„Das Wichtigste ist absolute Zuverlässigkeit“
- Beatrice Bohlig
- vor 23 Minuten
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Liu Jincheng, Chef des chinesischen Anbieters EVE Energy, spricht über Batterien als innovative Stromspeicher und deren digitale Identität. Der Unternehmer skizziert auch seine forsche Strategie zur Expansion in Europa.
Was war die zentrale Idee des Geschäftsmodells, als Sie und Ihr Team EVE Energy vor 24 Jahren gründeten?
Liu Jincheng: Unser Hauptprodukt sind Lithiumbatterien. Und als deren wichtigstes Merkmal erachten wir eine absolute Zuverlässigkeit. Als wir mit dem Unternehmen begonnen haben, setzten wir uns das klare Ziel, die besten Lithiumbatterien zu produzieren. Das bedeutet nach unserem Verständnis zwingend, die zuverlässigsten Produkte anzubieten. Diese Einstellung hat unser Denken von Anfang an bestimmt – und sie tut es nach wie vor.

Zu Ihren Kunden zählen heute namhafte Automobilhersteller aus aller Welt – wie BMW, General Motors und Hyundai. Wie wichtig ist die lokale Batterieproduktion in Europa, den USA und Südkorea für EVE Energy?
Es hat für uns eine extrem hohe Bedeutung, Batterien lokal produzieren zu können. Denn für global operierende Kunden ist es sehr wichtig, dass EVE Energy ihnen viele Schlüsselprodukte aus der näheren Umgebung zuliefern kann, mit inhaltlicher Unterstützung und technischem Service. Das wird insbesondere auf europäischen Märkten immer relevanter, da spezielle Vorschriften für EU-Märkte bis 2027 festlegen, dass ein gewisser Anteil des Wertes eines Fahrzeugs in den europäischen Märkten hergestellt werden muss.
Deshalb haben wir unsere eigene Fabrik in Ungarn gebaut. Dort stellen wir sicher, dass EVE Energy seinerseits lokale Dienstleister hat. Das ist eine der Voraussetzungen für uns, um in eine Kooperationsbeziehung mit globalen Kunden einzutreten.

Zusätzlich zu unserer EU-Fabrik in Ungarn unterhalten wir Joint-Ventures mit einigen US-Automobilherstellern. Diese Art der Zusammenarbeit in den Vereinigten Staaten von Amerika hilft uns ebenfalls, die Anforderungen an eine lokale Produktion sowie die Umsetzung örtlicher Vorschriften rundum zu erfüllen.
Finden Sie auf dem Heimatmarkt von EVE Energy, in China, genügend Fachkräfte, beispielsweise mit Expertise in Batteriechemie, um das Unternehmen weiter auszubauen?
Sie stellen eine für etliche Unternehmen signifikant drängende Frage. Ich selbst habe mich mit Naturwissenschaften befasst, im Bachelor- und im Master-Studium sowie in meiner Promotion. Und für eine Person, die in diesen Bereichen studiert hat, ist es einfacher, Kontakt zu jungen Talenten und gestandenen Experten zu knüpfen. Zudem erleichtert eine solche Vorgeschichte den Umgang mit Wissenschaftlern, die das gleiche Ziel verfolgen oder zumindest eine ähnliche berufliche Mission verspüren.

Außerdem arbeiten wir eng mit Universitäten und auf dem Geschäftsfeld Batterie relevanten Forschungsinstituten zusammen. Verglichen mit so manchen anderen Unternehmen in der Branche hat es EVE Energy also gar nicht mal so schwer, Zugang zu Talenten im Bereich der Elektrochemie zu erhalten.
Was sind die Vorteile der Omnicell-Universalbatterie, die EVE Energy auf der diesjährigen IAA in München gezeigt hat?
Wir glauben, dass es für die Automobilindustrie, eine Branche mit oft starken Skalierungen, sehr wichtig ist, ein standardisiertes Produkt und damit auch einen stetig wiederholbaren Fabrikationsprozess zu haben. Es sind entscheidende Faktoren, um die Qualität eines Fahrzeugs sicherzustellen und gleichzeitig ein kosteneffizientes Produkt zu erhalten.

