Fahrer der E-Autos wissen aus eigener Erfahrung, dass die angegebene Reichweite nur als Richtwert dient. Der reale Wert ist meist deutlich niedriger als die sogenannte WLTP-Reichweite — weil es viele unterschiedliche Faktoren gibt, die sich auf die Ausdauer der Batterie auswirken: etwa die Außentemperatur, Geschwindigkeit, Höhenlage, Fahrverhalten, Alter der Akkus, Reifen und einiges mehr. Wir werfen einen Blick auf Temperatur und Geschwindigkeit.
Das kanadische Unternehmen Geotab bietet Fuhrparkmanagement sowie Telematik-Lösungen und hat die Reichweite von Elektrofahrzeugen analysiert — und zwar in Abhängigkeit von Geschwindigkeit und Temperatur.
Bei verschiedenen Temperaturen und Geschwindigkeiten wurden Effizienzmodelle für einen kleinen Pkw und einen leichten Kastenwagen erstellt. Für die Modellierung des Pkw wurden 350.000 Fahrten von 500 Pkw mit insgesamt über 180.000 Fahrstunden analysiert. Für die Modellierung des leichten Kastenwagens wurden 2,8 Millionen Fahrten von 2.000 Kastenwagen mit insgesamt über 370.000 Fahrstunden analysiert.
Das Ergebnis ist erstaunlich und zeigt, dass die optimale Temperatur zur Maximierung der Reichweite für den Pkw (durchgezogene orangefarbene Linie) und auch für den Kastenwagen (gepunktete orangefarbene Linie) 20 Grad Celsius beträgt. Die ideale Geschwindigkeit, bei der die Reichweite maximiert wird, hängt jedoch von der Temperatur ab. Bei 20 Grad wird die Reichweite des Pkw bei langsamen 30 km/h maximiert, bei null Grad wird die optimale Geschwindigkeit auf knapp 60 km/h verdoppelt.
Das bedeutet, dass Sie im Winter schneller fahren müssen, um die optimale Reichweite zu erzielen als im Sommer. Allerdings nicht 140 statt 70 km/h, sondern idealerweise 60 statt 30 km/h. Der Grund dafür ist der hohe Energieaufwand im Winter, der nötig ist, um das Fahrzeuginnere aufzuwärmen bzw. auf einer angenehmen Temperatur zu halten. Wenn Sie also 60 km/h schnell fahren, kommen Sie schneller ans Ziel, wodurch weniger Energie für die Heizung verbraucht wird, was sich wiederum positiv auf die Reichweite auswirkt. Gleichzeitig bedeutet eine höhere Geschwindigkeit aber auch, dass mehr Energie aufgewendet werden muss, um den Luftwiderstand zu überwinden, was sich wiederum negativ auf die Reichweite auswirkt. Deshalb ist der Unterschied beim Kastenwagen auch geringer.
Welcher Einfluss ist größer?
Die Frage, ob nun die Temperatur oder die Geschwindigkeit einen höheren Einfluss auf die Reichweite haben, lässt sich keineswegs einfach beantworten. Fakt ist, je schneller man fährt, desto weniger Einfluss hat die Temperatur. Bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h ist es beinahe egal, ob die Außentemperatur null oder 20 Grad beträgt. Bei niedrigem Tempo im Bereich von 20 bis 60 km/h sind die Unterschiede dagegen sehr deutlich. Bei einer konstanten Geschwindigkeit von 40 km/h kamen die Probanden im Winter (bei null Grad) gerade 400 Kilometer weit, im Sommer (bei 20 Grad Außentemperatur) hingegen knapp über 600 Kilometer. Heißer sollte es wiederum nicht sein, bei 30 Grad reduziert sich die Reichweite wieder und zwar auf nicht einmal 500 km.
Beim Kastenwagen ist der Einfluss der Temperatur bei hohen Geschwindigkeiten fast unbedeutend. Denn der Luftwiderstand ist proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit, das heißt: Er ist umso größer, je schneller Sie fahren.
Klare Fakten
Die Geschwindigkeit hat einen etwas größeren Einfluss. Optimalerweise liegt sie zwischen 30 und 60 km/h. Das ist jedoch nicht alltagstauglich. Eine konstante Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h ist hingegen vertretbar und bringt Sie relativ weit. Mit dem leichten Kastenwagen oder einem ähnlich großen Fahrzeug werden Sie zwischen Sommer und Winter keinen großen Unterschied in der Reichweite feststellen. Vor allem, wenn Sie zumeist mit höheren Geschwindigkeiten unterwegs sind. Bei einem aerodynamischeren Pkw hat die Temperatur hingegen eine größere Auswirkung auf die Reichweite, insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten, also etwa in der Stadt.