Benzinmotor raus, Hochvoltantrieb rein: Monceau Automobiles hat sich darauf spezialisiert, ab 1961 hergestellte Mercedes-Modelle im Sinne lokal emissionsfreier Mobilität nachhaltig zu transformieren. Höchst professionell und bewusst behutsam baut das Team die legendären Oldtimer zu Edelelektrikern auf modernem Niveau um.

Offene Worte wie diese sind von einem Managing Director eher selten zu hören. Schon gar nicht, wenn es um die eigene Sache geht: „Im Grunde genommen ist die ganze Firma Wahnsinn“, sagt Roel Pollen. Der 47 Jahre alte Niederländer ist Mitgründer und Geschäftsführer von Monceau Automobiles. Fein lächelnd formuliert er diesen Satz am Albertkanaal, rund 70 Kilometer östlich von Brüssel.

Ansässig ist das Unternehmen in Hasselt, Hauptstadt der belgischen Provinz Limburg. Geschuldet ist Pollens verblüffendes Verdikt der enormen Komplexität rund um die Wertschöpfung dieses aufstrebenden Kleinbetriebs mit seinen sechs festen und vier freien Mitarbeitern. Das Urteil spiegelt jedoch auch die oft extremen Reaktionen der Öffentlichkeit wider, die das Monceau-Team regelmäßig zu spüren bekommt.
Und dessen Ansatz ist tatsächlich speziell: Ihre Art der Transformation zur Elektromobilität lassen die teils kaum 30-jährigen Tüftler ausschließlich Veteranen auf Rädern angedeihen. Sie setzen Young- und Oldtimer mit Stern unter Strom.
Die damalige Daimler-Benz AG war der Produzent jener vier längst legendären Mercedes-Modelle, die Monceau in zeit-, kosten- und laut Pollen „oft auch nervenaufwendiger“ Prozedur vom klassischen Verbrennermotor auf reinen E-Antrieb umrüstet: Coupé und Cabriolet der Baureihe W 111 sowie SL-Roadster und Festdach-Pendant SLC der Typfamilie R/ C 107. Ein Autoquartett also mit Stil und Klasse.
Ikonen der Autogeschichte
So behutsam wie möglich verwandeln die Beneluxbastler denn auch jeden betagten Benziner-Benz, der in ihre Obhut gelangt, zu einem Edelelektriker auf – stellenweise – modernem Niveau. „Diese Zweitürer sind wahre Ikonen der Sechziger- und Siebzigerjahre“, betont Pollen, „da darf man wichtige Wesenszüge der noblen Wagen keinesfalls verändern, muss den Kern ihres Charakters unbedingt bewahren“.
Dass dies überhaupt gelingen kann bei einem so tiefgreifenden „Project Powertrain“, dem radikalen Entfernen von Originalmaschine nebst Getriebe, ziehen manche gusseiserne Schnauferl-Fans in Zweifel. „Man wirft uns bisweilen vor, dass wir eine Sünde an rollendem Kulturgut aus dem vergangenen Jahrtausend begehen“, berichtet Pollen. „Einen Teil der Kritik kann ich nachvollziehen, denn prachtvolle Pkw wie ein Mercedes-Benz 280 SE Cabriolet aus der besonders gesuchten Flachkühler-Serie kommen eben nie wieder.“
Doch bei Monceau Automobiles haben sie gute Argumente parat, die für die Sinnhaftigkeit der Mercedes-Metamorphosen sprechen. Drei zentrale Grundsätze führt Pollen an. Erstens lässt er nur High-Tech-Komponenten und frisch fabrizierte Neuteile verbauen. Der naheliegende Griff zu bewährtem Altmetall ist strikt tabu. „Um den Antriebsstrang eines ausrangierten Tesla oder die Traktionsbatterie eines gebrauchten Nissan Leaf machen wir einen weiten Bogen“, hebt Pollen hervor.

Überzeugende Lösungen
Zweitens legt er Wert darauf, dass sich seine Stromer zumindest etwas agiler bewegen lassen als weiland die serienmäßigen Topmodelle der jeweiligen Verbrenner. „Hier sind unsere Maßstäbe also der 500 SL und der 450 SLC 5.0 sowie das 280 SE 3.5 Cabriolet und Coupé“, so Pollen.
Drittens achtet er akribisch darauf, die ursprüngliche Anmutung von Ex- und Interieur der Chromjuwelen weitgehend zu bewahren. „Ein großes Zentraldisplay etwa“, berichtet Pollen“, wie es viele neuzeitliche E-Autos haben, kommt bei uns auf keinen Fall in Betracht“. Die W-111-Instrumente lässt er originalgetreu nachbauen, auf dass sie sich an ein zeitgemäßes CAN-Bus-System anschließen lassen. Pollen: „Ob bei Dreh- und Frästeilen aus Aluminium oder den verschiedensten Kunststoffen für 3-D-Druck – das breite Spektrum von Rapid Prototyping ermöglicht technisch wie optisch überzeugende Lösungen“.