Unsere Omnicell-Baureihe basiert auf einer skalierbaren Plattform aus zylindrischen Batterien, die mit hochfesten Stahlhüllen und Glasfasermaterial in Luft- und Raumfahrtqualität überaus robust sind. Zugleich bieten sie Spitzenperformance unter anderem in Sachen Ladezeiten.
Die von uns verwendeten Silizium-Anoden erhöhen die Energiedichte spürbar und eröffnen ganz neue Möglichkeiten für BEVs, PHEVs und HEVs.
Wie wichtig ist die Arbeit an Festkörperbatterien für Ihr Unternehmen?
Zweifellos werden Festkörperbatterien ein weiterer Meilenstein sein auf dem technologischen Entwicklungsweg zukunftsweisenden Batterien. Daher betrachten wir solche Solid-State-Akkus seit Langem als ein interessantes Forschungsprojekt für unsere Wissenschaftler. Ja, in früheren Jahren waren die ersten Arbeiten an Festkörperbatterien mit vielen Herausforderungen und Schwierigkeiten verknüpft. Aber die Situation hat sich eindeutig verbessert.

Das ist der Grund, warum wir bei EVE Energy mehr Ressourcen für die Forschung und Entwicklung bereitgestellt und massiv in den Start von Festkörperbatterien investiert haben.
EVE Energy arbeitet auch an sogenannten eVTOL-Konzepten: Haben Flugtaxis eine vielversprechende Zukunft?
EVE Energy widmet sich schon seit etwa vier Jahren elektrischen Konzepten für senkrechten Start und senkrechte Landung. In enger Zusammenarbeit mit bekannten Elektroflugzeugherstellern aus aller Welt treiben wir inzwischen konkrete Projekte voran.
Ich persönlich glaube fest an eine vielversprechende Zukunft für Elektroflugzeuge oder tief fliegende Gerätschaften wie Drohnen auf Distanzen von 100 bis 200 Kilometern. EVE Energy wird sich weiterhin intensiv mit eVTOL-Technologien beschäftigen.
Was erhofft sich EVE Energy vom Batteriepass und den ESG-Konzepten rund Umwelt, Soziales und Unternehmensführung?
Unser Battery Passport versieht jede einzelne Zelle mit einer digitalen Identität. Auf diese Weise kann EVE Energy den gesamten Lebenszyklus in völliger Transparenz jederzeit dokumentieren. Das ist ein entscheidender Schritt in Richtung auf nochmals gesteigerte Nachhaltigkeit, denn erst mit modernster Datenintegration lassen sich alle internationalen Nachhaltigkeitsvorgaben verlässlich erfüllen und die Ziele einer echten Kreislaufwirtschaft unterstützen.
Welche Bedeutung haben die Zielmärkte Deutschland, Österreich und die Schweiz für EVE Energy?
Eine enorm hohe. Die von Ihnen genannten drei Länder zählen zu unseren Schlüsselmärkten. Wenn wir dort und in weiteren europäischen Ländern eine gute Entwicklung nehmen wollen, müssen wir den besten Service bieten und unsere Kunden in wirklich jeder Hinsicht zu deren vollster Zufriedenheit bedienen: Gerade Automobilhersteller verlangen die fortschrittlichen Technologien.

Wie stehen Sie zu Hybridantrieben als Brückentechnologie im Übergang vom Verbrennungsmotor zur reinen Elektromobilität?
Auf dem Weg zu vollständiger Elektromobilität, einem Fernziel der Menschheit, sind noch einige Hindernisse zu überwinden. In China war es zweifellos sinnvoll, übergangsweise Hybrid-Technologien zu nutzen, um schneller von herkömmlichen Verbrennern zur Elektromobilität zu gelangen. Ich denke, dass dies in Europa ebenso der Fall sein wird. Beispielsweise mit ausgeklügelten Range-Extender-Systemen, die eine smarte Verbindung von alter und neuer Antriebswelt darstellen.
Welche Erwartungen hat das Top-Management von EVE Energy für das kommende Geschäftsjahr 2026?
Für das kommende Jahr prognostizieren wir ein Umsatzwachstum von 30 Prozent bei EVE Energy. Das wäre dann ein Umsatz von rund 10 Milliarden US-Dollar. Schon jetzt aber ist sicher: Ob für Automobile, in der Robotik, Luftfahrt oder im Schwerlastverkehr – wir werden auch 2026 mit Hochdruck an so sicheren wie nachhaltigen und zukunftsweisenden Energiespeichern arbeiten.
Bilder: Beatrice Bohlig