Massiv, klar. Allein die Frontpartie. Kräftig, dynamisch gezogen, einnehmend. Doch spätestens wenn der Blick über die scharf blitzenden Scheinwerfen auf die Flanken schweift, wird klar: gradlinig, fein und elegant bis zur steil abfallenden Heckklappe – es ist ein Mercedes. Ein Elektrobus mit Stern. Der frisch aufpolierte EQV fährt vor, um die traditionellen Markenwerte des Premiumherstellers in die Zukunft zu transportieren. In diesem speziellen Fall bedeutet dies: Qualität und Extraklasse für den höchst ambitionierten Geschäftsbetrieb. 24/7, einsatzbereit am Tag und in der Nacht. Wir starten unsere Testfahrt am späten Vormittag.
Einsteigen! Besser gesagt: Wir steigen hoch – und fahren los. Es ist der erste und prägnanteste Unterschied zu dem Fahrerlebnis im Auto. Der EQV ist ein kleiner Bus. Hier fahren alle Insassen eine Etage höher. Der Steuermann genießt das rundum komfortable Gefühl des Erhabenen. Den klaren Blick von oben auf das Verkehrsgeschehen, das opulente Platzangebot, von dem alle Mitfahrer profitieren. Die Sitze fühlen sich wie maßgeschneidert an, passgenau und bequem, auch dafür steht Mercedes.
Komfort im Zeitgeist
Das Cockpit des EQV ist nachhaltig überarbeitet worden – im Stil der charakterstarken Marke. Es wirkt hochwertig und modern im Zeitgeist. Smart definiert sind die Luftauslässe in der Mitte und an den Flanken der Armaturen. Dagegen setzt das Fahrerdisplay auf traditionelle Attitüden: eine runde Anzeige für die Geschwindigkeit links, eine runde Anzeige für die relevanten Informationen zur Energie – Verbrauch, Reichweite, Fahrzeit. Der Hebel für die Scheibenwischer links hinter dem Lenkrad, für die Fahrmodi rechts. Alles einfach und einfach praktisch.
Genau wie das Lenkrad. Kräftig im Griff, groß der Stern in der Mitte. Es fühlt sich gut an, und es ist leicht zu verstehen und zu bedienen. Wir können uns davon überzeugen, während wir auf der Bundesstraße gen Metropole gleiten. Alle Funktionen, die wir auf dieser Fahrt benötigen, steuern wir per Fingerdruck oder Wischer direkt am Lenkrad.
Effiziente Assistenzsysteme
Als beeindruckend empfinden wir den Tempomat, der den EQV auf Wunsch praktisch im Alleingang steuert. Dieser künstlich intelligente Assistent arbeitet perfekt, zuverlässig und jederzeit sicher. Er erkennt Verkehrszeichen, passt die Geschwindigkeit rechtzeitig an. Er bremst professionell, auch vor dem Abbiegen und selbst wenn keine bestimmte Route in der Navigation programmiert ist. Nur lenken müssen wir noch selbst.
In diesem Zusammenhang unbedingt erwähnenswert: Auch der Sprachassistent macht einen ausgezeichneten Job. Die Zieladresse einmal ausgesprochen, und der EQV startet die Navigation. Den Wunschkanal im Radio artikuliert – los geht‘s mit dem Musikprogramm. Es sind einfache Komfortelemente, die dem Fahrgenuss die spezielle Pointe geben.
Live-Bild vor dem Abbiegen
Auch die Navigation des Mercedes-Busses ist neu definiert worden. Sie bietet nun ein attraktives Programm aus reiner Information und grafischen Elementen. Die Karten auf dem zentralen Bildschirm sind neu gestaltet. Es werden beispielsweise alle Ladestationen inklusive Lademenge und Ladezeit entlang der Route angezeigt. Ein Wisch mit dem Finger – und der EQV steuert das Wunschziel an. Er empfiehlt auch alternative Routen.
Gut gefällt uns, dass kurz vor dem Abbiegen ein Live-Bild der Straße auf dem zentralen Display eingeblendet wird – mit einem dicken blauen Pfeil, der uns genau sagt, wo es lang geht. Der EQV reduziert zudem die Geschwindigkeit, als wolle er uns um die Kurve drücken. Falsches Abbiegen ist so gut wie unmöglich.
Speziell in den engen Straßen der Münchner Altstadt erweist sich die 360-Grad-Kamera als vorteilhaft. Sie hilft uns, den mehr als fünf Meter langen Elektrobus zumindest halbwegs elegant zu rangieren und einzuparken. Selbstverständlich gibt es auch hier Assistenzsysteme, die dazu beitragen können, das Fahrzeug optimal zu platzieren.
