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AutorenbildHartmut Schumacher

Zweites Leben oder Recycling: Was geschieht mit den E-Auto-Akkus?

Die Lithium-Ionen-Batterien in Elektroautos sind wahre Wunderwerke der Technik, halten jedoch keineswegs ewig: Nach etwa acht Jahren haben sie in der Regel das Ende ihrer Dienstzeit erreicht. Momentan ist das noch kein großes Problem, da es bislang relativ wenige Elektroautos gibt. Wenn aber tatsächlich, wie die Bundesregierung es sich vorstellt, im Jahr 2030 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sein werden, kann man sich mit ein klein wenig Grundschul-Mathematik ausrechnen, dass spätestens ab Mitte der 30er Jahre eine große Menge an ausgemusterten Elektroauto-Batterien auf uns zukommt.


Diese Akkus einfach zu verschrotten, das ist natürlich keine Lösung. Denn in einer typischen Elektroauto-Batterie befinden sich mehrere Dutzend Kilo wertvoller Materialien, darunter Graphit, Kobalt, Nickel, Mangan und Lithium (siehe Diagramm „Rohstoffe im Akku“). Nicht ohne Grund macht die Batterie einen großen Teil des Kaufpreises eines Elektroautos aus, meist etwa ein Drittel. Abgesehen vom rein materiellen Wert handelt es sich bei den Bestandteilen um Stoffe, die in nur begrenzten Mengen auf diesem Planeten vorhanden sind, meist importiert werden müssen und mit denen es daher sparsam umzugehen gilt.



Das zweite Leben


Doch glücklicherweise gibt es zwei Lösungen für dieses Problem – die einander zudem ergänzen: Zum einen lassen sich ausgemusterte Elektroauto-Batterien einem zweiten Leben zuführen. Zum anderen ist es möglich, die Batterien in ihre Bestandteile zu zerlegen und sie weitgehend wiederzuverwerten. Im Idealfall beginnt nach der Zeit im Auto das zweite Leben der Batterie, und erst danach wird sie recycelt.


Theoretisch ließen sich Batterien in Elektroautos für Laufzeiten von über 500.000 Kilometern verwenden. Allerdings haben sie nach etwa 160.000 Kilometern, also etwa nach acht Jahren, lediglich noch eine Kapazität von etwa 70 bis 80 Prozent. Das schränkt die Reichweite des Elektroautos merkbar ein. Will man das Fahrzeug also weiterverwenden, muss man die Batterie austauschen lassen.


Die alte Batterie ist jedoch alles andere als nutzlos. Denn für den stationären Einsatz ist ihre Kapazität noch vollkommen ausreichend. Das liegt erstens daran, dass in diesem stationären Einsatz keine Reichweitenangst beim Benutzer auftritt. Und zweitens daran, dass die Batterie weniger stark beansprucht wird als beim Einsatz in einem Fahrzeug, bei dem zum Beschleunigen viel Energie sehr schnell abgerufen werden muss.


Etwa 10 Jahre lässt sich eine ausgemusterte Elektroauto-Batterie in der Regel noch im stationären Einsatz nutzen. Ein konkreter Einsatzzweck besteht darin, zusammengeschaltete Batterien als Stromspeicher für Solar- und Windenergie zu verwenden, um das Stromnetz zu stabilisieren. Auch als Stromspeicher für Photovoltaikanlagen in privaten Haushalten lassen sich ausgediente Elektroauto-Batterien einsetzen oder aber als Bestandteil von flexibel einsetzbaren Ladestationen.



Die Pilotprojekte


Solche Batterien aus zweiter Hand haben den Vorteil, dass sie kostengünstiger als neue Akkus sind und dass ihr CO2-Fußabdruck naturgemäß kleiner ist. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovations­forschung sagt allerdings voraus, dass nur ein Bruchteil der ausgemusterten Antriebsbatterien tatsächlich ein zweites Leben erhalten werde. Weil angesichts der Kosten für einen Batterieaustausch vermutlich viele Autobesitzer den Akku so lange verwenden werden, bis seine Kapazität zu niedrig ist, um für Second-Life-Anwendungen noch geeignet zu sein. Zudem seien im Vergleich zu neuen Batterien höhere Ausfallraten und eine höhere Brandgefahr zu erwarten.Second-Life-Nutzungen in wirklich großem Stil sucht man derzeit noch vergebens. Zu niedrig ist dafür die Zahl der bereits ausgemusterten Batterien. Es gibt allerdings etliche Pilotprojekte, in denen Automobilhersteller und andere Unternehmen Second-Life-Einsatzzwecke testen.


