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"Wir sind bereit für die nächste Phase" - Interview mit Ionity-CEO Jeroen van Tilburg

  • Autorenbild: Armin Grasmuck
    Armin Grasmuck
  • vor 49 Minuten
  • 6 Min. Lesezeit

Jeroen van Tilburg, CEO von Ionity, über die neue Strategie des Ladenetzbetreibers, mehr Annehmlichkeiten und Transparenz für die Kunden. (Foto: Jeroen van Tilburg (CEO) / ionity.eu)


Wir treffen Sie hier beim Fat Ice Race. Sind Sie bei diesem Autorennen auf der Eisbahn in Zell am See selbst am Start?


Jeroen van Tilburg: (lacht) Ich bin nur ein Zuschauer! Naja, wenn mich einer der professionellen Fahrer einlädt, werde ich vielleicht als Beifahrer einsteigen. Wir sind stolz darauf, dass wir als Ladestromanbieter dazu beitragen können, die Elektroautos wie diese hier mit voller Energie auf den Rundkurs zu schicken.


Gespräch in der neuen G-Klasse von Mercedes - electricar-Chefredakteur Armin Grasmuck (links) trifft Ionity-Chef Jeroen van Tilburg in Zell am See zum Interview.
Gespräch in der neuen G-Klasse von Mercedes - electricar-Chefredakteur Armin Grasmuck (links) trifft Ionity-Chef Jeroen van Tilburg in Zell am See zum Interview.

Wie elektrisierend wirkt dieses winterliche Motorsportspektakel für Sie als Betreiber der Schnellladesäulen?


Für uns als Ladenetzwerk ist es aufregend zu beobachten, wie sich diese Thematik entwickelt. Vor nicht allzu langer Zeit stellten die Leute noch Fragen wie: Ist es möglich, mit einem E-Auto eine Reise auf der Langstrecke anzutreten? Oder: Kann man mit einem batteriegetriebenen Modell auf der Autobahn schneller als Tempo 100 fahren? All diese Ängste und Mythen haben sich inzwischen als falsch erwiesen und sind verpufft. Jetzt erreichen wir sogar die nächste Stufe: Hier in Zell am See sind die Stromer von Audi, Mercedes, Polestar und Porsche am Start. Sie beweisen eindrucksvoll, dass sie sogar an Rennen unter extremen Bedingungen teilnehmen können.


HPC-Säulen in Bestform - Die Schnelllader des Anbieters liefern den Strom mit Leistungen von bis zu 350 Kilowatt in die Batterien der Elektroautos. (Foto: Ionity)
HPC-Säulen in Bestform - Die Schnelllader des Anbieters liefern den Strom mit Leistungen von bis zu 350 Kilowatt in die Batterien der Elektroautos. (Foto: Ionity)

Seit vergangenem Mai stehen Sie als CEO in Diensten von Ionity. Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz aus?


In den vergangenen 25 Jahren habe ich für US-Unternehmen gearbeitet. Es war also interessant und eine große Unbekannte für mich, bei einer deutschen Firma einzusteigen. Diese Ansicht konnte ich allerdings sehr schnell revidieren, denn wir sind eindeutig ein internationales Unternehmen. Wir repräsentieren ein Ladenetzwerk für 24 Länder mit etwa 250 Mitarbeitern aus rund 30 Nationen. Es ist ein junger, sehr dynamischer Betrieb mit wahrhaftig motivierten und zielfixierten Leuten. Ich bin glücklich, dass ich die Chance bekommen habe, diese Rolle zu übernehmen – auch weil es ein starkes Fundament gab. Das Netzwerk ist großartig aufgebaut worden, mit Ladestationen alle 150 Kilometer entlang der europäischen Hauptverkehrsrouten. Jetzt beginnt eine neue, aufregende Phase des Wachstums, in der es zu prüfen gilt, wie wir unser Angebot optimieren und neue Erlösquellen generieren können.


An welche neuen Geschäftsfelder denken Sie konkret?


