 7, ein kompakter SUV, dessen Fertigung für einen Fabrikstandort in Europa geplant ist.
In diesem Kontext antwortete Lohscheller auf die Frage, ob es für Polestar denkbar ist, perspektivisch in einem der VW-Werke einen Teil der eigenen Neuwagen produzieren zu lassen, konzis mit: „Nein“. Bislang stellt Polestar seine Autos in Nordamerika und Asien her.
Auch eine Zusammenarbeit bei Vertrieb und Service mit einem konzernfremden Produzenten aus Europa in der Art von Leapmotor und Stellantis schließt der Polestar-CEO aus. Seine Begründung: „Mit Volvo und Geely haben wir bereits zwei starke Partner an unserer Seite. Gerade die Nähe zu dem Volvo-Händler- und Servicenetz ist für uns ein echter Vorteil, von dem die Kundinnen und Kunden profitieren“. Dass Polestar so allein in Deutschland schon auf über 200 Servicepunkte zurückgreifen könne, sei ein „echtes Alleinstellungsmerkmal für eine so junge Marke“. Lohscheller bündig: „Das schafft Vertrauen“.
Überhaupt führt der Markenchef den Austausch mit der „starken Polestar Community“ und das Schaffen einer „loyalen Markenbindung“ weit oben auf seiner Managementagenda: „Viele unserer Fahrerinnen und Fahrer haben uns von Anfang an begleitet, sich zum Teil für ein Fahrzeug entschieden, bevor sie es in ihrem Markt überhaupt Probefahren konnten“, so erklärte Lohscheller. „Sie sind eng mit der Marke verbunden“.

Munteres Merchandising
Im sogenannten Additionals Shop finden Polestar-Fans daher von Kunstdrucken über Modellautos auch Kleidung, um ihrer Begeisterung für die Marke zusätzlich Ausdruck verleihen zu können. Lohscheller: „Hierbei setzen wir ebenso wie bei unseren Fahrzeugen auf hochwertige, nachhaltige Materialien und starke Kooperationspartner“. Den Polestar-Schal beispielsweise liefert mit Klippan Yllefabrik ein schwedischer Hersteller zu, der seit vier Generationen sein Handwerk mit Luxusstoffen betreibt. „Auch hier greift unser Premiumanspruch“, hebt Lohscheller hervor.
Apropos Premium: Überzeugende Produktgüte ist vielen Interessenten wichtig – politische Korrektheit aber auch. „Uns erreichen viele Nachrichten von Tesla-Kunden, dass sie gerne wechseln möchten“, gab Lohscheller gegenüber electricar zu Protokoll. „Das aktuelle Stimmungsbild rund um Elon Musk und Tesla ist eine Chance für uns, bei den Privatverkäufen, aber vor allem auch bei großen Flottenkunden“.