Wenn das E-Auto zum Kraftwerk wird – wie bidirektionales Laden Mobilität und Energie neu vernetzt
- Harald Gutzelnig

- vor 1 Tag
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Die Elektromobilität steht vor einem neuen Wendepunkt: Mit dem sogenannten bidirektionalen Laden (englisch „Vehicle-to-X“, kurz V2X) wird das Elektroauto nicht mehr nur Verbraucher von Strom, sondern Teil eines flexiblen Energiespeichersystems. Diese Technik ermöglicht es, die Batterie eines Elektrofahrzeugs nicht nur mit Strom zu versorgen, sondern ihn bei Bedarf auch zurück ins Hausnetz oder sogar in das öffentliche Stromnetz abzugeben („Vehicle-to-Home“ V2H bzw. „Vehicle-to-Grid“ V2G).

Politische Weichenstellung
Ein wichtiger Meilenstein wurde mit der Entschließung des Bundesrates unter Drucksache BR 496/23 gesetzt, in der der Bundesrat die Bundesregierung auffordert, „konkrete rechtliche, technische sowie steuerliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Technologie ‚bidirektionales Laden‘ mehr Bedeutung zu verschaffen“.
Parallel dazu hat der Deutscher Bundestag mit einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie Änderungen im Strom- und Netzentgeltrecht den Rechtsrahmen so gestaltet, dass Rückspeisung von Strom aus Fahrzeugbatterien ab 2026 wirtschaftlich möglich wird.
Damit werden Elektroautos künftig wie dezentrale Energiespeicher eingeordnet – eine große Hürde für die Marktreife ist damit gefallen.
Potenziale für Fahrer und Netz
Was konkret steckt dahinter? Laut Branchenangaben können mit der EnWG-Reform ab 2026 Speicherpotenziale von „3,3 bis 5 GWh“ nutzbar werden, was in etwa einer Leistung von 1,0 bis 1,5 GW entspricht — also in der Größenordnung eines Kraftwerks.
Für den Fahrer oder die Fahrerin heißt das: Das Elektroauto wird nicht mehr nur ein Fahrzeug, sondern ein Energiespeicher-Asset. Überschüssiger Photovoltaikstrom, günstiger Nachtstrom oder Netzentlastung können künftig in Einklang gebracht werden.
Herausforderungen bleiben
Trotzdem sind noch einige Hürden zu überwinden:
Technisch müssen Fahrzeug, Wallbox und Netzsteuerung kompatibel sein — z. B. auf Basis der Normen wie ISO 15118.
Mess- und Abrechnungsprozesse müssen klar geregelt werden: Bei vielen Konzepten reicht künftig ein oder zwei Zähler für die Bilanzierung.
Der rechtliche und steuerliche Rahmen war bislang eine Bremse — insbesondere die doppelte Belastung mit Netzentgelten bei Rückspeisung. Diese Doppelbelastung fällt nun weg.
Was bedeutet das für Nutzer und Mobilität?
Für die Community von electricar.io heißt das konkret: Wer heute ein Elektroauto anschafft oder sein bestehendes Modell aufrüsten möchte, sollte künftig die Bidirektionsfähigkeit im Blick haben — also ob das Fahrzeug (oder künftig die Infrastruktur) die Rückspeisung unterstützt. Gleichzeitig wächst das Potenzial, das Fahrzeug nicht nur zum Fahren, sondern auch zur Energieerzeugung zu nutzen: zuhause, am Arbeitsplatz oder im Verbund mit dem Netz. Zudem signalisiert die Politik, dass E-Mobilität und Energieversorgung zunehmend zusammen gedacht werden — Strom- und Fahrzeugmarkt verschmelzen.
Fazit
Die Reformen markieren den Beginn eines Paradigmenwechsels: Das Elektroauto wird Teil eines dezentralen Energiesystems – vom Verbraucher zum flexiblen Kraftwerk. Wer bei dieser Entwicklung früh einsteigt, kann auf doppelte Wirkung setzen: Mobilität + Energie. Für Nutzer gilt: Technik prüfen, Infrastruktur im Blick haben — und darauf achten, ob das eigene Fahrzeug bidirektionales Laden unterstützt.
Wir denken, dass dieser Wandel neue Services, Geschäftsmodelle und Nutzerangebote bedeutet: z. B. Tarife, die Rückspeisung honorieren, Wallboxen mit „Vehicle-to-Home“ Funktion oder Netz-Services für Fahrzeughalter.
Quelle: Deutscher Bundestag


