Firmenflotten unter Strom: Welche Konzerne auf welche Hersteller setzen
- Wolfgang Plank
- vor 7 Tagen
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In vielen Unternehmen steigt nachweislich die Spannung. Es gilt, die Dienstfahrzeuge und Fuhrparks zumindest mittelfristig zu elektrifizieren. Einige Firmen treiben die Transformation konsequent voran, bei anderen gestaltet sich der Umstieg schwierig.


Speziell in Deutschland hat die Mobilitätswende gerade nur wenige Fürsprecher. Die selbsternannte und mittlerweile krachend gescheiterte „Fortschritts-Koalition“ bescherte – zum Teil kriegsbedingt - fossilen Energien einen Boom, kippte die Sektorenziele beim CO2-Ausstoß und zog dem E-Auto durch Streichen der Kaufprämie über Nacht den Stecker. Ein Schlag gegen die Transformation, von dem sich die Republik trotz zwischenzeitlicher Rabatte der Hersteller bis heute nicht erholt hat.
In der Folge brach der Absatz von Elektroautos in Deutschland dramatisch ein. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden 2024 nur rund 380.600 rein batteriebetriebene Fahrzeuge neu zugelassen – ein Rückgang von 27,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit bleibt die Nachfrage trotz steigender Zahl an erschwinglichen Stromern deutlich zurück – hinter den Erwartungen der Autobauer und auch den Zielen der Politik. Der Grund: verunsicherte Bürger, die im besseren Fall abwarten, im schlechteren sogar wieder mit einem Verbrenner liebäugeln.
Vorreiter Norwegen
Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass es auch anders gehen kann. Der europäische E-Automarkt wuchs 2024 mit 1,3 Millionen Stromern trotz reduzierter staatlicher Förderungen in vielen Ländern weiter. Mit einem Gesamtanteil von 13,4 Prozent an den Neuzulassungen bleibt das Elektroauto ein wichtiger Pfeiler der Mobilitätswende in Europa. Spitzenreiter war – wieder einmal – Norwegen, wo E-Autos 2024 auf einen Rekordanteil von 89,3 Prozent an den Neuzulassungen kamen, in Dänemark war noch jeder zweite Neuwagen ein Stromer, in Schweden und den Niederlanden immerhin jeder dritte. Dabei gibt es in den meisten dieser Länder ebenfalls keine Kaufprämien mehr. Aber: Die dortigen Regierungen ziehen die Besteuerung von Verbrennern hoch – mal bei der Zulassung, mal bei den laufenden Kosten. So wird das Elektroauto zumindest vergleichsweise günstiger.
Allerdings ist für den großen Durchbruch in Deutschland der private Automarkt ohnehin nicht entscheidend. Eine Schlüsselrolle für die Elektrifizierung des Straßenverkehrs spielen die Unternehmen. Schließlich werden zwei von drei neuen Autos in Deutschland gewerblich zugelassen. Soll der Straßenverkehr CO2-neutral werden, führt der Weg – aus diversen Gründen – also nur über die großen Flotten.
Dort finden sich durchaus noch Anreize: Anders als das bei Verbrennern übliche eine Prozent muss bei rein elektrischen Dienstwagen lediglich die Hälfte davon als geldwerter Vorteil versteuert werden. Liegt der Listenpreis unter 70.000 Euro, die vermutliche neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD plant sogar eine rückwirkende Anhebung auf 95.000 Euro, ist es gar nur ein viertel Prozent. Obendrein sind Stromer für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Alles in allem also lukrative Aussichten.
