Top-Manager Oliver Wessel erklärt, wie er mit Ladepark AM Lücken im Netz schließt
- Beatrice Bohlig & Hennig Krogh
- 30. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
In Metropolen und entlang wichtiger Autobahnen finden sich bereits viele Ladepunkte für E-Autos. Vergleichsweise deutlich unterrepräsentiert sind oft Dörfer und kleine Gemeinden. Hier will Oliver Wessel nachhaltig Abhilfe schaffen. Im Interview erklärt der langjährige VW-Manager, wie er mit seinem Unternehmen Ladepark AM wichtige Lücken im Netz schließt.

Sie sind überzeugt vom langfristigen Erfolg der E-Mobilität – und ziehen Stromladeparks hoch, wie hier im niedersächsischen Loxstedt. Was stimmt Sie im aktuell schwierigen Geschäftsumfeld optimistisch?
Oliver Wessel: Batterieelektrische Mobilität ist alternativlos im Automobilsektor. Wasserstoff sehe ich kurz- und mittelfristig nicht als Energieträger. Das größte Handicap für die reine Stromfahrt in Deutschland ist noch immer die lückenhafte Ladeinfrastruktur. Dort hat sich zwar einiges getan in den vergangenen Jahren, doch das Bottleneck an sich hat leider Bestand: Die Anzahl der Ladepunkte wächst langsamer als die der E-Autos. Und wenn die E-Mobilität weiter ausgerollt wird – was ich hoffe und wovon ich auch ausgehe –, dann werden die Ladepunkte erst recht knapp. Niemand mag eine Stunde warten, bis endlich eine Stromzapfsäule frei wird. In China dominieren Stromer das Straßenbild, sind Fahrzeuge in öffentlicher Hand fast nur noch elektrisch unterwegs. Wenn wir eine ähnliche Entwicklung durchlaufen, bekommen wir ein massives Problem. Dafür Lösungen zu finden, das ist mein Ansporn.
Nach dem Ende der staatlichen Förderung gab es einen Einbruch der Zulassungen von E-Neuwagen auf dem deutschen Markt. Hat die Politik hier einen schweren Fehler gemacht – oder klug auf die Eigenkräfte des Marktes gesetzt?
Da bin ich zwiegespalten. Auf jeden Fall ist die Politik falsch beraten worden. Auch deshalb ist die E-Mobilität noch nicht so weit, dass sie jeder verstehen und handhaben kann. Folglich halten sich viele Vorurteile – zur Reichweite und Ladezeit etwa, zum hohen Energieverlust im Winter, zu brennenden Batterien. Für mich sind das glasklar Informationsprobleme. Gewiss, ein E-Auto kommt noch nicht ganz so weit wie ein genügsamer Diesel, doch für die Erfordernisse beim Gros der Käufer sind die Akkukapazitäten zweifellos längst groß genug. Und warum wird E-Mobilität nicht stärker in Verbindung mit Photovoltaik genutzt? Hier liegen die Vorzüge doch offen auf der Hand. Mein ältester Kunde ist 89 Jahre alt. Sein Haus hat Photovoltaik auf dem Dach, er fährt ein E-Auto – und nutzt dessen bidirektionale Funktionalität. Doch die Energiespeicherung betreibt der Mann nicht, um damit Geld zu verdienen, sondern aus tiefer Überzeugung. Und sollte es mal ein technisches Problem geben, dann ist innerhalb von zwölf Stunden ein Monteur bei ihm – oder ein Ersatzauto. Das habe ich ihm sogar schriftlich gegeben. Warum? Verlässlicher 24/7-Service ist von herausragender Bedeutung. Baue niemals einen öffentlichen Ladepark oder eine private Anlage und lasse diese dann ohne Betreuung. Das geht garantiert schief.

