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AutorenbildKurt Sigl

Kolumne von Kurt Sigl: Verbockt und verbaut

Schwierig ist es, dieser Tage gute Laune zu behalten. Als Elektromobilist blutet das Herz. Zahlreiche Insolvenzen trüben den Blick. Und es sind keineswegs die alten Unternehmen, die das Wirtschaftsparkett verlassen. Es sind die neuen, die keinen Raum für ihre Konzepte bekommen haben. Der E-Flugzeugpionier Lillium, das Last-Mile-Unternehmen Ono Motion, der Solaranlagenbauer Enpal, womöglich auch der E-Bike-Hersteller Energica – es ist einfach nur zum wütend werden.


Eigentlich brauchen wir genau diese Unternehmen, um die Mobilitäts- und Verkehrswende nachhaltig gestalten zu können. Neue Mobilität, ökologische Rücksicht, analytische Bedarfsplanung. Doch genau das Gegenteil geschieht, die Firmen gehen pleite, bevor sie den Massenmarkt erreichen konnten.

In der wissenschaftlichen Literatur lese ich, dass dieser Vorgang keineswegs unnormal ist. Der Technologietransfer wird verzögert, wenn ein innovatives Produkt nach den Innovatoren und Early Adoptern auf den Massenmarkt und dabei auf kritischere Kundinnen und Kunden trifft.


Mannomann, sind wir kritisch. Und: Wieso eigentlich? Nun, weil das Geld nicht so locker sitzt, das wäre eine Antwort. Weil Menschen andere Gewohnheiten annehmen müssten – laden statt tanken, zurücklehnen statt Gangschaltung. Aber auch weil es nicht vorgelebt wird. Kennen Sie vielleicht eine prominente Person, die sich proaktiv für Elektromobilität einsetzt? Vielleicht sogar einen Senior für die alternde Gesellschaft? Zweifel zur Technologie werden dagegen regelmäßig gestreut. Und in der Konsequenz ist es umso einfacher, zu kritisieren.


Doch es schmerzt auch darüber hinaus. Hier scheitern Innovatoren. Junge Menschen, die gegen den Strich denken und Neues anpacken wollen, werden brutal zurückgeworfen. Gegen den Verstand und gegen ihre Bedürfnisse einer stabilen Zukunft. Schauen Sie sich an, wer sich stattdessen durchsetzt. Ich sagte eingangs schon. Es sind die Alten, die Etablierten. Wir sind es, die es verbocken, die unseren Kindern im Weg stehen. Manchmal finde ich meine eigene Generation unerträglich.


 

Hier schreibt der Kurt Sigl


Er streitet, poltert und insistiert. Er treibt und verbindet, erklärt und stört. Kurt Sigl ist Experte der Elektromobilität und schickt für jede Ausgabe von electricar eine E-Mail aus Ingolstadt, in der er aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Themen seiner Branche analysiert und kommentiert. Als Mitbegründer und langjähriger Präsident des Bundesverbandes eMobilität gilt Sigl als Leitfigur auf den Gebieten der Elektromobilität und der erneuerbaren Energie. Der kernige Oberbayer, einst im Dienst von Audi, punktet mit seiner über Jahrzehnte ausgeprägten Expertise und der Gabe, Menschen zusammen zu bringen. Mit Nachdruck arbeitet er daran, traditionelle Strukturen und Denkmuster zu hinterfragen, um Raum für neue und zukunftsfähige Modelle zu schaffen.

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