BYD: Zwei Power-Frauen treiben die globale Expansion voran
- Beatrice Bohlig
- 12. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Zwei Damen von Welt treiben mit ihren Teams die globale Expansion des
BYD-Konzerns voran. Maria Grazia Davino erschließt als Regionaldirektorin die europäischen Kernmärkte wie Deutschland, Österreich und die Schweiz, während Stella Li, die mächtige Mitstreiterin von Unternehmensgründer Wang Chuanfu, unter anderem die Luxusmarke Denza mit ebenso klarer Strategie positioniert.
Bild Links: Etabliert Auf dem Kontinent - Regionaldirektorin Maria Grazia Davino kam vom Stellantis-Konzern zu BYD.
Bild Rechts: Aus der Zentrale - Stella Li wurde aus China entsandt, um das Wachstum in Europa zu beschleunigen. (Fotos: Stellantis, BYD)
Dreieich also, ausgerechnet Dreieich. Außerdem Mailand. Hier die zweitgrößte Kommune im hessischen Landkreis Offenbach. Dort die stolze Modehauptstadt Italiens. Zwei Orte mithin, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Die in diesen Tagen jedoch geschäftlich verbunden sind – hier wie da präsentiert der chinesische Fahrzeughersteller BYD seine neuen Modelle.
Im 10 Kilometer südlich von Frankfurt gelegenen Dreieich fährt BYD das kompakte SUV Atto 2 für das volumenstarke B-Segment vor: Über das sogenannte Launch-Angebot ist der 130-kW-Fronttriebler mit „2.000 Euro Preisvorteil“ zu haben, also bereits ab 29.990 Euro.
In der norditalienischen Metropole Mailand wiederum stellen die Oberen der BYD-Luxusmarke Denza wenig später ihr neues Flaggschiff vor, den – nach vorläufigen Angaben – 710 Kilowatt starken Shooting Brake Z9 GT. Dessen Preis halten die Chinesen zwar noch geheim. Sie widersprechen jedoch nicht, wenn das Niveau mit gewissem Respektabstand zum Porsche Taycan veranschlagt wird – den es neu ab 102.600 Euro gibt.
Mit zwei auf ihre jeweils ganz eigene Weise spannenden Stromern kann sich electricar folglich beschäftigen. Mindestens genauso interessant sind allerdings die beiden Frauen, die bei besagten Pkw-Premieren die Schlüsselrollen spielten: Maria Grazia Davino und Stella Li.

Kauffrau von Kindesbeinen an
Denn Maria Grazia Davino hatte bereits eine steile Karriere im Mehrmarkenkonzern Stellantis hingelegt, bevor sie dem Ruf von BYD folgte. Dort wirkt die 1978 geborene Topmanagerin nun als Europe Regional Managing Director, mit Zuständigkeit für die zentralen Absatzmärkte Deutschland, Österreich und Schweiz. Neben den DACH-Ländern verantwortet Davino auch das BYD-Geschäft in Polen, Ungarn sowie in der Tschechischen und der Slowakischen Republik.

Stella Li, Jahrgang 1970, ist Vice President von BYD. In ihrer betont bescheidenen Art würde sie den hohen Rang wohl wegzulächeln versuchen, aber hinter BYD-Gründer und President Wang Chuanfu ist Stella Li faktisch die Nummer zwei bei dem chinesischen E-Autoprimus. Auch ihr Name steht hinter der atemberaubend schnellen Expansion des Unternehmens aus dem Reich der Mitte hinaus in die Welt: Ob Hongkong, Rotterdam oder Chicago – die beruflichen Stationen von Stella Li lesen sich wie klangvolle Destinationen global operierender Airlines.

Inzwischen drängen zig chinesische Autoanbieter mit Macht auf neue Märkte, das ist hinlänglich bekannt. Woher jedoch nehmen sie den schon legendären „China Speed“, das oft aberwitzig anmutend hohe Tempo ihrer Expansion? Was hat es bei BYD und Denza mit der bemerkenswerten Frauenpower aus und für Fernost auf sich? Woher etwa nimmt die Italienerin Davino ihre Kraft, wie genau definiert Stella Li aus China das Wort Stärke? Und welche sind die Treiber hinter ihrem geschäftlichen Spürsinn?
Maria Grazia Davino nimmt sich viel Zeit für electricar, um sich und ihre Philosophie zu erklären. „Mein Vater war ein vielseitiger Geschäftsmann, die Familie meiner Mutter leitete seit den frühen Fünfzigerjahren ein Unternehmen“, so blickt die Italienerin zurück. Und weiter: „’Schaffen‘ war ein Fundament meiner Ausbildung, früh morgens aufzuwachen, Anweisungen zu geben und mit gutem Beispiel voranzugehen“.
Schon mit sechs Jahren habe sie den örtlichen Eismann gefragt, wie viel Geld er denn so verdiene und was er dafür investieren müsse. „Dank meiner Großmutter hatte ich einerseits eine katholische Kindheit, andererseits aber dank meiner Eltern eine sehr offene, künstlerische Atmosphäre“, sagt Davino. „Ich war immer von Menschen umgeben, die viel älter waren als ich, und aus verschiedenen Gründen musste ich schnell wachsen“. Und sie betont: „Unabhängigkeit im Denken, Empathie und eine ausgeprägte Beharrlichkeit sind die Ressourcen, die ich aus meiner Kindheit mitbringe“.
Entsprechend souverän stellt Davino in Dreieich die Meilensteine von BYD auf dem Weg nach oben vor – und leitet dann selbstbewusst zu den Reden ihrer Führungskräfte rund um die Technik des Atto 2 über: „Weltweit ist BYD der erste Automobilhersteller, der zehn Millionen elektrifizierte Fahrzeuge verkauft hat“, so lässt sie wissen, das sei „ein historischer Schritt“.

