Der Autogigant aus München entwickelt eine neue Plattform für alle Modelle ab 2025. Diese sogenannte Neue Klasse, die rein elektrisch sein wird, soll bereits bis Ende des Jahrzehnts mehr als die Hälfte des weltweiten Absatzes ausmachen.
Eigentlich war es nur eine Telefonkonferenz, auf der Oliver Zipse die Halbjahresbilanz präsentierte. Doch dann ging der BMW-Chef ins Detail. Neue Autos. Neue Antriebsvarianten. Neue Klasse! Zipse enthüllte, mit welcher Strategie und Vehemenz der Konzern das Thema Elektromobilität umsetzen wird. Ab 2025 produziert BMW batteriegetriebene Modelle in der neuen Elektroautofabrik im ungarischen Debrecen, ein Jahr später werden auch im Münchner Stammwerk Fahrzeuge auf Basis dieser Plattform vom Band laufen. „Die Neue Klasse kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, wenn der Hochlauf der E-Mobilität eine neue Größenordnung erreicht“, sagte Zipse. Bis Ende des Jahrzehnts sollen die Elektrofahrzeuge bereits mehr als die Hälfte des Absatzes weltweit ausmachen.
50 Jahre Jung
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Das BMW-Hochhaus in München, Zentrale des Konzerns, wurde 1972 fertiggestellt. Es ist heute eines der Wahrzeichen der Bayern-Metropole.
Forschung in Software und IT
30 Milliarden Euro investiert BMW bis 2025 in die Forschung und die Entwicklung der nächsten und übernächsten Fahrzeuggenerationen. 27.000 Menschen sind in diesem Segment rund um den Globus für den Konzern im Einsatz, davon mehr als 10.000 Software und IT-Entwickler. Über Kooperationen forschen sie zudem in Bereichen wie Quantentechnologie oder künstlicher Intelligenz. Anders als viele Konkurrenten in der Autobranche hat BMW bislang noch kein konkretes Datum für das Ende des Verbrennungsmotors genannt.
Der Blick des Konzernchefs ist jedoch klar in die Zukunft gerichtet, speziell was neue Antriebstechnologien betrifft. „Auch die Rolle von Wasserstoff für die individuelle Mobilität muss neu bewertet werden“, so erklärte Zipse: „Wasserstoff ist aus unserer Sicht das fehlende Puzzleteil, das E-Mobilität dort vervollständigen kann, wo sich batterieelektrische Antriebe nicht durchsetzen werden.“ Bis Ende dieses Jahres beabsichtigt BMW demnach eine Kleinserie des iX5 Hydrogen zu produzieren. Er ist nach dem Toyota Mirai und dem Hyundai Nexo erst das dritte Brennstoffzellenfahrzeug, das in Serie gebaut wird. „Und wir denken bereits über eine mögliche nächste Generation nach“, ergänzte der BMW-Boss.
Konzernlenker
Oliver Zipse (58) ist seit August 2019 Vorstandsvorsitzender der BMW AG. Der in Heidelberg geborene Topmanager verbrachte sein gesamtes Berufsleben in diesem Konzern. 1991 trat er als Trainee im Bereich Entwicklung, technische Planung und Produktion an. Danach arbeitete er als Projektingenieur. Seit 1994 war er auf mehreren Führungsposten in München und Südarfika im Einsatz.
So klimaschonend wie möglich
Die Mobilität der Kunden zu sichern und dabei so klimaschonend wie möglich zu sein – so ist das Zukunftsmodell von BMW grob umrissen. „Ein Mix aus batterieelektrischen Autos, Brennstoffzelle und hocheffizienten Verbrennern ist aktuell der beste Ansatz für das Gesamtsystem“, sagte Zipse. Der Start der Neuen Klasse belegt, dass die Münchner mit dem Blick auf die Mobilität der Zukunft klar auf den Elektroantrieb setzen.
Die ersten Modelle, die auf der neuen Plattform gebaut werden, sind eine Elektrolimousine im 3er-Segment und ein „sportliches SUV“, wie der Vorstandsvorsitzende bekannt gab. Einen konkreten digitalen Ausblick auf die Neue Klasse versprach er für die IAA 2023.
Klare Visonen
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Die Forscher und Entwickler des Münchner Herstellers beschäftigen sich auch mit akkubetriebenen Zweirad- und Innenstadtlösungen.
Neue Absatzimpulse
Aktuell produziert BMW seine Elektroautos noch auf Plattformen, die auch Plug-in-Hybride und klassische Verbrennermodelle ermöglichen. „Die Kunden weltweit sind von unserem vielfältigen Portfolio begeistert“, sagte Zipse. „Sie fragen vor allem unsere vollelektrischen Modelle nach – wie den BMW iX3 und den Mini Cooper SE. Unsere Innovationsträger iX und i4 befinden sich zum Teil noch in der Markteinführung und verzeichnen einen besonders hohen Auftragsbestand.“
Absatzimpulse erwarten der CEO und seine Analysten in der zweiten Jahreshälfte von dem vollelektrischen SUV iX1 sowie vom i3, der batteriegetriebenen 3er-Langversion für China. Der neue vollelektrische i7 steht laut Zipse ab November bei den Händlern. Im nächsten Jahr folge der i5 als volumenstarkes Elektromodell des neuen BMW 5er. „Bereits in diesem Jahr produzieren wir – inklusive Vorserie – 15 BEV-Modelle. Bis 2025 wollen wir insgesamt zwei Millionen vollelektrische Fahrzeuge ausgeliefert haben“, erklärte der Konzernchef.
