Es ist November 2019 und die Bundesregierung hat gerade den Masterplan Ladesäuleninfrastruktur beschlossen, der bundesweit eine Million öffentliche Ladepunkte bis zum Jahr 2030 vorsieht. Dies wird auch dringend benötigt, denn bis dahin sollen in Deutschland laut Koalitionsvertrag 15 Millionen Elektrofahrzeuge fahren. Betrachtet man nun die Zulassungszahlen von Oktober 2022, so scheint dieses ambitionierte Ziel jedoch weiterhin nur schwer erreichbar. Oder könnte vielleicht der Zertifikatehandel durch die Treibhausgasminderungsquote, kurz THG, der Elektromobilität weiteren Aufschwung verleihen?
Zwar waren im Oktober 2022 bereits 17,1 Prozent der Pkw-Neuzulassungen – also 35.781 der 208.642 Zulassungen – reine Stromer, und genau 17,1 Prozent beträgt auch der Anstieg der Zulassungszahlen gegenüber dem Oktober 2021. Jedoch müssten fortan knapp viermal so viele E-Autos verkauft werden, um das gesteckte Ziel zu erreichen.
Das Mittel zum Zweck – die Novellierung der 38. BImSchV
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck freute sich jüngst über das erreichte Ziel, eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen. Entsprechend sieht er auch den Übergang zum Massenmarkt geschafft, und so wird zum Januar 2023 der Umweltbonus für Plug-in-Hybride komplett gestrichen und für teure Elektrofahrzeuge zumindest deutlich reduziert.
Dennoch können sich Besitzer von Elektrofahrzeugen freuen, denn mit der Novellierung der 38. BImSchV – Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – steht ein neues Mittel mit enormer Lenkungswirkung bereit: die Treibhausgasminderungsquote, kurz THG-Quote. Hintergrund ist hier, dass Mineralölunternehmen wie Aral, Shell, BP und Co. verpflichtet sind, die entstandenen Treibhausgase durch den verkauften Kraftstoff bis zum Jahr 2030 maßgeblich zu senken. Da die gesteckten Ziele nicht oder nur teilweise mit der Beimischung von Bioethanol erreicht werden, können sich diese Firmen die erreichten CO2-Einsparungen von Dritten – wie beispielsweise Fahrern von E-Fahrzeugen – anrechnen lassen.
Da private E-Mobilisten kaum ausreichend große Fahrzeugflotten bündeln können, um direkt in Verhandlungen mit den Mineralölkonzernen zu gehen, hat sich ein enorm dynamischer Markt mit sogenannten Poolingdienstleistern entwickelt. Diese Dienstleister kümmern sich um die Abwicklung, Bündelung, Verhandlung und Auszahlung der THG-Quote an den Kunden. Dabei ist der Markt gerade sehr dynamisch – und neben Startups übernehmen zwischenzeitlich auch Vermietungen, Versicherungen und Energiekonzerne die Abwicklung.
Nur eine Frage der Prämienhöhe?
Die THG-Dienstleister buhlen derzeit mit verschiedenen Instrumenten um die Registrierung der E-Mobilisten. Daher haben wir uns einmal umgehört und versucht herauszufinden, welche Kriterien den Kunden am wichtigsten sind. Dabei steht ziemlich deutlich an erster Stelle die Prämienhöhe, jedoch haben sich auch weitere Punkte erhärtet, die für wichtig gehalten werden. Eine gewissen Anteil daran trägt das Umweltbundesamt, denn dort dauert die übliche Zeit zur Zertifizierung derzeit etwa 16 Wochen.
Entsprechend gehen einige Dienstleister in Vorkasse und zahlen innerhalb weniger Tage, dafür jedoch etwas weniger Geld aus. Das kommt sehr gut an. Weitere Kriterien wie beispielsweise eine Spendenmöglichkeit, eine schnelle und unkomplizierte Beantragung der Prämie, Transparenz in den AGB der Anbieter oder ein schneller Support rücken dabei weiter nach hinten. In unserem großen Vergleichstest haben wir genau hingeschaut – und auch anhand des Feedbacks unserer Leser eine Gewichtung vorgenommen.
Wer bekommt die THG-Prämie?
Zwei Räder und e-PKW (nur mit Fahrzeugschein) Es gibt derzeit keine Unterscheidung zwischen Pkw und Zweirad. Daher gibt es auch für beide Klassen bis zu 400 Euro pro Jahr.