Und so ist im vergangenen Jahr wenigstens in den Fuhrparks der Elektrifizierungsanteil weiter gestiegen. Das bestätigt eine Sonderauswertung des von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) veröffentlichten Klimabarometers. Demnach fährt inzwischen immerhin jeder fünfte Dienstwagen von Unternehmen elektrisch – hälftig verteilt auf reine E-Autos und Plug-in-Hybride. Lediglich Nutzfahrzeuge mit Akkuantrieb rollen mit einem Anteil von derzeit rund zwei Prozent immer noch hinterher.
Spitzenposition für den Enyaq
Mit einem Marktanteil von 20,4 Prozent führt der Skoda Enyaq das Ranking der beliebtesten Elektroautos in gewerblichen Flotten auch 2024 deutlich an und konnte seine Spitzenposition sogar ausbauen. Platz zwei geht an den Polestar 2 mit 7,0 Prozent. Von BMW schafften es gleich drei Modelle – iX1 (6,2), i4 (5,4) und i5 (4,3) – unter die beliebtesten zehn E-Autos. Tesla bleibt mit dem Model Y (6,0) und dem Model 3 (5,0) zwar ein wichtiger Akteur im Flottenmarkt, muss aber aktuell gewaltige Einbrüche hinnehmen. Volkswagen sichert sich mit dem ID.4 (4,6) eine solide Platzierung, der Kia EV6 (3,3) rangiert erstmals in den Top Ten.
Im Flottenbetrieb hat man in der Folge die Vorteile abgasfreien Fahrens durchaus erkannt. Elektromodelle sind zwar in der Anschaffung noch immer teurer, dafür liegen Betriebskosten und Wartung in aller Regel spürbar unter Niveau der Verbrenner. So jedenfalls die Faustregel. Zunehmend jedoch spielen hehrere Ziele als Geld eine Rolle. Klimawandel und Umweltschutz rücken immer mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit, und so sehen nicht selten Kunden wie Mitarbeiter eine Umstellung des Fuhrparks als Ausdruck von Innovationsgeist und Verantwortung. Und wenn sich das Unternehmen gar eigene CO2-Ziele setzt, führt an der Elektroflotte ohnehin kaum ein Weg vorbei. In vielen Unternehmen ist man bezogen auf die Umwelt längst entschieden weiter als die Politik.
So hat sich etwa das Softwareunternehmen SAP verpflichtet, ab 2026 ausschließlich emissionsfreie Fahrzeuge als Dienstwagen anzubieten. Geplant ist zudem, die gesamte Flotte bis 2030 auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Aktuell finden sich rund 19.000 Autos im SAP-Fuhrpark, davon sind knapp 5000 rein elektrisch. Ursprünglich war die Pflicht zum E-Auto schon für 2025 vorgesehen, für das laufende Jahr sind aber auch noch Plug-in-Hybride erlaubt, weil es kaum Hersteller gibt, die in allen Segmenten gute E-Angebote haben. Eine Einschätzung, die laut der E-Mobilitätsstudie von Dataforce Gewerbe- wie Privatkunden eint. Durch die Bank sind sie sich einig, dass vor allem Modelle aus dem Kompakt- und Mittelklasse-Segment sowie Kleinwagen fehlen. Weniger Bedarf besteht hingegen an immer noch mehr SUV oder Elektrofahrzeugen der Oberklasse.