Steigende Volumen an elektrifizierten Modellen und kontinuierlich wachsende Absatzzahlen – die BMW Group wähnt sich bereits heute als führender Anbieter für Elektromobilität der Premiumklasse. Als zentralen Aspekt betrachten die Konzernstrategen, neben neuen E-Autos auch die notwendige Ladeinfrastruktur und kundenfreundliche Ladelösungen offerieren zu können. Ein umfangreiches Angebot an Ladeprodukten und den entsprechenden Services wird fortlaufend bereitgestellt und ausgebaut.
Neues Wasserstoffmodell
Vertriebsleiter Pieter Nota hat dem japanischen Wirtschaftsmagazin Nikkei verraten, dass BMW im Jahr 2025 mit der Massenproduktion und dem Verkauf von Brennstoffzellenfahrzeugen beginnen möchte. Das wasserstoffgetriebene Konzeptauto iX5 wurde bereits auf der IAA im vergangenen September in München vorgestellt. Entwickelt wurde die neuartige Antriebstechnik in Zusammenarbeit mit Toyota.
250.000 Ladepunkte in Europa
BMW Charging und Mini Charging bieten beispielsweise umfassende Ladeoptionen an, die den Kunden den Betrieb der Elektroautos so komfortabel wie möglich machen sollen. 250.000 Ladepunkte in Europa, davon 48.000 allein in Deutschland sind bereits in Betrieb – darunter auch Schnellladestationen von über 150 Kilowatt. Zudem können BMW- und
Mini-Kunden auf das europäische High-Power-Charging-Netz des Anbieters Ionity zurückgreifen. Über die App Connected Charging erhalten die Fahrer jederzeit Informationen über die verbleibende Reichweite oder die Verfügbarkeit von Ladepunkten.
BMW setzt auch bei den Kernpunkten Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit klare Akzente. Elektrifizierte Fahrzeuge sollen demnach keineswegs nur in der Nutzungsphase, sondern auch in ihrer Gesamtbilanz – die Lieferkette eingeschlossen – umweltschonend sein. Ganzheitliche Steuerung, so lautet das Motto im Fachjargon. In der Praxis bedeutet dies beispielsweise im Umweltbericht des BMW iX3: Das vollelektrische Auto stößt in seinem Lebenszyklus rund 40 Prozent weniger CO2-Emissionen aus als der Referenzverbrenner X3 30i des Modelljahres 2020.
Pionier i3 läuft aus
Mit der neuen E-Strategie schließt sich beim bayerischen Automobilproduzenten der Kreis. Bereits vor neun Jahren brachte BMW den i3 auf den Markt, ein kompaktes Elektroauto mit gehobenem Interieur und der leichten Karosserie aus Carbon. Es war das erste Modell von BMW, das rein als E-Auto gedacht und entworfen wurde. In diesen Tagen läuft der letzte i3 vom Band.
Dieser Abschied hat auch eine wehmütige Note. Denn der i3 galt als Pionier in der Elektromobilität, der technische Maßstäbe setzte. Die Entwickler nutzten die Platzvorteile des E-Motors bei der Raumaufteilung voll aus. Er saß im Heck unter dem Kofferraum, die Batterien waren im Wagenboden – viel Innenraum bei kompakten Außenmaßen. Die nur vier Meter kurze Karosserie bestand aus Kohlefaser, Aluminium sowie Kunststoff und war im Vergleich zu Stahl verhältnismäßig leicht. Auch galt der 1,3 Tonnen schwere Viersitzer als relativ sparsam, nach WLTP-Standard verbrauchte er nur 13,5 Kilowattstunden.
Dazu polarisierte das sogenannte One-Box-Design mit seinem hohen Wiedererkennungswert, das sich stark von anderen Autos unterschied. Im One-Box-Modell sind die Front, das Dach und das Heck des Fahrzeugs von der Seite gesehen nahtlos durch eine Linie so verbunden, dass der Eindruck einer kompakten und kräftigen Form entsteht. Als Gegenteil gilt die Variante des Stufenhecks, in der alle drei Elemente klar voneinander getrennt sind. „Die Herangehensweise gleicht Tesla und steht für den Beginn der E-Mobilität eines deutschen Herstellers“, sagt Stefan Bratzel, der Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach.
Kurioserweise hat es einige Jahre gedauert, bis die BMW-Strategen ihre Ambitionen auf dem Weg in die Mobilität von morgen mit neuen Produkten untermauerten. „Wäre die Technologie konsequent weiterentwickelt worden, wäre BMW heute der größte Wettbewerber von Tesla“, meint Bratzel. Der aktuelle Zukunftsplan und die Neue Klasse haben das Potenzial den Premiumhersteller im Spitzenfeld zu stabilisieren.
Der Faktor Ökostrom
Wird ausschließlich regenerativ erzeugter Ladestrom verwendet, stoßen die Elektromodelle etwa 67 Prozent weniger CO2-Emissionen als die Verbrenner aus.
Ganzheitlich nachhaltig
Die elektrifizierten BMW-Fahrzeuge sollen in ihrer Gesamtbilanz – die Lieferkette eingeschlossen – umweltschonend sein. Ganzheitliche Steuerung, so lautet das Motto. Die vollelektrischen Modelle des bayerischen Herstellers stoßen in ihren Lebenszyklen derzeit bis zu 40 Prozent weniger CO2-Emssionen als die Referenzverbrenner aus.
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