E-Nutzfahrzeuge (Klasse N1) Kleinere Nutzfahrzeuge sind etwas lukrativer. Für diese Klasse gibt es
mindestens 525 Euro pro Jahr.
E-Bus (Klasse M3) Busse verbrauchen natürlich deutlich mehr als ein E-Auto. Daher gibt es für diese Fahrzeugklasse mindestens 13.000 Euro pro Jahr.
Öffentliche Ladesäule Zwischen 10 und 19 Cent pro geladene Kilowattstunde (kWh) können Betreiber öffentlicher Ladepunkten bekommen.
So haben wir getestet
Selbstverständlich müssen sich alle THG-Anbieter in unserem Test den gleichen Bewertungskriterien unterordnen. Dabei haben wir für sämtliche Faktoren unterschiedlich Gewichtungen vorgenommen und auf deren Basis eine Gesamtpunktzahl errechnet, die letztendlich die finale Reihenfolge der Anbieter definiert. Die folgenden Kriterien waren für uns essenziell.
1. Prämienhöhe
Die Leser haben entschieden und die Prämienhöhe – unabhängig vom Zeitpunkt der Auszahlung – als wichtigstes Kriterium definiert. Daher gewichten wir die Auszahlung mit 50 Prozent insgesamt sehr hoch. Prinzipiell haben wir den Fokus auf die garantierte Zahlung gelegt. Demnach gehen flexible Tarife, die sich mit dem aktuellen Quotenpreis nach oben oder unten bewegen können, stets mit ihrem garantierten Minimum an Auszahlung in die Gewichtung ein.
Beispiel: Ein Anbieter garantiert 300€ oder flexibel bis zu 470€. Dann gehen 300€ in die Berechnung ein.
2. Zeitpunkt der Auszahlung
Einig sind sich unsere Leser darüber, dass ein gewisser Abschlag für eine Sofortzahlung vertretbar ist. Gerade in der aktuellen Phase, in der das Umweltbundesamt (UBA) für die Zertifizierung bis zu 16 Wochen benötigt, rückte der Auszahlungszeitpunkt deshalb auf Platz zwei. Daher betrachten wir nicht nur, ob der Anbieter auch eine Sofortzahlung innerhalb weniger Tage anbietet, sondern auch wie lange die Zahlung nach der Zertifizierung durch das UBA dauert. Entsprechend der Umfrage geht dieser Aspekt mit 20 Prozent in die Gesamtbewertung ein.
3. Internet-Auftritt
Da der gesamte Ablauf von der Registrierung bis zur Auszahlung der Prämie digital abläuft, haben wir uns den jeweiligen Webauftritt der Anbieter genauer angeschaut. Im Detail wird hierbei betrachtet, wie einfach die Anmeldung funktioniert, wie logisch die Webseiten aufgebaut sind und ob es beispielsweise ein Portal für den Kunden gibt, bei dem der Fortschritt der Zertifizierung transparent dargestellt wird. Auch hier haben wir 15 Prozent der Gesamtgewichtung einbezogen.
4. Vertragslaufzeit, Bindung an den Anbieter
Gibt es einen Bonus, wenn ich mich direkt für mehrere Jahre an den Anbieter binde? Oder sind die Bedingungen so schwammig formuliert, dass ich automatisch im Folgejahr an den Anbieter gebunden bin? Diesen Fragen gehen wir ebenfalls nach und bewerten dies mit 10 Prozent.
5. Spendenbereitschaft
Einige Anbieter in unserem Vergleich zeigen ein ganz besonderes Engagement. Denn mit Spenden in die Energiegerechtigkeit, gepflanzten Bäumen für einen CO2-Ausgleich oder besonderen Lösungen für Geschäftskunden zeigen diese THG-Anbieter etwas mehr Engagement. Dieser Aspekt soll Beachtung finden,
wir vergeben in dieser Kategorie weitere 5 Prozent für die Gesamtbewertung.
Klare Zahlen: Insgesamt haben wir 55 THG-Anbieter getestet, wobei 17 Anbieter aus dem Vergleich herausgefallen sind. In zwei Fällen handelt es sich um sogenannte 100%-Zahler (siehe Infobox), ein Anbieter existiert derzeit nicht mehr, in zwei Fällen haben wir Betrug aufgedeckt und drei Seiten arbeiten mittlerweile mit anderen THG-Anbietern aus unserem Test zusammen und verweisen auf diese. Insgesamt neun Anbieter haben so unklare Bedingungen und widersprüchliche Aussagen verwendet, dass wir uns entschieden haben, diese nicht mit aufzunehmen.
