Stellantis Pro One: Batteriegetriebene Transporter und Wohnmobile nach Maß
- Armin Grasmuck

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Der erste Eindruck ist skurril. Wie Skelette aus Stahl stehen die Rahmen der zukünftigen Lieferwagen in der riesigen Fabrikhalle. Zu Dutzenden. Fahrzeuge im Rohzustand, ohne Sitze, Scheiben, Motoren und Räder. In diesem Augenblick fällt es schwer zu glauben, doch viele dieser Modelle sind nur wenige Stunden später frisch produzierte Transporter mit allem Drum und Dran. Das Werk von Stellantis Pro One in Atessa, nahe der Adriaküste am Fuß der Abruzzen und gut 250 Kilometer östlich von Rom, ist die europaweit größte Produktionsstätte für leichte Nutzfahrzeuge – ein Maßstab für die Branche.

Auf mehr als 1,2 Millionen Quadratmetern bauen hier gut 4500 Fachkräfte in 50 Schichten pro Woche hauptsächlich Transporter, Pick-ups und Plattformen der Marken Fiat Professional, Citroën, Peugeot und Opel. Das sind mehr als 1200 Karosserievarianten und 2500 Versionen auf einer einzigen, 15 Kilometer langen Produktionslinie – darunter klassische Nutzfahrzeuge und die Grundmodelle etwa für Bäckereien, Feuerwehr und Wohnmobile. 80 Prozent der in Atessa produzierten Fahrzeuge werden in 75 Länder exportiert.
Eine besondere Qualität, für die dieses Pro-One-Werk steht, sind die sechs Custom-Fit-Center, in denen die Transporter individuell nach den Wünschen der Kunden optimiert werden können. Da geht es beispielsweise um spezielle Aufbauten, Dachträger, Werkzeugschränke oder Signalanlagen. Die Ziele der Stellantis-Oberen sind ambitioniert: Im Jahr 2027 sollen 40 Prozent der in Atessa produzierten Fahrzeuge personalisiert ausgeliefert werden.
Starke Leistungsdaten
Der neue große Kastenwagen Cargo Box BEV, den Stellantis in dem italienischen Werk fertigen wird, passt perfekt zu dieser Strategie. Es ist das leistungsstärkste im Portfolio der leichten, rein elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeuge im Konzern, bietet das außergewöhnlich große Ladevolumen von 18,3 Kubikmetern. Die Batterie fasst 110 Kilowattstunden, sie soll Reichweiten von mehr als 320 Kilometern nach WLTP-Standard ermöglichen. Leistung 200 Kilowatt, also 270 PS, maximales Drehmoment 410 Newtonmeter – so lauten die weiteren Kernfakten.
„Die Einführung des Cargo Box BEV bestätigt den Erfolgskurs dieses Werks, das sich der proaktiven und schnellen Erfüllung der Bedürfnisse unserer professionellen Kunden verschrieben hat, und zwar nach den Grundsätzen der Effizienz, der maximalen Qualität und der schnellen Markteinführung“, sagt Anne Abboud, die Leiterin des Geschäftsbereichs Stellantis Pro One: „Unser Angebot ist in Bezug auf die Breite des Angebots und die Flexibilität unübertroffen.“

Das Werk in Atessa wirkt diesbezüglich wie eigenes Ökosystem der Produktion. 14 Motoren, vier Getriebetypen, acht Transportergrößen und mehr als 300 stilistische Optionen – hier soll prinzipiell jeder Geschäftsbetrieb individuell betreut und letztendlich zufrieden gestellt werden können.
550 zertifizierte Partner
Um den Grad der Kundenzufriedenheit nachhaltig zu steigern, arbeitet Stellantis kontinuierlich daran, Custom Fit gezielt weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch das Netzwerk von mehr als 550 zertifizierten Partnern, mit denen Pro One weltweit kooperiert. Es hilft, die Anliegen der Kunden professionell zu bearbeiten und die Fahrzeuge entsprechend umzurüsten. Auch die Lieferzeiten werden auf diese Weise optimiert.

Selbstverständlich ist auch das Stellantis-Werk in Atessa höchst aktiv und nachhaltig mit der Transformation hin zur Mobilität von morgen beschäftigt. Dieser Wandel ist speziell durch die Produktion des akkubetriebenen Topmodells Fiat E-Ducato dokumentiert. In Atessa laufen auch die elektrischen Varianten der großen Transporter von Citroën, Opel und Peugeot vom Band.
Innerhalb des Konzerns gilt das Werk generell als Vorreiter für die Produktion von elektrifizierten Nutzfahrzeugen. Die Fertigungsprozesse werden hier möglichst innovativ und effizient angelegt. Ein Beispiel: Die Produktion der E-Transporter läuft derzeit noch auf demselben Band wie die der Verbrennermodelle. Erst wenn die Stromer Produktionsmengen erreichen, die eine eigene Linie rechtfertigen, wird umgeplant. Konsequent auf Energie- und Umweltverträglichkeit ist auch die Lackierungsanlage in diesem Werk ausgelegt.
22-kW-Laden serienmäßig
Als klares Indiz für den nachhaltigen Wandel im Bereich der Nutzfahrzeuge darf auch die neue Ladeinfrastruktur bewertet werden. In der gesamten Large-Van-Baureihe von Stellantis ist nun beispielsweise bereits serienmäßig das 22-kW-Laden möglich. Komplette Ladevorgänge sind damit in nur sechs Stunden zu schaffen. Das macht der Betrieb der Transporter spürbar effizienter – speziell was die Einsätze im Geschäftsbetrieb betrifft. Mit der Produktion der batteriegetriebenen Modelle folgt das Werk in Atessa konsequent der Vorgabe des Konzerns, den ökologischen Wandel voranzutreiben und den Bedarf an elektrischen Nutzfahrzeugen europaweit zu bedienen,