Veganes Leder statt Vinyl
Der Atto 2 soll helfen, diese Erfolgsgeschichte fortzusetzen. Eine „Blade-Batterie mit 45,12 kWh“ beispielsweise lobt Patrick Schulz, Sales Director Germany, am neuen Viertürer, zeitgemäße Funktionalitäten via Android Auto und Apple Carplay sowie die beruhigende Garantie von acht Jahren respektive 150.000 Kilometern Laufleistung auf Elektromotor und Steuereinheit. So überzeugt ist Schulz von den Vorzügen „seines“ Produkts, dass er es auf dem XXL-Bildschirm hinter sich mit fünf ausgesuchten Rivalen vergleichen lässt: Demnach bietet das zumeist deutlich teurere Autoquintett der Konkurrenten etwa nur „Stoff“ und „Vinyl“ bei den Sitzbezügen, wo BYD mit „veganem Leder“ glänzen möchte.

Auch Stella Li schätzt den „modernen Fünfkampf“: Bei der Enthüllung des Z9 GT erläutert sie die fünf Buchstaben im Markennamen Denza. Das „D“ stehe für „Diverse“, was sich mit „vielfältig“ ins Deutsche übersetzen lässt. „E“ bedeute „elegant“. Von „Novel“ wie „neuartig“ stamme das „N“. Der Buchstabe „Z“ sei dem Begriff „Zenith“ entlehnt und solle somit in jeder Hinsicht an den höchsten Punkt erinnern. Schließlich ein „A“ – für „Aspirational“, also anspruchsvoll.
Für jede der fünf Kategorien haben Stella Li und ihr Team gleich etliche Beispiele parat. Hier allerdings soll jeweils eines genügen: Denza sei der erste Premiumanbieter, dessen komplette Modellpalette aus New-Energy-Vehicles, kurz NEV, bestehe, sagt Stella Li auf der Bühne in Mailand – es belege das „D“, die ganze Vielfalt der Fahrzeugfamilien im Unternehmen.

Deutsches Design
Das „E“ aus Eleganz kreise um den zentralen Markenwert Denzas, die vom deutschen Designer Wolfgang Egger verantwortete Farben- und Formensprache der Autos à la Z9 GT. Später, beim Dinner, wird Egger, der einst federführend unter anderem den Stil von Alfa Romeo, Seat und Audi prägte, der electricar-Autorin ausführlich darlegen, wie sich konventionelle Knöpfe, Hebel und Tasten auf elegante Art in ein ansonsten von Displays dominiertes Denza-Interieur integrieren lassen.
„N“ wie „Neu“ ist selbst für das notorische Nobellabel Denza die geradezu verschwenderisch reichhaltige Bestückung des Z9 GT mit High-End-Beschallung aus dem Hause Devialet. Das „Z“ ist ohnehin klar, steht besagter Starkstromer – satte 5,18 Meter lang bei rund zwei Metern in der Breite – doch für den zumindest vorläufigen Höhepunkt der Denza-Palette.


Kraftwagen im Krabbengang
Anspruchsvoll schließlich ist keineswegs nur die Hinterradlenkung des Z9 GT, die seitliche Einparkmanöver im spektakulären „Krabbengang“ ermöglicht – und in Verbindung mit gegenläufig rotierenden Rädern das Drehen des Fahrzeugs auf der Stelle. Letzteres wird neben staunenden Passanten den Reifenerstausrüster Continental entzücken, denn wie die dicken schwarzen Striche auf dem Testgelände von Denza unweit von Mailand belegen, geht jedes Wendemanöver einher mit allerlei Abrieb an den kostspieligen Premiumpneus.
Wozu die Chinesen diesen enormen Aufwand betreiben?
„Technology drives Elegance“ – mit diesen drei Worten beschreibt Stella Li die Prämisse für Denza. Frei übersetzt soll dies so viel bedeuten wie: Die Technologie bestimmt die Eleganz.
Mit Blick auf BYD formuliert Maria Grazia Davino eines ihrer Leitmotive so: „Wir wollen dort sein, wo die Menschen sind.“