Besonderheiten für Firmenkunden
Firmenkunden (B2B) haben nicht nur besondere steuerliche Aspekte zu beachten, sondern häufig auch besondere Ansprüche an die Quotenanbieter. Einige Anbieter haben sich entsprechend komplett auf Business-Kunden ausgerichtet und andere THG-Anbieter bieten als Erweiterung besondere Dienstleistungen an.
In Abgrenzung zur Privatperson, haben Business-Kunden häufig eine Vermittlerrolle inne. Hierbei werden beispielsweise die Quoten für Autohauskunden beantragt oder diese werden auf spezielle gebrandete Seiten weitergeleitet. Entsprechend bieten viele Anbieter auch sogenannte Whitelabel-Lösungen oder iFrames für die Webseiten der Autohausbesitzer an. Weiterhin ist es oftmals möglich, dass über bestimmte Monitoringsysteme der Status mehrere Anträge eingesehen und geordnet werden.
Eine weitere Besonderheit stellt die Provision für vermittelte Quoten dar. Im privaten Umfeld spielt das nur bedingt eine Rolle, doch gerade Beratungsfirmen wie auch Autohäuser, Zulassungsdienstleister oder Influencer profitieren von einer anteiligen Provision für die Vermittlung der THG-Quoten an Kunden. Entsprechend müssen die Anbieter selbst – oder über geeignete Dienstleister – ein Affiliate-System mit einem Tracking zur Verfügung stellen.
Kritik an der Quotenregelung
Grundsätzlich herrscht derzeit Konsens darüber, dass der Verkehrssektor ein großer CO2-Produzent ist und entsprechend den menschengemachten Klimawandel unterstützt. Jedoch wird das Instrument der Treibhausgasquotenhandel in Foren und Veröffentlichungen teils kritisch betrachtet.
Die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace Deutschland, der Deutsche Naturschutzring, WWF Deutschland, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, der Verkehrsclub Deutschland und Robin Wood nehmen gemeinsam Stellung zur THG-Quote und kritisieren, dass es einer ganzheitlichen Mobilitätstransformation bedarf um den Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz zu garantieren. Entsprechend fordern diese Organisationen eine signifikante Reduktion des motorisierten Individualverkehrs, den Ausbau des Rad- und Fußverkehrs, eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, die umfassende Verlagerung des Flug- und Schwerlastverkehrs auf die Schiene sowie ein rasches Verbot der Zulassung von Verbrennungsmotoren in Autos. Jedoch kann genau hier die THG-Quote – insofern diese für E-Roller bestehen bleibt – einen gewissen Lenkungseffekt hin zu kleineren und sparsameren Fahrzeugen erzeugen.
Weiterhin reduziert die THG-Quote allein natürlich nicht CO2-Emmisionen, sondern verteuert Treibstoffe. Durch den Quotenhandel erhalten die Mineralölkonzerne zudem recht „unkompliziert“ die Möglichkeit die Emmissionsvorgaben einzuhalten, ohne ihr Verhalten grundsätzlich und nachhaltig zu ändern. Weiterhin ist geregelt, dass der Staat ungenutzt Quoten versteigern und für sich vereinnahmen kann. Jedoch fehlt bisher dafür eine Durchführungsverordnung.
Steuerlicher Aspekt der THG-Quote
Anfangs war noch unklar, ob die THG-Prämie steuerpflichtig ist oder nicht. Zwischenzeitlich hat das Bundesfinanzministerium festgelegt, dass die Auszahlung für E-Fahrzeuge im Privatbesitz steuerfrei ist. Handelt es sich bei dem Fahrzeug um ein Firmenfahrzeug oder einen Dienstwagen, so gelten jedoch abweichende Regelungen.
Fahrzeug ist... | Steuerliche Beurteilung |
Betriebsvermögen | Erhaltene Zahlungen sind Betriebseinnahmen und damit als Teil des Gewinns steuerpflichtig. |
Privatvermögen | Der Erlös aus dem Verkauf der THG-Quote ist keiner Einkunftsart zuzuordnen. Erhaltene Zahlungen sind daher „privat“ und unterliegen nicht der Einkommensteuer. |
Dienstwagen | Bei der Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs an Arbeitnehmer ist regelmäßig der Arbeitgeber der Fahrzeughalter. Die Prämie steht daher im Regelfall dem Arbeitgeber zu. Lohnsteuerliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer ergeben sich dann nicht.