Natürlich sind wir an Fuhrparks und Flotten interessiert. Wir gehen näher an die Städte heran. Wir denken an neue Lösungen für die letzte Meile. Können wir vielleicht Taxis unterstützen? Können wir mithelfen, die Städte noch besser zu elektrifizieren? Deshalb sind wir auch bei Events wie hier in Zell am See. Können wir die Fahrer von E-Autos vielleicht auch an ihren Urlaubsorten nachhaltig unterstützen? Es geht um Wachstum und neue Wege, es zu erreichen. Wir sind bereit für die nächste Phase. Ich versuche, meine sehr pragmatische und schwungvolle Art sowie die Erfahrung aus 25 Jahren in Amerika mit der deutschen Ingenieurskunst von Ionity zu kombinieren und entsprechend effizient umzusetzen.


Das ursprüngliche Ziel von 1000 Ladestationen mit insgesamt 7000 Ladepunkten bis Ende 2025 haben Sie korrigiert. Wie kommen Sie mit dem Ausbau voran?


Wir fahren eine nachfrageorientierte Strategie, haben inzwischen rund 750 Ladeparks in Betrieb. Die genaue Zahl gibt es tagesaktuell auf unserer Webseite ionity.eu. Es sind etwa 4800 einzelne Ladepunkte, also durchschnittlich sechs pro Station. Erst ging es darum, das Netzwerk europaweit auszudehnen. Jetzt prüfen wir, wo genau der Übergang hin zur E-Mobilität passiert. Unser Fokus liegt auf Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden. Wir möchten schnell vorankommen, über unsere Shareholder sind wir gut finanziert. Natürlich haben wir uns mit den Begebenheiten vor Ort auseinanderzusetzen: Gibt es genug Fläche? Gibt es ausreichend Netzkapazität? Zu einem akzeptablen Preis?

Schnell und Einfach anstecken - Der Ladevorgang kann beispielsweise über die Ionity-App auf dem Smartphone gestartet, überprüft und beendet werden. (Foto: Ionity)
Schnell und Einfach anstecken - Der Ladevorgang kann beispielsweise über die Ionity-App auf dem Smartphone gestartet, überprüft und beendet werden. (Foto: Ionity)

Hängt es weiterhin an dem schwierigen Prozess des Netzanschlusses, dass sich die Eröffnung neuer Ladeparks mitunter stark verzögert?


Es gibt zwei große Herausforderungen. Den Netzanschluss – entweder nicht möglich oder kostenintensiv. Oder es dauert sehr lange, da sprechen wir von Jahren. Bei uns kommt dazu: Wir sind nicht opportunistisch. Es gibt viele Anbieter, die kleine Stationen mit zwei Ladepunkten bauen. Wir glauben, dass das auf Dauer keine Zufriedenheit bei den Kunden bringt. Denn das Schlimmste ist doch, wenn du siehst, dass der Ladepunkt, den du gewählt hast, belegt ist – und du eine Stunde warten musst, weil das Auto bis 100 Prozent geladen wird. Deshalb möchten wir große Ladeparks für größere Zufriedenheit bauen. Wir benötigen also größere Flächen und größere Stromanschlüsse. Ein Dauerbrenner sind die Genehmigungsverfahren, die sich ebenfalls lange hinziehen können.


Sind es rein technische Probleme? Oder hat es auch politische Hintergründe?


Es ist von Markt zu Markt unterschiedlich. Nehmen wir meine Heimat, die Niederlande, als Beispiel: 2018 und 2019 war es sehr einfach, sich dort die nötige Energie zu sichern. Es dauerte nur Monate, manchmal sogar nur Wochen. Heute, sechs Jahre später – keine Chance. Es gibt rote Zonen, da wird es Jahre dauern, bis Sie den passenden Netzanschluss bekommen. Deutschland hat seine Eigenheiten. In England muss manchmal sogar mit jedem Anlieger verhandelt werden, wenn es um das Verlegen der Kabel geht.

Welche Faktoren sind bei der Wahl des Standorts entscheidend?