Bereits Ende 2022 haben beispielsweise der Fahrzeughersteller Audi und der Energieversorger EnBW Energie Baden-Württemberg in Heilbronn einen neuen Batteriespeicher in Betrieb genommen, der aus zwölf Hochvolt-Batteriesystemen besteht, die aus zerlegten Audi-Entwicklungsfahrzeugen stammen. Zusammengeschaltet bringen die Akkus es auf eine Leistung von einem Megawatt – genug, um etwa eine Stunde lang den Stromverbrauch von etwa 3.000 Haushalten zu decken. Die Anlage dient als Referenz für vier Projekte, die EnBW in näherer Zukunft verwirklichen möchte.


Schon im Jahr 2016 haben der Fahrzeughersteller BMW, der Automobilzulieferer Bosch und der Energieversorger Vattenfall im Hamburger Hafen einen Großspeicher mit einer Kapazität von zwei Megawatt errichtet, für den etwa 2.600 Batteriemodule aus mehr als 100 BMW-Elektrofahrzeugen zusammengeschaltet wurden. Eingesetzt wird der Speicher, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn baut seit Juli 2023 an mehreren Standorten Stromspeicher, die aus gebrauchten Batterien von Kia-Elektroautos bestehen. Ab 2023 startet das Unternehmen die Serienproduktion von mehreren Hundert solcher Stromspeicher. Gedacht sind sie für „alle Unternehmen mit einem hohen Energiebedarf und dem Fokus auf Erneuerbare Energien“.


Eine ganz andere Art der Second-Life-Nutzung hat sich die Audi-Umweltstiftung zusammen mit dem gemeinnützigen deutsch-indischen Start-up Nunam einfallen lassen: Sie haben drei elektrische Rikschas gebaut, die von gebrauchten Batterien aus e-tron-Testfahrzeugen angetrieben werden. Die Rikschas ermöglichen es seit Anfang 2023 speziell Frauen, ihre selbst produzierten Waren zu Märkten zu transportieren, um sie dort ohne Zwischenhändler zu verkaufen.


So funkioniert das Recycling


Um die Materialien, die in einer Batterie enthalten sind, wiederverwerten zu können, müssen sie zunächst einmal voneinander getrennt werden. Dies geschieht in mehreren Schritten: Erst werden die Batterien manuell zerlegt, um es zu ermöglichen, an die eigentlichen Batteriezellen zu gelangen.


Für den zweiten Schritt gibt es zwei grundlegend verschiedene Vorgehensweisen: Die derzeit noch verbreitetste Methode ist die thermische Verwertung. Dabei werden die Batteriezellen bei hohen Temperaturen eingeschmolzen. Aus der entstandenen Schmelze lassen sich dann durch hydrometallurgische Prozesse die Bestandteile wie Kobalt, Nickel und Kupfer wiedergewinnen. Recycling-Quoten bis zu 70 Prozent sind derzeit auf diese Weise möglich. Allerdings benötigt dieses Verfahren relativ viel Energie und lässt giftige Dämpfe entstehen, die aus der Abluft herausgefiltert werden müssen.



Alternativ dazu existiert das mechanische Zerkleinern. Dabei werden die Zellen zerschreddert, wobei die Zuführung von Stickstoff verhindert, dass die Materialien durch elektrische Kurzschlüsse entflammen. Durch Verdampfen und Kondensieren der geschredderten Masse entsteht ein trockenes Granulat, das sich dann mit Hilfsmitteln wie Magnete, Siebe und Gebläse in die einzelnen Bestandteile trennen lässt. Mit dieser Methode lassen sich Recycling-Quoten von über 90 Prozent erreichen.


Neben physikalischen und chemischen Herausforderungen sorgt auch ein relativ banaler Grund für Probleme beim Recycling: Die Hersteller der Batterien berücksichtigen derzeit noch nicht ausreichend die Erfordernisse des Recycling-Vorgangs. Beispielsweise sind die Batteriezellen fest miteinander verschweißt, was das Zerlegen in ihre Einzelteile erschwert. Zudem sind die Batterien je nach Hersteller unterschiedlich aufgebaut, wodurch eine automatische Demontierung verhindert wird.


Recycling


Das Wiederverwertung der Batterien von Elektroautos ist in technischer Hinsicht bereits gelöst. Die verwendeten Methoden müssen jedoch noch weiter optimiert werden, um sich an veränderte Batterie-Designs und chemische Zusammensetzungen anpassen zu können.


Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI wird das Volumen an zu recycelnden Lithium-Ionen-Altbatterien und Batteriekomponenten ab dem Jahr 2030 etwa 230 Kilotonnen pro Jahr betragen und ab 2040 etwa 1.500 Kilotonnen pro Jahr. Mittelfristig tragen dazu Antriebsbatterien von Elektrofahrzeugen den größten Teil bei. Bis 2030 werden laut der Deutschen Rohstoffagentur allerdings noch Produktionsschrotte den größeren Anteil ausmachen.


„Um derartige Recyclingmengen bewältigen zu können, müssen die Recyclingkapazitäten [...] deutlich ausgebaut werden“, erläutert Dr. Christoph Neef, der Koordinator der ISI-Studie. „Dafür wird in Europa Anlagentechnik benötigt, die je nach Geschwindigkeit des Marktwachstums und des globalen Anteils europäischer Recyclingkapazitäten Investitionen in Höhe von etwa 6,6 Mrd. Euro bis 2040 erfordern.“


Derzeit existieren in Europa etwa 50 Anlagen zum Recyceln von Lithium-Ionen-Batterien. 14 davon befinden sich in Deutschland. Auch Frankreich und Großbritannien sind mit fünf beziehungsweise vier Anlagen recht aktiv auf diesem Gebiet. Die Recycling-Kapazitäten der europäischen Anlagen liegen zurzeit bei etwa 150 Kilotonnen pro Jahr.


Christoph Neef betont auch die Beschäftigungspotenziale des wachsenden Batterierecycling-Marktes: „Für die Belieferung der europäischen Recyclingindustrie sehen wir im Maschinen- und Anlagenbau ein globales Potenzial von ca. 570 Arbeitsplätzen bis 2030, bis 2040 könnten sogar ca. 3.800 Arbeitsplätze entstehen.“ Daher könne es für den europäischen Maschinen- und Anlagenbau lohnenswert sein, seine Wettbewerbsposition auszubauen, um von den Beschäftigungspotenzialen dieses wachsenden Marktes zu profitieren.


Konkreter Ausblick


Es gibt einige Bemühungen, das Recycling von Elektroauto-Batterie noch effizienter zu gestalten: Im Projekt AdRecBat zum Beispiel, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, beschäftigen sich seit Februar 2023 an mehreren deutschen Instituten Wissenschaftler mit der Frage, wie sich Lithium-Ionen-Batterien so gestalten lassen, dass es möglich ist, die verwendeten Materialien am Ende des Batterielebens problemlos voneinander zu trennen.


Ein weiteres Projekt forscht unter der Federführung der Volkswagen AG seit Juni 2022 an Methoden, die es erlauben, die wertvollsten Bestandteile von Antriebsbatterien durch Recycling sogar mehrfach zurückzugewinnen und wieder einzusetzen. Einer der Ansätze besteht in einer weitgehend automatisierten Demontage von Batteriesystemen bis auf die Zell- oder Elektrodenebene.


Beim Produzieren von Antriebsbatterien für Elektrofahrzeuge müssen die Hersteller eine gewisse Mindestmenge an recyceltem Material verwenden. (Bildquelle: Mercedes-Benz AG)

Neue EU-Batterie-Verordnung


Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament haben sich Ende 2022 auf eine Verschärfung der Nachhaltigkeitsvorschriften für Batterien und Altbatterien geeinigt. Eine entsprechende Verordnung wird voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2023 in Kraft treten.


Unter anderem schreibt die Verordnung vor, dass Industriebatterien, Starterbatterien und Antriebsbatterien eine Mindestmenge an recyceltem Material enthalten müssen. Ab 2030 beträgt diese Menge für Kobalt 16 Prozent, für Blei 85 Prozent, für Lithium sechs Prozent und für Nickel sechs Prozent. Ab 2035 werden die Mindestmengen für Kobalt (26 Prozent), Lithium (12 Prozent) und Nickel (15 Prozent) erhöht.


Bundesumweltministerin Steffi Lemke erläutert: „Batterien sind ein zentraler Baustein für eine erfolgreiche Energiewende. Sie speichern Energie für Elektroautos, Elektrogeräte oder aus Solaranlagen in Wohnhäusern. Doch Batterien enthalten auch wertvolle Rohstoffe und Schadstoffe. Was gut für den Klimaschutz ist, darf nicht zu mehr Raubbau an der Natur und Schäden in der Umwelt führen. In der EU wollen wir Batterien künftig so nachhaltig wie möglich produzieren, lange nutzen und übers Recycling im Kreislauf weiterführen.“

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