Worin bestehen die Besonderheiten Ihrer Ladeparks, etwa im Vergleich zu jenen von Ionity, EnBW oder Tesla?
Unser größter Vorteil ist die Preistransparenz. Wir schaffen Klarheit über die gegenwärtigen Stromkosten unter anderem über digitale Preistafeln, wie man sie von herkömmlichen Tankstellen kennt. Für viele E-Automobilisten ist die Vielfalt einschlägiger Apps verwirrend. Und was macht ein Stromer-Lenker, der keine solchen Apps hat? Außerdem muss bei uns niemand im Freien oder gar im Regen stehen. Neben der Überdachung bieten wir zusätzlichen Komfort in Form nahegelegener Toiletten und von Fahrradständern mit E-Bikes. Die kann man sich ruckzuck leihen, um damit während des Ladens schnell zum Supermarkt zu radeln. Oder schlicht für körperliche Bewegung zwischendurch, an der frischen Luft. Ich selbst verstehe Ladezeit immer auch als Zeit zum Erholen.
Welche Rolle spielt das bidirektionale Laden in Ihren Konzepten?
Es ist schon jetzt wichtig – und wird absehbar immer stärker gefragt sein. Deshalb sind jene Photovoltaikanlagen, die ich verbaue, sämtlich bidirektionalfähig. Die Wallboxen hingegen sind es nicht, denn dafür sind die Blockaden seitens der Regierung und etlicher Autohersteller viel zu massiv.
Als angestellte Führungskraft waren Sie lange für VW tätig. Hat der Wolfsburger Konzern, der ja schon früh Hightech-Hybride à la XL 1 und reine Stromer wie E-Up und E-Golf offerierte, die E-Mobilität wirklich „verschlafen“, wie oft behauptet wird, oder deren Chancen nicht konsequent genug genutzt?
Verschlafen hat VW die Trends nicht. Ich erinnere mich gut an Autos wie den E-Up und den E-Golf, die meine Teams schon früh in der Pilothalle hatten. Die Autos waren nicht rundum ausgereift, aber deutlich besser als die von BYD als dem damals ärgsten Konkurrenten. Beide, VW und BYD, haben sich ungefähr 2012 intensiv der modernen E-Mobilität zugewandt. BYD fortan immer als Hauptsache. Und VW eher nebenbei. Das hätte besser laufen können in Wolfsburg. Das Hauptproblem bei VW war, dass man damals nicht die Chancen sah, die ein beherztes Bekenntnis zur E-Mobilität zu einem früheren Zeitpunkt in China geboten hätte, auf dem ja immerhin wichtigsten Einzelmarkt. Über gezielte Partnerschaften hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Das Know-how rund um zeitgemäße Stromer zu vertiefen – und die eigenen Fabriken gut gefüllt zu halten. Warum tun wir das selbst heute noch nicht konsequent? Und rufen stattdessen nach Strafzöllen auf E-Autos aus China? VW war lange schlicht zu stolz, wollte auch im Bereich der Software alles im Alleingang schaffen. Klar, bei der Fahrzeugmontage hatte das über Jahrzehnte problemlos geklappt, da konnte VW niemand etwas vormachen. Aber bei Volvo beispielsweise war man in Sachen Bits und Bytes cleverer, tat sich mit Geely zusammen – und setzte auf die Automotive-IT von Google. Hinzu kommt das Design von VW. Stimmt, Farben und Formen sind Geschmackssache. Doch mit dem Weggang des langjährigen Chefdesigners Klaus Zyciora haben viele VW-Modelle ihre klare Linie verloren.