Unsere ursprüngliche Mission lautete, elektrische Freiheit in ganz Europa zu ermöglichen. Wir möchten so nahe an den Autobahnen sein, dass der kleine Umweg sinnvoll ist. Und zwar so, dass möglichst auch keine Mautschranke wie in Italien oder Frankreich passiert werden muss. Das kostet Zeit: bezahlen, Rückgeld, wieder bezahlen, in der Schlange anstellen. Wir möchten den Ladevorgang und das Drumherum angenehm gestalten. Das heißt: kurze Pause, vielleicht etwas trinken, ausruhen. Zehn Minuten, 20 oder 30. Entspanne dich, lade dich selbst wieder auf. Wir wollen, dass das Laden ein Vergnügen wird. Ein guter Kaffee, eine attraktive Szenerie, ein schönes Umfeld. Ich denke, wir als neue Industrie haben die einzigartige Gelegenheit, es komplett anders zu gestalten als die traditionellen Tankstellen. Und wenn die E-Autofahrer es künftig schaffen, das Laden mit einer anderen Aktivität wie Einkaufen, Essen oder Trinken zu kombinieren, kostet das Laden praktisch gar keine Zeit mehr.


Unterschiedliche Preismodelle - Ionity bietet die Ladepässe Passport Power und Motion mit monatlichen Grundgebühren und ab 0,39 Euro pro Kilowattstunde an. Das Ad-hoc-Laden ohne Grundgebühr kostet 0,69 Euro. (Foto: Ionity)
Unterschiedliche Preismodelle - Ionity bietet die Ladepässe Passport Power und Motion mit monatlichen Grundgebühren und ab 0,39 Euro pro Kilowattstunde an. Das Ad-hoc-Laden ohne Grundgebühr kostet 0,69 Euro. (Foto: Ionity)

Zahlreiche Kunden bemängeln die fehlende Transparenz an den Ladestationen. Was tut Ionity, um das Stromziehen übersichtlicher zu gestalten?


Da stimme ich zu 100 Prozent zu. In diesem Bereich haben wir als Industrie noch Raum, uns zu verbessern. Alles ist neu. Die Art, wie du das Auto fährst. Die Art, wie du es auflädst. Es wird komplex und nicht sehr transparent. Es ist wichtig, dass wir speziell in dieser Phase des Übergangs als Ladestromanbieter klar sind. Doch auch die Anbieter von Mobilität und die Automobilhersteller, jeder kann seinen Teil beitragen. Im Idealfall kann der Kunde bereits auf dem Bildschirm im Auto erkennen, welche Leistungen der jeweilige Ladepark bietet, wie lange es dauert und was der Strom dort kostet. In den Modellen unserer Partner wie Mercedes und Porsche werden Sie über die Navigation automatisch zu Ihrem bevorzugten Ladestromanbieter geleitet. Das lässt den gesamten Prozess angenehm und zuverlässig erscheinen.


Kooperation mit Pizzakette


Die strategische Partnerschaft mit dem Gastronomieunternehmen L`Osteria hat Ionity besiegelt. Bis Mitte dieses Jahres sollen an 15 Standorten in Deutschland und Österreich der auf authentisch italienische Kulinarik spezialisierten Restaurants High-Power-Charging-Stationen installiert werden. Laut Ionity ist dies ein weiterer Aspekt der Strategie, das Laden noch nahtloser in den Alltag der Elektroautofahrer zu integrieren. Den Auftakt macht die Station mit sechs Schnellladepunkten auf dem Parkplatz der L`Osteria in Rosbach vor der Höhe, gut 30 Kilometer nördlich von Frankfurt, direkt an der Autobahn A5. „Mit dieser Partnerschaft laden unsere Gäste gleich doppelt auf“, sagt Wolfgang Göbel, als Franchisenehmer verantwortlich für die Restaurants Rosbach, Limburg und Wetzlar. „Während das E-Auto an der Ladesäule Strom tankt, können die Fahrerinnen und Fahrer die entspannte Auszeit in einem einzigartigen Ambiente genießen – so fühlt sich die Ladepause fast wie ein Kurzurlaub in Italien an.“ Weitere Stromsäulen gibt es an den Restaurants in Bernau am Chiemsee, Bornheim, Bruchsal, Castrop-Rauxel und Marl. Es folgen Ladeparks entlang der Autobahnen A5 und A8 in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.



 
 
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