Reichweitenängste gibt es bei SAP übrigens nicht. Sorgen von Mitarbeitern, nicht mehr schnell und sicher zu einem Kunden zu kommen, hätten sich nicht realisiert, wird Fuhrparkmanager Steffen Krautwasser zitiert. Generell herrsche große Zufriedenheit bei den Fahrern von Elektroautos. Wohl auch, weil der Softwarekonzern die Infrastruktur im Blick hat. Mit Service, Wartung und Verwaltung seiner aktuell 1750 Ladepunkte an 14 deutschen Standorten hat SAP den Wallbox-Hersteller Amperfied beauftragt.
Stromer in den Topkonzernen
Auch Coca-Cola in Deutschland – nach eigenen Angaben größtes Getränkeunternehmen der Republik – hat angekündigt, alle Pkw und Transporter der eigenen Flotte mit dem jeweiligen Leasingende bis 2025 auf E-Fahrzeuge umzustellen. Vergangenes Jahr wurde im Unternehmen in diesem Zusammenhang bereits der 500. Hyundai Kona Elektro zugelassen. Von den derzeit knapp 1800 Pkw und Transportern seien fast die Hälfte elektrisch unterwegs, hieß es damals.

In der Schweiz steht der Konzern ebenfalls unter Strom. Dort wurden kürzlich 68 von insgesamt 177 Skoda Enyaq in Dienst gestellt, der Rest soll bis Jahresende folgen. Dann werden nach Angaben des Unternehmens 90 Prozent der eidgenössischen Coca-Cola-Flotte elektrisch sein – darunter alle Fahrzeuge im Außendienst. Ebenfalls in der Schweiz sitzt mit Helion ein großes Unternehmen der Solarindustrie. Dort hat man im vergangenen Jahr 100 VW ID. Buzz Cargo auf einen Schlag geordert. Noch weiter geht Swisscom. Der Schweizer Telekomkonzern tauscht aktuell mehr als 1200 Dienstwagen aus – als Ersatz kommen 1099 Ioniq 5 sowie 116 Kona Electric des Herstellers Hyundai.

Auch Siemens in Deutschland plant, seinen Fuhrpark bis 2030 komplett auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Zu diesem Zweck schafft das Unternehmen schrittweise bis zu 1000 VW ID.4 an. Mit Spannung sind auch Beratungsgesellschaften unterwegs. Die Flotte von Deloitte verfügt über 240 Mini Electric, auf immerhin 160 Exemplare desselben Typs bringt es Branchenkonkurrent EY. Und die Liste umstiegswilliger Firmen könnte noch länger werden – insbesondere im Einzelhandel und im Baugewerbe. Experten schätzen die Zahl der Flotten von mehreren tausend Fahrzeugen auf einige hundert.

Für die elektrische Zukunft könnte all das wenigstens einen kleinen Schub bringen, findet die KfW. Ihre Einschätzung: „Neben dem maßgeblichen Einfluss der Unternehmensflotten auf den gesamtdeutschen Fahrzeugbestand bestimmen gewerblich zugelassene Autos in wenigen Jahren den Gebrauchtwagenmarkt und prägen somit das Mobilitätsverhalten in Deutschland über einen langen Zeitraum.“
Amazon setzt auf Rivian
Bei Nutzfahrzeugen und Transportern herrscht ebenfalls Aufbruchstimmung. So ist etwa der Versandgigant Amazon längst auch ein gewaltiger Logistikkonzern mit eigener Flotte. Pakete sollen künftig verstärkt durch batterieelektrische Lieferwagen des US-Herstellers Rivian zugestellt werden, bei dem der US-Konzern 2019 eingestiegen ist. Für den europäischen Markt hat Rivian eigens eine kürzere und schmalere Version namens EDV-500 entwickelt, die mit einer Akkuladung selbst im Winter eine Reichweite von rund 200 Kilometern haben soll.
Und die Zahl der Amazon-Transporter wächst stetig. Im März 2023 waren weltweit rund 3000 Stromer unterwegs, im Januar 2025 bereits mehr als 20.000. Auch in Europa werden Dieseltransporter konsequent ausgemustert. Mehr als 300 Elektroautos sollen bald auch in Deutschland Teil der Flotte sein. Laut Konzernzentrale werden die emissionsfreien Fahrzeuge zunächst in München, Berlin und Düsseldorf für die Zustellung eingesetzt. Bis 2030 beabsichtigt Amazon nach eigenen Aussagen bis zu 100.000 Rivian-Lieferwagen weltweit einsetzen. Parallel dazu sollen in Kalifornien elektrische Sattelzüge von Volvo zum Einsatz kommen.

Flotten der Logistiker

Noch weit mehr Elektroautos setzt mit knapp 33.000 Fahrzeugen DHL ein: bei derzeit rund 67.600 Transportern für die Paketzustellung also knapp die Hälfte – trotz der eher wechselvollen und verlustreichen Geschichte rund um den Streetscooter. Hermes kommt derzeit in Deutschland nach eigenen Angaben auf 1200 E-Transporter (Anteil: 11,4%), DPD auf 300 (E-Anteil: 3,5%). Alle drei planen bis zum Jahresende einen weiteren Ausbau. DHL gibt als Ziel 37.000 Elektrofahrzeuge an, DPD will auf einen Anteil von 15 Prozent kommen, bis 2030 sollen es 85 Prozent sein.
Das Fähr- und Logistikunternehmen DFDS unterhält nach eigenen Angaben derzeit die größte Flotte von elektrischen Schwer-Lkw in Europa und möchte bis 2030 mindestens 25 Prozent seiner Flotte elektrifizieren. Bereits Ende 2021 erfolgte die erste Order für 100 E-Laster nur zwei Monate später kamen weitere 25 dazu. Die jüngste Bestellung für weitere 100 E-Lkw wurde im März 2023 aufgegeben. Eher auf Brennstoffzellen setzt dagegen Edeka Nord. Dort sind Ende Februar die ersten beiden mit grünem Wasserstoff betriebenen Lkw in den Alltagsbetrieb gestartet.