Chromjuwelen auf Hochglanz
Zur Beweisführung bittet der Monceau-Chef ins hauseigene Labor und präsentiert einen W-111-Lenkstockhebel sowie ein Heizungsbedienelement für den SL-Roadster: Die Muster sind vom jeweiligen Original kaum zu unterscheiden – und wenn, dann nur an der Vielzahl gut versteckter Chips und Platinen, wie es sie damals nicht gab.
Seine Vergangenheit kommt Pollen im neuen Job in mancherlei Hinsicht zugute. Schon in Kindheitstagen entdeckte er die Schönheit von Sportwagen für sich, Knirps Roel war glühender Fan des Porsche 911 Targa. Der angehende Akademiker wählte wissenschaftliche Disziplinen im Umweltmanagement, kam auch als Werksstudent bei Philips mit alternativen Energieformen in Berührung. Als gestandener Mann und Familienvater führte Pollen ein eigenes 3-D-Studio, das unter anderem der Uhrenmanufaktur IWC filigrane Dienste leistete.
Privat fuhr der Unternehmer lange einen De Tomaso Deauville mit 5,8-Liter-Ottomotor. Heute sagt er mit Blick auf Mon-ceau: „Wir möchten der Brabus für elektrifizierte Mercedes-Oldtimer sein.“ Das ist ein hoher Anspruch. Einlösbar nur über Kooperationen mit erstklassigen Zulieferern. So bezieht Monceau etwa seine 147 Kilowatt, also 200 PS starken E-Antriebe vom renommierten Motorenproduzenten Phi-Power aus Pfäffikon aus der Schweiz.
Auf Reserve - Ausgebeinte W-111-Modelle können im Zuge von Karosseriearbeiten immer noch wertvolle Strukturteile liefern.
Bis zu 320 Kilometer Reichweite
Die Lithium-Ionen-Traktionsbatterien kommen aus dem Hause Energy Storage Solutions im niederländischen Nuenen: Die Kapazität dieser Akkus beträgt 52,3 kWh – mit einer Ladung sollen Reichweiten von 250 bis 320 Kilometer möglich sein. Auch Mercedes-Benz steuert Material bei, etwa für den Monceau eSL-Roadster jene karierten Stoffsitzbahnen, die den Kultkastenwagen der G-Klasse entstammen.
Individuelle Kundenwünsche wie besagte Polster im electricar-Testwagen erfüllen Pollen und die Mannschaft um den Technischen Direktor Klaas De Craemer gern. „Unsere Klienten sind zumeist technikaffin, viele haben ihre Häuser auf Solarenergie umgestellt“, sagt Pollen, „und finanziell kommen sie allesamt zurecht“.
Die Preise sind klar definiert: 229.000 Euro kostet ein eSL, immerhin 349.000 Euro ein W-111-Coupé als Stromer und fast 400.000 Euro das entsprechende Cabriolet. Ohne Mehrwertsteuer, wohlgemerkt.
Monceau hat einen hohen Kapitalbedarf. Klar, um die ausgebauten Verbrennungsmotoren und die Getriebe reißen sich Sammler sowie Ersatzteilbörsen. Doch in der betriebswirtschaftlichen Praxis steht der Geschäftsführer immer wieder vor herausfordernden, kostspieligen Aufgaben.
Solventer Investor
Mal ist Pollen quasi der Blech biegende Holländer – und muss dort, wo im SLC der Benzintank sitzt, ein Akku-Pack unterbringen. Mal ist im ausgebeinten W-111-Getriebetunnel eine spezielle E-Motor-Aufhängung zu fixieren. „All das kostet stattliche Summen, bei denen wir in Vorleistung gehen“, sagt der Manager. Umso besser, dass sich bei Monceau Automobiles mit Tom Van de Cruys ein solventer Investor engagiert. Der ist als Geschäftsführer bei Total Energies „zwar in der fossilen Welt unterwegs“, sagt Pollen, „setzt sich dort aber nach Kräften für erneuerbare Energien ein“.
Vision: Stromer mit Flügeln
Der sagenhafte, inzwischen Millionen Euro teure Flügeltürer mit E-Antrieb? Roel Pollen zufolge könnte Monceau Automobiles auch den Mercedes-Benz 300 SL des Typs W 198 aus den Jahren 1954 bis 1957 oder den danach bis 1963 gebauten Roadster umrüsten. „Wir trauen uns das natürlich zu“, sagt Pollen. „Es würde allerdings an Wahnsinn grenzen, eines dieser vergleichsweise seltenen Originale zu transformieren.“ Besser stünden die Aussichten, einige der zahlreichen 300-SL-Replikas auf Strom umzustellen. Denn sie wissen, was sie tunen.