Ruhig wie eine Limousine
Interessant und im besten Falle wohltuend auf Fahrten über längere Distanzen sind die Energiestöße, die der EQV – wie auch die Premiumlimousinen EQS und EQE – auf Knopfdruck in den Innenraum serviert. Angeboten werden Sequenzen wie Frische, Wärme, Vitalität, Freude, Behaglichkeit, Waldlichtung, Meeresrauschen oder Sommerregen, jedoch auch ein Power Nap – natürlich nur, wenn der Mercedes geparkt ist – sowie Trainingsübungen zum Entspannen der Muskeln und Steigern der Achtsamkeit. Es wirkt mitunter magisch, wenn der Innenraum des Kleinbusses plötzlich knallrot oder gelb-orange strahlt, sich die Sitzheizung einstellt und gleichzeitig warme Luft aus dem Gebläse strömt. Auch weil es der Mercedes mitunter von sich aus anbietet, etwa den außergewöhnlichen Wärmekick an einem eisigen Wintertag.
Die Gäste, die auf dem Beifahrersitz oder in den Reihen zwei und drei chauffiert werden, reisen im EQV generell auf VIP-Niveau – reichlich Platz in alle Bereichen. Die Sitze im Fond sind auf Schienen befestigt, können folglich gesondert angeordnet oder auch ausgebaut werden.
Allzeit stabil und komfortabel
Wir nutzen die Gelegenheit und steuern standesgemäß den Flughafen an – wie es sich für eine VIP-Shuttle gehört. Wir bleiben entspannt, gleiten souverän mit 120 Kilometern pro Stunde auf der linken Spur der Autobahn stadtauswärts. Der EQV ist auch im Sportmodus keine Rennmaschine. 140 Sachen in der Spitze – das reicht vollkommen. Wir schalten in den Ecomodus und spüren, wie der Elektrobus seine Leistung drosselt. Auch die Klimaanlage arbeitet nun deutlich reduziert.
Modus hin oder her: Der riesige 2,8-Tonnen-Mercedes rollt allzeit stabil, komfortabel und sicher über den Asphalt. Das Fahrwerk ist so professionell abgestimmt, dass es Unebenheiten locker ausgleichen kann. Auch die engen Auf- und Abfahrten im Parkhaus des Flughafens meistert er anstandslos. Klar ist: Wer das Strompedal gern bis zum Anschlag tritt und meint, den EQV am Limit fahren zu müssen, bekommt prompt die Rechnung präsentiert. Hoher Verbrauch, niedrige Reichweite.
Gigantischer Stauraum
Der Elektrobus ist mit einer 90 Kilowattstunden starken Batterie ausgestattet. Im ADAC-Ecotest sind für den neuen EQV die Verbrauchswerte von 30,9 Kilowattstunden auf 100 Kilometer ermittelt worden. Gut 300 Kilometer sollten im Alltagsverkehr mit voll aufgeladenen Akkus also möglich sein – im Idealfall sogar bis zu 365 Kilometer nach WLTP-Standard. An einer Schnellladesäule kann die Batterie des Stromers in einer dreiviertel Stunde von zehn auf 80 Prozent geladen werden.
Gigantisch ist der Stauraum, der diverse Möglichkeiten zur Ablage und zum Transport bietet. Bei Bedarf können die Sitze in der zweiten und dritten Reihe umgeklappt oder ausgebaut werden. Mehr als 4.600 Liter beträgt das maximale Ladevolumen. Kleinbus der Premiumklasse als XL-Transporter – dies dürfte allerdings nur in Ausnahmefällen eine Alternative darstellen.
Definitiv preisintensiv
Der Fahrgenuss im Elektrobus mit dem Stern hat naturgemäß seinen Preis. 62.100 Euro – so lautet der Einstiegswert für den Mercedes EQV 300. Die richtigen, weil sinnigen Assistenzsysteme und Komfortelemente integriert, werden daraus schnell 90.000 Euro. Wer seine Fahrgäste auf dem höchsten Niveau chauffieren und ihnen gleichermaßen imponieren möchte, kann noch einmal Extras in Höhe von 20.000 Euro bestellen. Das komfortable Gleiten auf dem Hochsitz, das der EQV bietet, ist außergewöhnlich bis einzigartig. Wir genießen sogar das Einparken im Parkhaus, bis die Sensoren uns zur Ruhe pfeifen.
Technische Daten
Hersteller | Mercedes |
Modell | EQV 300 |
Antriebsart | Elektro |
Leistung | 150 kW / 204 PS |
Maße / Gewicht | 5.140 x 1.928 x 1.923 mm / 2.811 kg |
Antriebsachse | Vorderrad |
Anzahl der Türen | 5 |
Kofferraumvolumen | 1.030 - 4.630 l |
Reichweite | 365 km (WLTP) |
0-100 km/h | 12,1 Sekunden |
Spitze | 140 km/h |
Preis | ab 62.010 € |