Die Bandbreite der elektrischen Nutzfahrzeuge von Stellantis ist groß. Fiat E-Ducato, Opel Movano-e, Peugeot E-Boxer, Citroën E-Jumper – das sind die 3,5-Tonnen-Transporter mit bis zu 200 Kilowatt starken Elektromotoren und der Akkukapazität von 110 Kilowattstunden. Sie sind in verschiedenen Längen, Höhen und Radständen verfügbar und bieten eine Reichweite nach WLTP von bis zu 323 Kilometern.
Umbau von Verbrennern möglich
Dazu kommen die kompakten Elektro-Vans wie Opel Combo, Citroën Berlingo, Peugeot Partner und Fiat Doblo. Sie wurden technisch überarbeitet, bieten mit Batterien von 50 oder 75 Kilowattstunden inzwischen Reichweiten von bis zu 350 Kilometern. Für einige Modelle gibt es auch Varianten mit wasserstoffgetriebenen Brennstoffzellen und Reichweiten bis 400 Kilometer.

Neu im Programm: Leichte Nutzfahrzeuge wie Fiat Scudo, Opel Vivaro, Peugeot Expert und Citroën Jumpy, die ab Baujahr 2016 ursprünglich mit Dieselantrieb gebaut wurden, können bei Stellantis Pro One in Zusammenarbeit mit Qinomic auf vollelektrischen Antrieb nachzurüsten. Dieser Umbau beinhaltet einen 100-kW-Elektromotor und Batterien mit 50 oder 75 Kilowattstunden Kapazität, Reichweiten von 230 bis 330 Kilometer sollen dadurch ermöglich werden.
Marktführer auch bei den Campern
Stellantis Custom Fit – das heißt auch Camper und Wohnmobile. Mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent ist der Konzern die klare Nummer eins in Europa. „Wir sind seit 2006 in diesem Marktsegment tätig und haben nie aufgehört, innovativ zu sein oder mit den Wohnmobilherstellern im ständigen Austausch zu stehen, um gemeinsam mit ihnen die praktischsten und funktionellsten Lösungen zu finden“, sagt Arnaud Leclerc, der Chef von Custom Fit.

Die aktuellen Zahlen sprechen für seine These: Über 75 Prozent aller in Europa zirkulierenden Wohnmobile basieren auf Stellantis-Modellen, speziell auf dem Ducato, der seit 17 Jahren in Folge als bestes Basisfahrzeug ausgezeichnet wurde. Stellantis verkaufte in den vergangenen 20 Jahren mehr als zwei Millionen Wohnmobile auf dieser Basis – die Aufbauten kommen von bekannten Marken aus diesem Segment, etwa Knaus Tabbert, Dethelffs oder Pössl. Aktuell arbeitet Stellantis intensiv an elektrischen Varianten für Camper und Wohnmobile, dazu zählt auch der Cargo Box BEV. Der Konzern plant zeitnah die Funktion Electric Power Take-Off (EPTO), die den E-Fahrzeugen ermöglicht, Strom für andere Geräte mit 400- und 230-Volt-Anschlüssen zu liefern – ideal für Camping.
Europaweit An der Spitze
Stellantis Pro One ist die Sparte für Nutzfahrzeuge des internationalen Automobilkonzerns. Mit den sechs Marken Citroën, Fiat Professional, Opel, Peugeot, Ram und Vauxhall strebt Pro One an, bis spätestens 2027 die weltweite Nummer eins im Geschäft der Nutzfahrzeuge zu werden. Pro One hat im vergangenen Jahr sein gesamtes Portfolio an Transportern optimiert, zwölf neue Modelle in allen Segmenten eingeführt, darunter batteriegetriebene Fahrzeuge der zweiten Generation und auch Varianten mit Wasserstoffantrieb. Im ersten Halbjahr 2024 erreichte Pro One mit dem Marktanteil von über 30 Prozent die Spitzenposition in Europa. Fast ein Drittel des gesamten Nettoumsatzes von Stellantis wird durch Nutzfahrzeuge generiert, was die zentrale Rolle des Bereichs im Konzern unterstreicht. Fotos: Stellantis