Klaus Zyciora wirkt inzwischen in China für Changan. Sie sind persönlich oft im Reich der Mitte. Was können wir in Deutschland von China, inzwischen Leitmarkt für E-Mobilität, lernen?
Tempo, Tempo, und immer wieder Tempo. Ob VW oder Mercedes-Benz oder BMW: Im Vergleich mit den maßgeblichen Herausforderern aus China sind viele etablierte OEM trotz erheblicher Bemühungen um höhere Geschwindigkeit noch immer viel zu langsam. Dann das leidige Thema Bürokratie: In China muss sich niemand herumplagen mit Hürden wie der Eichrechtskonformität. Und dort steht der Staat voll und ganz hinter der Transformation zur Elektromobilität. Warum subventionieren nicht auch wir in Deutschland alle Taxis, öffentlichen Busse und kommunalen Lkw und Transporter, die rein elektrisch laufen?
Ist Ladetechnologie aus China qualitativ ebenbürtig mit jener aus Europa oder den USA – oder gar teilweise gar besser?
Die Güte der chinesischen Technik liegt durchaus auf dem hohen Niveau jener von Anbietern aus Europa. Gegenüber dem Material aus den USA sind die Ladesysteme aus China weitaus besser. Der entscheidende Unterschied ist jeweils der Preis. Ladekonzepte aus China sind nun mal bis zu 80 Prozent günstiger als ebenbürtige Anlagen von europäischen Lieferanten.
Wie wichtig sind heimische Wall-Boxen oder Lade-Anschlüsse in der Tiefgarage des Arbeitgebers für die Akzeptanz der E-Fahrt in der Gesellschaft?
Sie sind sehr wichtig – aber in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz eben wirklich sinnvoll nur in Verbindung mit Photovoltaik. Denn die Netzbelastung wird ein absehbar immer drängenderes Problem. Stark vereinfacht gesagt: Wenn alle E-Automobilisten gleichzeitig ihren Wagen mit Strom aus öffentlichen Netzen laden, gehen bei ihnen zu Hause die Lichter aus. Warum also nutzen wir die Akkus unserer E-Autos nicht intelligenter, setzen sie tagsüber, während der Arbeit, als temporäre Speicher für Energie ein, die wir dann etwa abends ins Privathaus einspeisen und dort verbrauchen? Man könnte sich den Bau vieler neuer und äußerst kostspieliger Stromtrassen sparen. Wenn wir schon schwere, leistungsstarke Batterien in unsere E-Autos packen, dann sollten wir doch wohl diese teuren Akkus auch smarter einsetzen. Ich verstehe natürlich, dass E.ON & Co. davon nicht begeistert sind. Leider jedoch gibt es auch noch immer viele Autohersteller, die derartige Lösungen blockieren. Die einzigen OEM, die schon jetzt unbegrenzt freischalten, sind die Koreaner und die Chinesen.
Welchen Einfluss haben die jeweiligen Strompreise auf die Entscheidung der Lade-Kundschaft?
Ich schätze, dass die Hälfte der E-Autofahrer vor dem Laden in Ruhe die Preise vergleicht. Die andere Hälfte muss aus Zeit- und Termingründen sofort laden, wo immer das gerade möglich ist – und was immer es kosten mag.
Würde eine weitere Verteuerung fossiler Energie, etwa über staatliche Besteuerung, der E-Mobilität einen wünschenswerten Impuls liefern?
Daran habe ich keinerlei Zweifel. Nach meinen Beobachtungen nimmt das allgemeine Preisbewusstsein stetig zu. Von mir aus dürfte der Liter Benzin oder Diesel drei Euro kosten. Die meisten Menschen denken erst um, wenn es ihnen an den Geldbeutel geht. Dabei ist die Technik heutiger E-Autos vielfach ausgereift, und Reichweiten von 600 Kilometern sind wahrlich genug für die meisten Einsätze.

23 Jahre im Einsatz für den VW-Konzern

Das Gros seines Berufslebens hat er VW gewidmet – über 23 Jahre stand Oliver Wessel (56) in Diensten des Wolfsburger Fahrzeugkonzerns. Nach internationalen Einsätzen etwa in Mexiko, Argentinien, Südafrika und Spanien, unter anderem in der Qualitätssicherung, rückte der gebürtige Ostwestfale 2014 zum Werksleiter von Volkswagen China Süd in Nanjing auf. Zwei Jahre später wurde der Diplom-Ingenieur in die Geschäftsführung der Pilothalle Marke Volkswagen berufen – zentrale Schnittstelle zwischen Entwicklung und Produktion des Kernlabels. Seit 2019 arbeitet Wessel als Consultant, Gastprofessor und Geschäftsführer der auf Stromzapftechnik für E-Autos spezialisierten Ladepark AM UG mit Sitz in Bad Oeynhausen.
Die Ladepark AM UG

Ob Planung, Montage oder Reparatur und Wartung – für die Verbindung von Elektromobilität und Photovoltaik will das Team von Ladepark AM stets ein „umfassendes Rundum-Sorglos-Paket“ (Geschäftsführer Oliver Wessel) schnüren. Zum Ökosystem des Unternehmens zählen daher verschiedenste Ladesäulen und Wallboxen ebenso wie ein ausgeklügeltes Lastmanagement rund um die jeweilige Energieversorgung, eine Steuerung zentraler Funktionen via App und die Erstellung detaillierter Benutzerstatistiken. Auch beim Einreichen von Förderanträgen und dem tieferen Verständnis technischer und baulicher Vorschriften steht Ladepark AM der Kundschaft zur Seite. Bei den Zulieferern der Hardware setzt Wessel hauptsächlich auf den chinesischen Anbieter Aoneng, der von einfachen 7-kW-Wallboxen (AC) bis hin zum 380-kW-Schnellladeturm (DC) ein bewusst breites Spektrum offeriert. „Viele E-Technik-Lieferanten aus China sind schon längst wieder vom Markt verschwunden“, sagt Wessel, „Aoneng hat sich durchgesetzt und ist fest etabliert“. Die Preise für das „BiBox 5 kWh Speicherpaket“ mit Wechselrichter zum bidirektionalen Laden starten bei 3.900 Euro.