Vermieter zögerlich
Doch es gibt nicht nur Plus im Markt der Stromer. Die großen Autovermieter nämlich fahren aktuell ihre Bestände an E-Autos eher zurück. Die Gründe sind aber weniger technischer als finanzieller Natur. So führe die aktuelle Unsicherheit tendenziell zu schlechteren Restwerten und damit Verlusten beim Wiederverkauf. Dennoch will etwa Sixt seine Flotte in Europa bis 2030 zu 70 bis 90 Prozent auf Stromer umgestellt haben – nicht zuletzt mit Modellen des chinesischen Marktführers BYD.

Auch die Carsharing-Anbieter fremdeln verstärkt mit den akkubetriebenen Modellen. Beim Berliner Unternehmen Miles etwa verfügen nur noch knapp 17 Prozent aller Leihwagen über einen Elektroantrieb. Neue E-Autos werden derzeit nur noch in geringem Umfang in die Flotte integriert, wird das Unternehmen zitiert. Begründung: höhere Anschaffungskosten und teure Reparaturen.
Großes Sparpotenzial
Derlei Rückschläge halten andere Unternehmen indes nicht ab, in großem Stil elektrisch fahren wollen. Laut der Fleet-Charging-Studie 2024 von Uscale planen zwei Drittel der deutschen Firmen, ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Weg vom Diesel lautet die Devise. Schließlich können Unternehmen hierzulande mit elektrischen Flotten pro Jahr insgesamt bis zu 5,6 Milliarden Euro einsparen, zeigt eine aktuelle Analyse des Lösungsanbieters Lade. Die Energiekosten einer elektrischen Dienstwagenflotte liegen demnach mehr als 50 Prozent niedriger als bei Verbrennern. Entscheidender Faktor sei allerdings die intelligente Steuerung, heißt es.
Die Modellrechnung basiert auf knapp 5,7 Millionen gewerblichen E-Fahrzeugen, einer Jahresfahrleistung von 22.000 Kilometern und einem Verbrauch von 20 kWh je 100 Kilometern gegenüber 7,0 Litern Diesel. Sie vergleicht die Nutzung von eigenen Photovoltaikanlagen, regulärem Strom aus dem Netz sowie Ladevorgängen an öffentlichen Schnellladesäulen. Mit Netzstrom und Photovoltaik ohne intelligentes Management, könnten rund 2,9 Milliarden eingespart werden – und selbst ohne Berücksichtigung von Stromquelle und Kosten komme der Betrieb immer noch 1,5 Milliarden Euro günstiger, heißt es bei Lade.
Chancen auf dem deutschen Markt
Hilfe bringt womöglich ein neues Gesetz, mit dem die EU-Kommission die Elektrifizierung von Flotten – und damit den Absatz von E-Autos – ankurbeln will. Laut einer Analyse der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) könnten deutsche Autobauer mit diesen Vorgaben bis 2030 rund zwei Millionen Elektroautos zusätzlich verkaufen. Besonders profitieren würden demnach BMW, Volkswagen und Mercedes, die zwischen 66 und 72 Prozent ihrer Neuwagen an Firmenkunden verkaufen.
Um die CO2-Flottengrenzwerte einzuhalten und den Hochlauf der Elektromobilität zu beschleunigen, fordert T&E eine ambitionierte Gesetzgebung. Konkret soll ab 2030 in Flotten mit mehr als 100 Fahrzeugen nur noch die Neuzulassung vollelektrischer Firmenwagen erlaubt sein. Dadurch würde nicht nur der Absatz von E-Autos gesichert, heißt es, sondern auch die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie stabilisiert. Und: Bis 2035 könnten so in der Folge bis zu sieben Millionen zusätzliche Elektroautos als Gebrauchtwagen verfügbar sein – davon allein 1,7 Millionen in Deutschland.
// Fotos: Christoph Goeckel, Volkswagen AG, Heidelberg, Helion, Amazon, BYD (Gijs Spiernings), DPD, DHL Group//