Anders verhält es sich jedoch in den (Sonder-)Fällen, in denen der Arbeitnehmer die Prämie vereinnahmt, weil er Halter des Fahrzeuges ist oder weil der Arbeitgeber als Fahrzeughalter dem Arbeitnehmer eine Bestätigung für den Quotenhandel erteilt hat. Hier liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.
Unabhängig davon, wer die Prämie erhält, gilt für die Dienstwagenbesteuerung: Wird die sogenannte Fahrtenbuchmethode angewendet oder greift die sogenannte Kostendeckelung, mindert die Prämie die Gesamtkosten des Fahrzeuges und reduziert damit in diesen Fällen den steuerpflichtigen Nutzungsvorteil aus der Fahrzeugüberlassung. |
Risiken
Aktuell gibt es einen Wildwuchs an THG-Anbietern. Entsprechend hoch ist auch das Risiko, an einen unseriösen Anbieter zu geraten. Dabei muss es nicht einmal zu einem Zahlungsausfall kommen. Es reicht, wenn die finalen Erlöse beispielsweise von den Werbevorgaben abweichen. Aktuell sind die häufigsten Risiken für den Antragsteller die folgenden:
Der Veranlagungszeitraum wird falsch vorgegeben
Anbieter werben in diesem Fall mit einer besonders hohen Prämie und erst in den AGB oder gar im Chat wird ersichtlich, dass sich die Quote auf zwei Jahre erstreckt.
Automatische Bindung auch im Folgejahr
Aufgrund einer schwammigen Formulierung in den AGB sind die Kunden zusätzlich noch im Folgejahr an den Anbieter gebunden. Teilweise wird in den AGB auch auf eine Frist zum Widerspruch hingewiesen und grundsätzlich von zwei Jahren Veranlagung ausgegangen.
Hundertprozentige Auszahlung
Aktuell gibt es zwei Anbieter, die es nicht in unseren Vergleich geschafft haben. Die Internet-Seite thg-experten.de und der Anbieter Instadrive werben mit einer Auszahlung von hundert Prozent. Weil hierbei jedoch kein Festbetrag angegeben ist und zudem die Auszahlung nicht kontrolliert werden kann, haben wir diese Anbieter aus unserem Test entfernt.
THG-Quote für Ladeinfrastruktur und E-Roller
Obwohl oftmals nur von Elektroautos in Verbindung mit der THG-Quote die Rede ist, gilt diese Quote natürlich auch für andere Fahrzeugklassen. Bei fast allen THG-Anbietern ist der Antrag auch für Nutzfahrzeuge, Busse, Zweiräder oder öffentliche Ladeinfrastruktur möglich. Besonders interessant ist bei E-Rollern, die ausschließlich ein Versicherungskennzeichen erhalten, die Möglichkeit der freiwilligen Zulassung. Allerdings wurde bereits von einigen Zulassungsämtern bestätigt, dass diese Praxis nicht mehr durchgeführt werden soll bzw. aktiv durch verschiedene Vorgaben behindert wird. Hier wird die Zukunft zeigen, ob die THG-Quote in dieser Klasse weitergeführt werden kann oder ob es eine eigene Kategorie dafür geben wird.
THG-Quote in Österreich
Nicht nur Deutschland hat ein großes Interesse daran CO2-Einspareungen zu erreichen. Auch in Österreich möchte man den Emissionsausstoß jedes Jahr um rund sieben Prozent senken, um so bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Erreicht werden kann das ambitionierte Ziel nur durch eine Verkehrswende, bei der Elektroautobesitzer bereits heute aktiv partitionieren. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es aber im Nachbarland eine abweichende Gesetzgebung und verkehrsrelevante Emissionen sind bisher noch nicht Teil des europäischen Zertifikatshandelssystem EU-ETS.
Bis jetzt, denn endlich zieht auch in Österreich der erste Anbieter nach und bietet eine Prämie von maximal 82 Euro pro Jahr an - immerhin! Ein Hauptgrund für die deutlich geringere Prämie sind die unterschiedlichen Strafen für Mineralölkonzerne. Während diese in Deutschland bei der Nichterfüllung der vorgeschriebenen CO2-Einsparungen nämlich bis zu 600 Euro pro Tonne CO2 an Strafgebühr entrichten müssen, beträgt diese in Österreich nur 15 Euro. Diese Differenz wird sich laut dem ersten THG-Anbieter epuls aber in den Folgejahren an das deutsche Niveau angleichen.
Die Sieger
Sehr gut 88,50 / 100
Sehr gut 88,13 / 100
Sehr gut 88,13 / 100
Sehr gut 84,00 / 100
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